Im Rahmen dieses Projektes wurde die eiszeitliche Fundlandschaft im Raum Wien mittels Prospektionen erfasst. Dabei gelang unter anderem der Nachweis der Anwesenheit des jungpaläolithischen Menschen in der Bundeshauptstadt.

Die Stadt Wien ist seit etlichen Jahrhunderten in besonderer Weise mit Relikten der Eiszeit verbunden. So wurden Gog und Magog, die biblischen Riesen, in Anbetracht noch fehlender paläontologischer Kenntnisse 1546 von E. Lazius zur Interpretation der Herkunft der Knochen bemüht. Der mit »AEIOU« – dem Leitspruch Kaiser Friedrichs III. – beschriftete Mammutknochen, der beim Bau des Nordturms des Stephansdoms 1443 gefunden wurde, ist wohl der bekannteste Hinweis einer historischen Beachtung eiszeitlichen Knochenmaterials, ohne dessen zeitliche Tiefe zu kennen.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass erst im Jahre 2002 durch Norbert Vávra eine wissenschaftliche Arbeit verfasst wurde, deren Ziel eine Zusammenfassung der Funde der eiszeitlichen Riesen aus dem Wiener Stadtgebiet war. Entsprechend der geologischen Situation, nämlich der Einbettung in die jüngsten erdgeschichtlichen Ablagerungen, stammen sie aus Schotterschichten oder den Lössen der Eiszeit. Vor allem die Regionen Nußdorf-Heiligenstadt, Bisamberg, Stammersdorf und Hietzing weisen eine Vielzahl von Funden auf. Diese Lagen erscheinen prädestiniert für die Streifgebiete der Jäger- und SammlerInnen, die innerhalb der letzten 100.000 Jahre wohl auch den Wiener Raum heimsuchten. Vereinzelte Steingeräte belegen ihre Anwesenheit, sie wurden jedoch bisher nicht systematisch erfasst.

Es besteht Grund zur Annahme, dass der Raum Wiens für die eiszeitlichen Jäger- und Sammler*innengesellschaften eine ebenso bedeutende Region war wie das niederösterreichische Umland und der Donauraum. Es ist anzunehmen, dass eine geografisch markante Situation wie die Wiener Pforte für die umherstreifenden Gruppen eine typische ›Landmarke‹ darstellte, die der großräumigen Orientierung diente und bevorzugt zu größeren Siedlungsplätzen genutzt wurde. Hervorragende Beispiele dieser Art sind Dolní Věstonice in Mähren oder auch Krems-Wachtberg in Niederösterreich.

Im Rahmen dieses Projektes wurde eine systematische Erfassung der eiszeitlichen Fundlandschaft Wiens auf Basis der Publikation N. Vávras durchgeführt. Neben der Überprüfung des archäologischen Altfundmaterials lag ein Augenmerk auf der Prospektion nicht oder wenig verbauter Areale. Ziel war, Aufschlüsse mit eiszeitlichen Sedimenten zu entdecken, die eine naturwissenschaftliche Probennahme nach modernen Gesichtspunkten ermöglichen. Nach Geländebegehungen wurden Rammkernsondierungen in der Titlgasse (Hietzing) und am Oberen Jungenbergweg durchgeführt. In der Senderstraße am Bisamberg wurden zwei Profile aufgenommen. Die Analytik des Probenmaterials soll nähere Informationen zur Rekonstruktion klimatischer Bedingungen liefern und im Idealfall auch eine zeitliche Zuordnung ermöglichen.

Das spektakulärste Ergebnis ist der erste unzweifelhafte Nachweis für die Anwesenheit des Menschen auf dem Gebiet der heutigen Stadt Wien im frühen Jungpaläolithikum (EUP, frühes/älteres Aurignacien, 14C-Datierungsspanne 37.000–38.500 cal. BC). Die 14C-Datierung eines Metatarsus von Equus sp. mit eindeutig anthropogenen Schnittmarken aus Nußdorf (Rachel Hopkins, Oxford) erbrachte ein Datum von 34550 ± 600 BP (OxA-34405).

Die meisten Altfunde konnten mit Ausnahme eines kleinen Inventars aus der Titlgasse nicht als paläolithisch verifiziert werden.

Auf das Paläolithikum bezogene landschafts-und siedlungsarchäologische Aspekte vieler Teilflächen konnten als »potentiell für eine altsteinzeitliche Besiedlung günstig« erkannt werden. Sie müssen bei zukünftigen Forschungen berücksichtigt werden. Heute sind weite Teile der im Paläolithikum begünstigten Siedlungsräume, vor allem in den hangunteren, direkt über der Donauebene befindlichen Lösshängen, überwiegend verbaut. Das Projekt zeigt das große Potenzial, das die lössbedeckten Teile Wiens für paläolithische Fundstellen darstellen.

Die Abschlusspublikation soll einen weißen Fleck in der Landkarte der Eiszeitforschung in Österreich zumindest ein wenig einfärben.

 

 

  • Konstantina Saliari

Kooperationen

  • Martin Penz (Stadtarchäologie Wien)
  • Ursula B. Göhlich (NHM Wien, Geologisch-Paläontologische Abteilung)

Laufzeit

2016–2017

Finanzierung

Kulturabteilung der Stadt Wien