Seit 2017 werden in Wien die Silizitvorkommen und deren prähistorische Nutzung untersucht. Unter den bislang etwa 30 festgestellten Abbau- und Nutzungsstellen sticht das Inventar einer Fundstelle im Lainzer Tiergarten besonders hervor – sowohl artefaktmorphologisch/technologisch, als auch aufgrund des hohen Anteils thermisch veränderter Stücke. Daher wird dieses nun eingehender analysiert.

Die Fundstelle »LTG-Ra_15« wurde 2018 entdeckt. Bereits im Gelände war aufgefallen, dass das Fundmaterial hier von jenem anderer Radiolarit-Gewinnungsstellen der St. Veiter Klippenzone abweicht – sowohl von der Zusammensetzung her (viele Kerne, kaum Precores), als auch durch eine abweichende Technologie und daraus resultierender Artefaktmorphologie, besonders aber aufgrund des sehr hohen Anteils thermisch beeinflusster Stücke. Das ließ den Verdacht einer Abbautätigkeit bereits im Frühmesolithikum aufkommen. Denn die intentionelle Veränderung der Gefüge- und somit Schlageigenschaften von Silizitgesteinen durch gezielte thermische Beeinflussung (Tempern) ist zwar vom Paläolithikum bis ins Neolithikum nachgewiesen, wird in Mitteleuropa jedoch nur im Frühmesolithikum (ca. 10000–7000 v. Chr.) in größerem Umfang regelhaft angewendet, und ist für diesen Zeitabschnitt geradezu charakteristisch.

Das Fundmaterial stammt von drei Begehungen in den Jahren 2018–2020. Für die eigentliche Aufnahme waren letztlich nur 601 Stücke aus dem Gesamtinventar geeignet. Denn viele Artefakte sind unvollständig überliefert, weshalb charakteristische Merkmale nicht aufgenommen werden können. Zudem liegt im Gesamtmaterial ein hoher Anteil uncharakteristischer Trümmerstücke vor, weil es sich eben um eine Mischung aus Bergbauschutt und Schlagabfällen handelt. Für eine standardisierte Aufnahme und Auswertung sind aber nur letztere gut geeignet.

Methode

Alle ausgewählten Artefakte wurden bezüglich Rohmaterial und Temperaturbeeinflussung stereomikroskopisch analysiert (Einzelartefaktanalyse) und bezüglich ihrer Artefaktmorphologie merkmalsanalytisch untersucht. Die jeweiligen Parameter wurden codiert in einer excel-Tabelle aufgenommen. Die Kombination aus stereomikroskopischer und technologischer Analyse soll zeigen, ob das Fundmaterial chronologisch homogen oder inhomogen zusammengesetzt ist, und zumindest eine grobe Datierung zulassen.

Technologie und Artefaktmorphologie

Ein Schwerpunkt wurde auf die Kerntechnologie/Reduktionsstrategie gelegt. Frühmesolithische Kerne zeigen, bedingt durch die Flexibilität in der Rohmaterialausnutzung, eine große Formenvielfalt. Daher ist es schwierig, für diese Zeitstufe besonders charakteristische Kerntypen und -formen zu definieren bzw. als solche zu identifizieren. Mit der frühmesolithischen Reduktionstechnik allgemein stimmt überein, dass überwiegend unidirektionaler Abbau nachgewiesen ist, und zwar wiederum überwiegend an jeweils nur einer Abbaufläche. Unidirektionaler Lamellenabbau ist auch an sehr kleinen und zudem meist feuerbeeinflussten Kernen belegt. Charakteristisch ist nach M. Heinen auch ein direkter Abbau an geköpften Knollen ohne weitere (Vor-)Präparation – auch dies ist im Material gut nachvollziehbar. Das Zusammentreffen dieser Charakteristika sollte also eine Datierung ins Frühmesolithikum erlauben, auch wenn keine absoluten Daten vorliegen.

Fazit und Ausblick

Erste Ergebnisse sind vielversprechend – die Auswertung wird mit einer vertiefenden Analyse fortgeführt. Mittelfristig sollen zum Vergleich Fundinventare anderer – vermutlich (überwiegend) neolithischer – Radiolaritabbaustellen in der SVK im selben System aufgenommen werden, um tendenzielle Ergebnisse abzusichern und eine breitere Vergleichsmaterial-Datenbasis zu schaffen. Ebenso sollen technologische Vergleiche mit den Inventaren der wenigen im weiteren Umkreis bekannten frühmesolithischen Fundstellen durchgeführt werden.

 

 

Laufzeit

seit 2020

Finanzierung

Dr. Anton Oelzelt-Newin’sche Stiftung, ÖAW