Marmor galt in der römischen Antike als wertvoller Werkstoff und Ausdruck von Repräsentation und Macht. Reichtum manifestierte sich sowohl bei öffentlichen Bauvorhaben als auch im privaten Ambiente an der Verwendung verschiedenfarbiger Marmore unterschiedlicher Herkunft. Um den enormen Bedarf an dem im Baugewerbe hauptsächlich verwendetem weißen Marmor zu decken, wurden im gesamten Imperium neue Steinbrüche erschlossen, von denen manche eine weite Exportwirkung erreichten, während die Mehrzahl den regionalen Markt versorgte.

Weißer Marmor kam allerdings je nach Qualität und technologischen Eigenheiten selektiv zum Einsatz: Thasos und Aphrodisias waren bei Skulpteuren beliebt, Sarkophage nennen die Herkunft aus Prokonnesos und Dokimeion in Inschriften. Ephesos und Herakleia wiederum verfügten über große Lagerstätten, die weit über den Eigenbedarf hinaus Abbau betrieben.

Über das Handelsnetzwerk mit weißem Marmor ist bislang allerdings nur wenig bekannt, da systematische Herkunftsbestimmungen an gut datierten Objekten fehlen. Genau hier setzt das Projekt an, indem Artefakte gezielt ausgewählter Fundorte beprobt und analysiert werden. Als Materialbasis für diese Studien wurden exemplarisch sowohl Gegenden wie Zypern, Kilikien und Israel gewählt, die ohne eigene Marmorproduktion auf Importe angewiesen waren, als auch marmorreiche Regionen wie Thrakien, Kleinasien und der ostalpine Raum. Untersuchungen zweier Handelsmetropolen des Ostens, Ephesos und Korinth, dienen der Feststellung von Marmorhandel und des Transfers von Technologie und Kunsthandwerk.

Für Herkunftsanalysen von weißen Marmoren wurde in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Methoden entwickelt. Zu den wichtigsten zählen die Analyse der stabilen Isotope (O und C), EPR, die Analysen von Spurenelementen sowie die in jüngster Zeit verstärkt angewandte Analyse von Mikroeinschlüssen in Marmoren. Keine dieser Methoden hat für sich alleine jedoch zufriedenstellende Ergebnisse erbracht. Für das vorliegende Projekt wurde daher eine Kombination dieser Methoden mit einer Erweiterung der Anzahl der untersuchten Spurenelemente gewählt, um die Provenienzbestimmung von Weißmarmoren auf eine neue analytische Basis zu stellen.

Erklärtes Ziel ist, durch eine exakte Herkunftsanalyse der Marmore einerseits den Umfang der Produktion, andererseits den Distributionsradius lokaler Marmorindustrien und deren Werkstätten zu bestimmen. Ferner kann durch diese naturwissenschaftlichen Untersuchungen in Kombination mit den stilistischen Charakteristika von Architektur und Skulptur der Frage nachgegangen werden, inwieweit Werkstätten oder Künstler im östlichen Mittelmeerraum wanderten und dabei auch auf den ihnen bekannten und bewährten Marmor aus ihrer jeweiligen Heimat zurückgriffen.

Die Steinbrüche in der Umgebung von Ephesos

Die weißen Marmore, die in der Region um Ephesos gewonnen wurden, kann man entsprechend den bisherigen Ergebnissen den beiden Hauptgruppen Ephesos I und Ephesos II zuordnen, zu denen jeweils verschiedene Steinbrüche gehörten. Darüber hinaus gibt es Steinbrüche, die keiner dieser Hauptgruppen zuzuordnen sind. Dazu gehört ein kleiner Steinbruch mit hellgrauem, sehr grobkörnigem Marmor am Abu Hayat, der auf die Herstellung von Sarkophagen spezialisiert war, die man in der antiken Stadt Ephesos nachweisen kann.

Ein spezieller Marmor mit auffallender Struktur (weiß mit schwarzen Sprenkel) wurde in einigen Steinbrüchen ungefähr 20 km nordöstlich von Ephesos abgebaut. Diese »Greco Scritto« genannte Varietät des ephesischen Marmors wurde offensichtlich im gesamten Römischen Reich gehandelt und konnte unter anderem in Rom, Sirmium und Selinus nachgewiesen werden.

Um die Fingerprints der ephesischen Steinbrüche auch in Ephesos nachzuweisen, wurden in den letzten Jahren intensive Beprobungen an Architektur, Skulpturen, Sarkophagen und kleineren Objekten vorgenommen. Von den noch ausstehenden Ergebnisse der Analysen sind weitreichende Erkenntnisse zur Verwendung von Marmoren mit spezifischen Eigenschaften, zu Bauprogrammen, aber auch zur Bedeutung der ephesischen Steinbrüche für die wirtschaftliche Kraft der Stadt zu erwarten.

Die Villa von Armira und die Marmorsteinbrüche Thrakiens

Die römische Villa Armira bei Ivailovgrad (Bulgarien) besticht durch großzügige Architektur und einen einzigartigen Mosaikschmuck. Errichtet im späten 1. Jahrhundert n. Chr., durchlebt der Komplex zahlreiche Umbauten, bis er im späten 4. Jahrhundert völlig zerstört und aufgegeben wird. Das große Peristyl der Villa erhält im frühen 2. Jahrhundert eine exquisite Marmorausstattung, bestehend aus einem Säulenhof mit Hermenzaun sowie einer durch Pilaster gegliederten Wandverkleidung, deren Platten ursprünglich farblich akzentuierten Ritzdekor aufwiesen. Bald nach der Publikation entbrannte eine Diskussion über die künstlerische Einordnung und Herkunft der Marmorausstattung. Handwerkliche Details führten zu der Annahme, dass Kapitelle und Skulpturen aus Aphrodisias stammten oder zumindest Handwerker des kleinasiatischen Steinmetzzentrums in Armira gearbeitet hätten. Andererseits wurde vorgeschlagen, die Marmorausstattung mit den wirtschaftlichen Aktivitäten des Hausbesitzers in Verbindung zu bringen, was sich durch Steinbrüche in der unmittelbaren Umgebung von Armira zu bestätigen schien.

Nach einer Beprobungskampagne konnte nun erstmals der Nachweis erbracht werden, dass die in Armira verwendeten Marmore lokalen Ursprungs sind. Eine genaue Zuordnung zu nahe gelegenen Steinbrüchen soll durch eine Surveykampagne 2019 erfolgen.

Die Marmorsteinbrüche in den Ostalpen

Qualitativ hochwertige Marmorbrüche, die bereits in der Antike genutzt wurden, liegen auch in Kärnten, der Steiermark sowie in Slowenien. Von besonderem Interesse sind zwei Schiffsladungen von Marmorblöcken, die aus dem Flussbett der Drau geborgen wurden, und die in einer Feldkampagne 2018 beprobt werden konnten. Neben der Herkunftsanalyse dieser Werksteine werden auch die Pörtschacher Marmore einer genauen Analyse unterzogen und ihre Verwendung für antike Objekte untersucht werden. Durch eine naturwissenschaftliche Analyse antiker Skulptur und Architektur aus den Städten und Villen der römischen Provinz Noricum wird zudem der Versorgung mit lokalen Marmoren sowie der Frage nach Importen nachgegangen.

 

Cooperations

Duration

2018–2024

Funding

FWF P 33042

Kooperationen

Laufzeit

2018–2024

Finanzierung

FWF P 33042