Das Ájios Wassílios-Projekt hat die Keramikfunde aus dem neu entdeckten mykenischen Palast von Lakonien zum Gegenstand. Einerseits geht es darum, ein chronologisches Gerüst für wichtige Ereignisse in der Geschichte des Palastes – etwa Gründung und Zerstörung – zu erstellen, andererseits werden Fragen zur Herstellung und Nutzung der Keramik mit Hilfe von archäometrischen Methoden untersucht.

Das Forschungsvorhaben, welches von R. Jung und E. Kardamaki durchgeführt wird, ist eine interdisziplinäre Untersuchung mit Schwerpunkt auf der Analyse von Keramikfunden aus dem neuentdeckten mykenischen Palast von Ájios Wassílios in Lakonien. Dieser wird unter der Leitung von der ehemaligen Direktorin des Denkmalamtes in Sparta A. Vasilogamvrou unter der Schirmherrschaft der Archäolojikí Etäría in Athen ausgegraben. Die laufenden Ausgrabungen erlauben es erstmals, anhand einer durchgehenden modern gegrabenen Stratigrafie Aufstieg und Fall einer mykenischen Palastregion vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Entwicklung zu untersuchen. Bereits während der ersten Ausgrabungen im Jahre 2008 hatte sich herausgestellt, dass der Erhaltungszustand der reichen Funde und Befunde von Ájios Wassílios eine einmalige Chance bietet, alle Aspekte der materiellen Kultur und Organisation eines palatialen Zentrums mit modernen Methoden zu untersuchen. Inzwischen sind unter anderem ein Verwaltungsarchiv, ein Kultareal und ein monumentaler Hof zum Vorschein gekommen. Aufwendige Umbaumaßnahmen sowie mächtige Zerstörungs- und Schuttschichten mit Resten von Festmählern belegen eine dynamische und komplexe Entwicklung des Palastes, in dem fortlaufend weiter ausgegraben wird, seit der frühmykenischen Epoche bis zu einer gewaltigen Brandzerstörung am Ende des 14. bzw. am Beginn des 13. Jahrhunderts v. Chr. Zur genaueren Rekonstruktion der Baugeschichte und Entwicklung des Palasts soll Keramik aus versiegelten Schichten, die einen Zeitraum vom 17. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. abdecken, typo-chronologisch untersucht werden. Im Anschluss daran sollen die Ergebnisse mit der Entwicklung anderer wichtiger Zentren der näheren (Menelaion, Ájios Stephanós) und entfernteren Umgebung (Mykene, Tiryns, Pylos, Kythera, Chaniá) verglichen werden, um die regionale und überregionale Bedeutung des Palastes von Ájios Wassílios zu ermitteln.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt – neben der Erstellung einer lokalen Keramiktypologie – hängt mit Aspekten der Keramikherstellung zusammen. Alle identifizierten keramischen Warenarten werden typologisch und naturwissenschaftlich (zur Herkunftsbestimmung) analysiert. Daraufhin wird ihr Vorkommen in den Schichtabfolgen statistisch untersucht, um ihre Laufzeiten zu ermitteln und Veränderungen der Keramikprodukte durch die Zeit zu verfolgen. Des Weiteren lassen Bedeutung und geografische Lage der Fundstelle vermuten, dass die Analyse der Keramik aus den älteren Schichten des Palastbereichs sowie aus dem schachtgräberzeitlichen Gräberfeld an der Nordspitze des Plateaus einen wichtigen Beitrag zur Frage der Entstehung der mykenischen Keramik allgemein leisten kann. Analysen organischer Rückstände durch C. Debono Spiteri (Universität Tübingen) werden zudem Einblicke in die Funktion der Keramikgefäße und die Konsumsitten dieses spätbronzezeitlichen Zentrums erlauben. Im Rahmen dieses Projektteils werden ausgewählte Keramikklassen von Ájios Wassílios mit solchen aus gleichzeitigen Stellen außerhalb der Ägäis (u. a. Punta die Zambrone in Kalabrien) verglichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Keramiknutzung zweier Gebiete zu ermitteln, deren Bewohner/innen aufgrund anderer Indizien höchstwahrscheinlich miteinander in direktem Kontakt standen.

 

 

Projektleitung

Laufzeit

08/2015–07/2020

Finanzierung