Erforscht wurden urbane und suburbane Siedlungsräume im Westen des Stadtgebiets von Aquileia unter besonderer Berücksichtigung der Infrastruktur der Verkehrswege sowie hervorragender Baumonumente.
Aquileia, 181 v. Chr. als Colonia latinischen Rechts gegründet, spielt eine Schlüsselrolle in der wirtschaftlichen und politisch-militärischen Erschließung der Nordprovinzen. Die Handelsmetropole war Ausgangs- wie auch Endpunkt der Bernsteinstraße und der bedeutendste Flusshafen und Warenumschlagplatz der Regio X. Dass sich dynamische Entwicklungsprozesse einer Stadt am besten in ihren Randbereichen erfassen lassen, manifestiert sich in Aquileia anhand der Erweiterung des Stadtgebiets vom Zentrum nach Westen durch die räumliche und zeitliche Abfolge der republikanischen und kaiserzeitlich/spätantiken Befestigungsanlagen. Siedlungsstrukturen innerhalb und außerhalb der Fortifikationen illustrieren den diachronen Funktionswandel urbanen und suburbanen Raumes.
Mit Bezug auf diese Transformationsprozesse wird die diachrone Entwicklung des gesamten westlichen Stadtgebiets und Suburbiums zwischen der spätantiken Stadtmauer und der Einmündung des ›Canale Anfora‹ in den Fluss Terzo untersucht. Die diesen weitläufigen Forschungsraum erschließenden geophysikalischen Prospektionsergebnisse samt den Daten aus den Metalldetektor- und Keramik-Surveys sowie Rammkernsondierungen erbringen bedeutende Erkenntnisse zum Straßenraster, zu den Wasserwegen und Schiffsanlegeplätzen.
Die prospektierten Fluss- und Kanalabschnitte sowie die Kai- und Hafenanlagen werfen ein völlig neues Licht auf die Entwicklung des Handelsemporiums. Ging man bislang alleinig von einem im Osten der Stadt gelegenen Hafen aus (›Osthafen‹), so kann nun auf mindestens einen zweiten Flusshafen (›Westhafen‹) an dem nach Westen bis zur Lagune verlaufenden ›Canale Anfora‹ und ein dichtes Netz von Molen und Hallenbauten entlang aller schiffbaren Kanäle und Flüsse geschlossen werden. Wahrscheinlich ist, dass ein großer Teil des Warenverkehrs bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. über den ›Canale Anfora‹ abgewickelt wurde, zumal dieser die direkte Verbindung in das infralagunare Wasserwegenetz zwischen den oberitalischen Regionen X und VIII, Venetia und Aemilia, darstellte. Anhand der Funde aus den Surveys, Rammkernen sowie punktuellen älteren Grabungen ist von einer Datierung des neu entdeckten ›Westhafens‹ vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. auszugehen; ab dem mittleren 3. Jahrhundert setzte eine partielle Verlandung des Wasserwegs ein. Das Spektrum der Surveyfunde dokumentiert neuerlich die Funktion Aquileias als römisches Handelszentrum in einem bereits im römischen Imperium ›globalisierten‹ Wirtschaftsraum.
Ein Abschnitt des ›Canale Anfora‹ wurde in konstantinischer Zeit mit dem Stadion und der spätantiken Stadtmauer überbaut. Im Rahmen der urbanistischen Forschungen werden alle neu gewonnenen Prospektionsdaten zu den Monumenten des Ludus von Aquileia interpretiert, also sowohl des genannten Stadions als auch des Amphitheaters und Szenentheaters. An der Westflanke des Stadions bezeugen die geophysikalischen Messdaten, dass die dort errichtete Stadtmauer auf einem Abschnitt von 327 m Länge mit insgesamt 11 Türmen im Abstand von durchschnittlich 30 m befestigt war. Diese tetrachische Befestigung wies alternierend U-förmige und halbrunde Türme auf, im 5. bis frühen 6. Jahrhundert n. Chr. erfolgte zudem eine Verstärkung mit Pentagonaltürmen. Als jüngste Baumaßnahme ist, im Zuge der Reduzierung des Stadtgebiets, die Errichtung einer mächtigen Zickzackmauer zu sehen.