Das Kloster Deir el-Bachît/Pauloskloster (5. bis etwa Anfang 10. Jh. n. Chr.) auf dem Bergrücken von Dra’ Abu el-Naga am Westufer Thebens in Oberägypten umfasst von einzelnen Mönchen bewohnte, in ältere pharaonische Grabhöhlen eingebaute Eremitagen als Ursprung einer monastischen Besiedlung sowie mehrere Außenanlagen und eine zentrale, ummauerte Klosteranlage. Grabungen förderten sowohl die Innenausstattung der Klosterbauten als auch Texte zutage und ermöglichen einmalige Einblicke in das Alltagsleben und die sozialen Hierarchien.

Fragestellungen des Projekts seit 2017

Seit 2001 finden Grabungen in Deir el-Bachît mit verschiedenen Fragestellungen und Schwerpunkten statt. Seit 2017 stehen im Rahmen eines internationalen Kooperationsprojekts zwischen DAI und ÖAI vor allem Fragen nach den funktionalen, sozialen und religiös-kultischen Zusammenhängen zwischen den monastischen Einrichtungen in Dra’ Abu el-Naga, nach den Auslösern für die Wandlung und Verlagerung der monastischen Strukturen von Anachoreten-Behausungen hin zu einer koinobitischen Gemeinschaft und nach den Hierarchien in der monastischen Gemeinschaft im Mittelpunkt.

Laufende Untersuchungen und Methode

Die Flächengrabungen wurden in den Jahren 2017–2020 abgeschlossen, archäologische Feldarbeiten konzentrieren sich nunmehr auf bauchronologische Nachuntersuchungen zu den Aus- und Umbauphasen und die fortgesetzte Auswertung des umfangreichen Fundmaterials (mehr als 8.000 Fundobjekte) sowie der Texte (Papyri, Ostraka). Durch den guten Erhaltungszustand der Bauten und der Inneneinrichtung wie etwa den Sitzringen des Refektoriums, durch die Vielfalt der erhaltenen Kleinfunde und die große Menge an Texten auf Ostraka, Papyrus und Pergament lassen sich weitreichende Erkenntnisse zu den Sozialstrukturen am Kloster, den Hierarchien, dem Handel und Austausch von Waren oder dem Bildungsstand der Mönche (Kenntnis von Kryptografie, Bilingualität) gewinnen. Anhand der wechselseitigen Beziehungen des Klosters mit den anderen Klöstern sind die Einflüsse auf das Kloster und die Impulse, die von ihm ausgingen näher zu fassen und auszuwerten.

Religiös-kultische Beziehungen der Anlagen des Paulosklosters

In der Außenanlage XXVI, einer Eremitage, war bereits im Jahr 2014 eine christliche Kapelle mit einem darin befindlichen Münzhort in ›Grab A‹, dem Nukleus der Klosterentwicklung, entdeckt worden. Anhand von Graffiti und Inschriften konnten nun eine weitere Kirche in der Außenanlage XXVI und eine Kirche im Hauptkloster identifiziert werden. Die inschriftlich genannten Personen des Hauptklosters und der Anlage XXVI können alle dem Verband des Paulosklosters und darüber hinaus dem Elitezirkel der Klosterhierarchie zugerechnet werden und belegen die religiös-kultischen Beziehungen der Anlagen untereinander.

Hierarchien und Sozialstrukturen am Beispiel der Nekropole

Hierarchien und Sozialstrukturen lassen sich vor allem in der Nekropole mithilfe von Textiluntersuchungen und anthropologischen Untersuchungen erkennen. Die anthropologische Analyse der Individuen ermöglichte darüber hinaus auch Erkenntnisse über körperliche Belastungen, Gesundheit, Statur (Adipositas), Erbkrankheiten und Verwandtschaftsverhältnisse sowie das Sterbealter. Die regelmäßige Reihung der aneinander gebauten Gräber ermöglichte eine relativchronologische Datierung der Individuen und der Gewänder.

Fundobjekte und Textuntersuchungen

Die Untersuchungen der Ostraka, der Papyri, der Amphoren- und Wandinschriften führten zu einer Erweiterung der Abtliste, der Rekonstruktion von Karrierewegen einzelner Mönche und zur Bestimmung von Personen, die über Spezialkenntnisse und höhere Bildung (Kryptografie, Mehrsprachigkeit) verfügten. Zudem lässt sich anhand einer Bücherliste der Buchbestand des Klosters zumindest teilweise erfassen.

Da schriftliche Zeugnisse und materielle Artefakte aus den Grabungen von 2003 bis 2020 in großer Anzahl zur Verfügung stehen, können die Sozialstrukturen und die Sozialgeschichte der Klostergemeinschaft hervorragend rekonstruiert werden.

 

  • Thomas Beckh (Keramik/Umgebungssurvey)
  • Teresa Czok (Keramik/Glas/Grabkegel)
  • Tina Hobel (Klosternekropole)
  • Suzana Hodak (Ostraka)
  • Catherine H. Jones (pharaonische Funde)
  • Petra Mayrhofer (Architektur/Bauaufnahme)
  • Siegfried Richter (Papyri)
  • Matthias Schulz (Papyri)
  • Sabrina Tatz (Textilien)

Kooperationen

Daniel Polz [BB3] (DAI Kairo)

Laufzeit

März 2017 – März 2023

Finanzierung