Die Transformation der kaiserzeitlichen Metropole in eine spätantike Stadt und mittelalterliche Siedlung bildet seit 2011 einen Schwerpunkt der Forschungen in Ephesos. Großflächige Grabungen der letzten Jahre in einem Stadtquartier südlich der Marienkirche und am Domitiansplatz erlauben tiefgreifende Einblicke in die Entwicklung der Stadt von einem über viele Jahrhunderte politischen wie ökonomischen Zentrum bis zur Aufgabe urbaner Strukturen am Ende der Antike. Die Forschungen ermöglichen erstmals grundlegende Einblicke in die ›Dark Ages‹ von Ephesos und seiner materiellen Kultur.

Ephesos in der Spätantike

Gegen Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. etablierte sich Ephesos als überregionales politisches sowie ökonomisches Zentrum, und auch die erstarkte christliche Religion drückte der Stadt ihren Stempel auf. So wurden im Rahmen eines wohl zentralgesteuerten Bauprogramms repräsentative Bauten profaner und sakraler Natur in der Unterstadt von Ephesos errichtet. Sowohl in zeitlicher als auch räumlicher unmittelbarer Nähe entstanden großzügig angelegte Privatbauten, die in ihrer Grundrissgestaltung in Nachfolge der kaiserzeitlichen Hanghäuser standen. Gleichzeitig erfolgten Umgestaltungen von Platzanlagen, die teilweise verkleinert oder verbaut wurden.

Spätantik-mittelalterliches Stadtquartier

Im Zentrum des spätantiken Ephesos konnte in den Jahren 2011 bis 2018 südlich der Marienkirche ein Teil eines Stadtviertels (4./5.–14. Jh. n. Chr.) ausgegraben werden. Das ergrabene Areal umfasst etwa 2.000 m², und es lassen sich im Befund mehrere, voneinander unabhängige Komplexe feststellen. Hervorzuheben ist ein repräsentativer Wohnbau, der mit Schmuckböden, Wandmalereien und Marmorinkrustationen ausgestattet war. Daneben wurden Räume freigelegt, die hauswirtschaftlichen Aktivitäten vorbehalten waren. Die großen Dimensionen der Installationen in einzelnen Räumen legen nahe, dass hier landwirtschaftliche Produkte, etwa Trauben, Getreide und Oliven, weit über den Eigenbedarf hinaus verarbeitet wurden. Darüber hinaus ist es möglich, Beinwerkstätten zu rekonstruieren. Mehrere Tausend Münzen, Waagen und Gewichte lassen zudem auf Handelsaktivitäten schließen, die vor allem in straßenseitigen Tabernen abgewickelt wurden.

In der zweiten Hälfte des 7. Jhs. fand die Nutzung dieser Gebäude ein jähes Ende. Ein möglicherweise durch ein Erdbeben verursachtes Feuer führte zu einer umfassenden Zerstörung, wobei ein Großteil der Bauten danach wieder instand gesetzt wurde. Auffallend ist jedoch, dass man nicht mehr in der Lage oder auch nicht willens war, den gesamten Zerstörungsschutt zu entfernen: Teilweise wurden Räume mit Schutt aufgefüllt und abgemauert, teilweise findet sich der Schutt innerhalb der Räume einplaniert und es wurden neue Böden eingebracht. In einzelnen Bereichen wurde im Laufe der weiteren Nutzung mehrmals so verfahren, wodurch sich das Niveau im Inneren sukzessive erhöhte.

Erst ab dem 12. Jh. scheint man die spätantiken Strukturen vollkommen aufzugeben, punktuell wurden sie auch überbaut. Konnte bis zu dieser Zeit Wohnaktivität nachgewiesen werden, so scheint das Areal nun hauptsächlich für agrarische Zwecke genutzt worden zu sein. Hiervon zeugen noch vereinzelt erhaltene Speicherbauten. Die letzten Spuren menschlicher Aktivität lassen sich in das 14. Jh. datieren, wobei diesen keine baulichen Befunde mehr zuzuordnen sind. Wie Befunde andernorts im Stadtgebiet nahelegen, wird Ephesos zu diesem Zeitpunkt gänzlich verlassen.

Domitiansplatz

Die neuen Forschungen und Freilegungen am Domitiansplatz betreffen Fragen hinsichtlich der Veränderung des Platzes von seiner Errichtungszeit im späten 1. Jh. n. Chr. bis zu dessen Aufgabe in der Spätantike. Von besonderer Bedeutung ist die zu erwartende Verkleinerung bzw. die andernorts bereits beobachtete Verbauung freier Platzflächen ab dem 5. Jh. n. Chr. Geklärt werden soll auch ein Straßenverlauf, der vom Domitiansplatz an die Nordseite des Hanghauses 2 führt.

An beiden Grabungsplätzen lassen sich Transformationsprozesse urbaner Strukturen sowie die Inkorporation ruraler Siedlungselemente über einen langen Zeitraum beobachten. Die neuen Ergebnisse zur Siedlungsgeschichte von Ephesos sind paradigmatisch für andere Orte in Kleinasien. Die konzise Aufarbeitung der materiellen Hinterlassenschaften ermöglicht einen neuen Blick auf die späten Phasen der Stadt bis zur Etablierung eines neuen, dislozierten Zentrums – Ayasoluk, dem späteren Selçuk.

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Seit 2011

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