Mit den Potzneusiedler Gräbern ist die sogenannte norisch-pannonische Tracht in Nordwestpannonien erstmals im archäologischen Befund eindeutig nachzuweisen. Diese Körpergrabgruppe deutet auf einen starken autochthonen Charakter der Bestatteten hin. Kleinfundbasierte antiquarische Analysen und bioarchäologische Untersuchungen sollen helfen, die soziokulturelle Herkunft, die Stellung sowie die Verwandtschaftsverhältnisse der hier bestatteten Personen zu untersuchen.

Entdeckung der Körpergrabgruppe

Im Umfeld der Fundstelle bei Potzneusiedl (Burgenland) waren bereits ab den 1930er-Jahren wiederholt römische Funde bekannt geworden. Daher war die archäologische Untersuchung der Fläche durch das Bundesdenkmalamt (BDA) im Vorfeld eines Windradbaus kein überraschendes Vorgehen. Unverhofft traf man 2011 dabei jedoch auf den Ausschnitt eines römerzeitlichen Gräberfeldes: 48 Brandbestattungen und 27 Körpergräber konnten entdeckt werden, wobei die Körpergräber die bisher frühesten und am besten erhaltenen römerzeitlichen Körperbestattungen in Nordwestpannonien darstellen.

Die frühesten Körpergräber des nordwestpannonischen Raumes

Die Datierung der für den nordwestpannonischen Raum ungewöhnlichen Körperbestattungen kann als bisher singulär bezeichnet werden. Erste Gräber wurden bereits in tiberischer Zeit angelegt und fallen damit in eine Frühphase der Provinzgeschichte. Die Fundmaterialien deuten außerdem auf Kontakte in norddanubische Regionen und in südlichere Gebiete wie Oberitalien.

Die Beigaben der norisch-pannonischen Tracht

Durch die Potzneusiedler Gräber lässt sich die bisher fast ausschließlich durch Grabstelen überlieferte sogenannte norisch-pannonische Tracht erstmals im archäologischen Befund in großer Anzahl eindeutig fassen. In mindestens 11 von 27 Körpergräbern fanden sich Individuen, die mit Bestandteilen dieser Bekleidungssitte ausgestattet worden waren. Darunter befinden sich norisch-pannonische Flügelfibeln, Augen- und Scheibenfibeln sowie eine norisch-pannonische Gürtelgarnitur. Neben diesen Funden stellen auch sehr gut erhaltene Keramikbeigaben und Holzreste an Silberspiegeln eine Besonderheit dar.

Fragestellungen

Zusammen mit der unmittelbaren Lage im Hinterland Carnuntums werfen die frühe Datierung der Gräber, die Grabbeigaben und die Sitte der Körperbestattung zahlreiche Fragen auf: In welchen Zeitraum sind die Bestattungen genau einzuordnen? Sind verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Personen zu erfassen? Können Aussagen zum Gesundheitszustand sowie dem Sterbealter getroffen werden, die wiederum Rückschlüsse auf den sozialen Status der Bestatteten erlauben? Sind die Bestatteten möglicherweise einer bestimmten ›ethnischen Gruppe‹ (Germanen/Kelten) zuweisbar? Welche überregionalen Kontakte können anhand der Beigaben rekonstruiert werden?

Ein interdisziplinärer Forschungsansatz

Den genannten Fragen wird mithilfe kleinfundbasierter antiquarischer und bioarchäologischer Expertise im Zuge des Forschungsprojekts nachgegangen. Die antiquarische Analyse und die Befundauswertung erfolgen durch die Projektleiterin. Durch Einbindung anthropologischer Untersuchungen werden pathologische Degenerationen und das Sterbealter der Personen beleuchtet. aDNA-Analysen sollen helfen, unter anderem Verwandtschaftsverhältnisse und geschlechtsspezifische Fragen zu klären. Schließlich werden archäobotanische und archäozoologische Analysen Aussagen zu genutzten Pflanzen- und Tierarten gestatten. Mit diesem interdisziplinären Ansatz soll eine möglichst umfassende Rekonstruktion der antiken Lebenswelt dieser ›frühen Pannonier‹ möglich werden.

 

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Laufzeit

seit September 2019

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