Dieses Projekt konzentrierte sich auf die Entwicklung einer Methodik zur Untersuchung biologischer Mutterschaft durch Veränderungen am weiblichen Becken an menschlichen Überresten.

In diesem Projekt werden gesellschaftliche Reaktionen auf Schwangerschaft, Geburt und frühe Kinderbetreuung sowie der Zusammenhang zwischen reproduktivem und sozialem Status von Frauen in der Bronzezeit untersucht. Mutterschaft und Kinderbetreuung gelten oft als natürliche, normale und unvermeidliche Teile weiblicher Lebenswege, obwohl diese als Grundlage menschlicher Gesellschaften tatsächlich kulturelle Praktiken darstellen. Im Laufe der Bronzezeit (ca. 2200–800 v. Chr.) fanden langfristige gesellschaftliche Entwicklungen statt, wie etwa der Beginn sozialer Differenzierung und das Zusammenleben auf engerem Raum. In diesem Projekt wird untersucht, ob und wie sich die soziale Stellung von Frauen ändert, wenn sie Mütter werden. Der soziale Wert der Reproduktion sowie die kulturelle Konzeption von Mutterschaft werden als lokale und kulturell spezifische Erscheinung, aber auch als weitreichendes (prä-)historisches Phänomen bewertet werden.

Dieses Projekt ist das erste, das systematisch zwischen Frauen, die Mütter werden, und solchen, die keine Kinder haben, unterscheidet, und gezielt versucht, diesen wichtigen Identitätsmarker in Bezug zu Bestattungssitten und Grabausstattungen zu setzen. So wird untersucht, ob von allen Frauen erwartet wurde, Mutter zu werden, und die Möglichkeit alternativer Lebenswege hervorgehoben. Risiken und soziale Folgen des Übergangs zur Mutterschaft werden evaluiert. Die Studie erstreckt sich auf die Untersuchung von Kinderversorgungspraktiken (Ernährung, Pflege, Spiel, aber auch Missbrauch, Vernachlässigung und Tötung) sowie die Auswertung von Kinderbestattungen.

Innovative archäologische und anthropologische Methoden werden an vor kurzem publizierten Gräberfeldern aus Österreich angewendet. Die frühbronzezeitlichen Gräberfelder gehören drei verschiedenen Kulturgruppen mit unterschiedlichen Körperbestattungssitten an, der Aunjetitzer, Unterwölbinger und Wieselburger Gruppe. Mittel- und spätbronzezeitliche Gräberfelder beinhalten brandbestattete Individuen. 

Archäologische Methoden umfassen die Analyse der räumlichen Verteilung der Gräber von Säuglingen, Schwangeren, Doppelbestattungen von Frauen und Kindern sowie Bestattungen von kinderlosen Frauen und Müttern, die Interpretation der symbolischen Dimension von Grabbeigaben und die Auswertung von Statusunterschieden, die durch Grabbrauch sowie Qualität und Quantität der Grabbeigaben ausgedrückt werden. Zu den anthropologischen Methoden zählen die paläo-pathologische Neubewertung von Frauen- und Kleinkinderskeletten, Isotopenanalysen zur Bewertung der Säuglingsernährung sowie DNA-Untersuchungen zur Klärung verwandtschaftlicher Verhältnisse und zur Geschlechtsbestimmung von Kleinkindern.

Die Anwendung neuester naturwissenschaftlicher Methoden kombiniert mit innovativen archäologischen Interpretationen macht es möglich, zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen Stellung zu nehmen. In einer Zeit, in der politische Diskurse über Mütter in Gesellschaft und Arbeitswelt von Aussagen angeheizt werden, die auf angeblich ›Natürliches‹ und  ›Uraltes‹ Bezug nehmen, ist es besonders wichtig, Mutterschaft in prähistorischen Gesellschaften neu zu analysieren.

 

 

Finanzierung

FWF [Projekt P 26820]

Laufzeit

01/2015–12/2017