Die Metropolis Asiae und ihr Umland archivieren eine außergewöhnlich lange Besiedlungsgeschichte, die bereits mit dem frühen keramischen Neolithikum beginnt. Die bioarchäologische Forschung verspricht wichtige Erkenntnisse, um den Wandel in der Nutzung natürlicher Ressourcen über die Jahrtausende besser zu rekonstruieren.

Jede Siedlung steht in unmittelbarer Wechselwirkung zu ihrer Umgebung, verwandelt Naturlandschaft in Kulturlandschaft. Wälder werden gerodet, Hänge terrassiert, sumpfige Ebenen trockengelegt, um Acker- und Weideland zu gewinnen. Natürliche Ressourcen wie Wasser, Kultur- und Wildpflanzen, Holz, Wild- und Nutztiere, Metall und Stein werden erschlossen. Rohstoffe werden verarbeitet, Nahrungsmittel zubereitet. Die im Folgenden angeführten Forschungsprojekte nutzen biogene Materialien, um zu der Rekonstruktion solcher Nutzungsweisen im Siedlungsraum Ephesos beizutragen. Sie widmen sich so unterschiedlichen Themen wie Landwirtschaft, Ernährungsgesundheit und Kulinarik, Handel und Verteilungsstrukturen, sozialer Stratifizierung, ebenso Holzwirtschaft und Bauwesen.

Wirtschaftsweisen, Subsistenz und ökologisch-umweltgeschichtliche Veränderungen

Die Ausgrabungen in Ephesos bieten die Chance, diachrone Entwicklungen in der Ernährung, der Tier- und Pflanzennutzung und der ökologischen Bedingungen im näheren Umland von Ephesos zu erforschen und sie in ihre archäologischen und – wo möglich – auch historischen Kontexte eingebettet zu betrachten. Über längere Zeiträume beobachtet, lassen sich beispielsweise deutliche Veränderungen in der Haustierhaltung erkennen. Während in der Urgeschichte Schafe und Ziegen wichtige Haustiere waren, konnten Hausschweine nicht in großen Mengen nachgewiesen werden. In der Kaiserzeit hingegen waren Schweine begehrter, und vor allem das Fleisch der Milchferkel war von kulinarischer Bedeutung. War in der Urgeschichte der spätere Siedlungsraum noch Meeresbereich mit dementsprechendem Fischfang, verlandete der ursprüngliche Meeresbusen später mehr und mehr, weshalb sich in den römischen Kontexten aus dem Hanghaus 2 überwiegend Süßwasserfische aus dem Kleinen Mäander und umgebenden Gewässern finden. Indes zeichnet sich im botanischen Fundspektrum in der Frühzeit überwiegend Gerste ab – im Gegensatz zu der später wichtigen Rolle des Hartweizens in der Antike. Obstgehölze wie Feige und Wein finden sich hingegen fast durchgängig in den Fundensembles.

Holznutzung in Spätantike und frühbyzantinischer Zeit

Die großflächigen Brandzerstörungen des 7. Jahrhunderts n. Chr. haben im spätantik-mittelalterlichen Stadtquartier südlich der Marienkirche große Mengen Holz in verkohltem Zustand erhalten. Das Projekt hat zum Ziel, dieses fast unüberschaubar große Fundensemble zu entwirren und ein Gesamtbild des ehemaligen hölzernen Inventars zu entwerfen. Bislang wurden über 6.000 Holzkohlenstückchen ausgewertet. Durch Auswertung von Fundlage und -kontext konnten bereits die wichtigsten Konstruktionshölzer – laubwerfende Eichen sowie Kiefer und Tanne – angesprochen werden. Der Fund eines außergewöhnlich gut erhaltenen, beschnitzten Möbelensembles aus Nuss- und Eibenholz stellt den vorläufigen Höhepunkt der noch andauernden Untersuchungen dar und wirft außerdem Fragen zum Holzhandel mit der Schwarzmeerregion auf.

Antike Ernährung: Isotopenanalysen an Mensch und Tier

Im Ephesos werden umfangreiche Analysen an stabilen Isotopen sowohl im Rahmen der Nekropolenforschungen als auch der Archäozoologie durchgeführt, um die Ernährungsgewohnheiten der ephesischen Bevölkerung mittels eines komplementären Ansatzes rekonstruieren zu können: Repräsentative Stichproben wurden von Menschenknochen aus Gräbern der archaischen Periode bis in das späte Mittelalter genommen, und ebenso von Tierknochen. Aus diesen Proben werden aktuell in einem Kooperationsprojekt mit M. Richards und M. Wong (Simon Fraser University, Kanada) sowie J. Montgomery (Durham University, UK) Proteine extrahiert, um in weiterer Folge die Anteilsverhältnisse der stabilen Kohlenstoff-, Stickstoff- und Schwefelisotopen zu bestimmen. Anhand der resultierenden Isotopenmuster sollen einzelne Bestandteile der Ernährung – etwa pflanzliche gegenüber tierischen Lebensmitteln oder Landtiere gegenüber Meerestieren – aufgeschlüsselt werden, um ein möglichst vollständiges Verständnis der Nahrungsversorgung der ephesischen Bevölkerung zu gewinnen.