Die Auswertung des Gräberfeldes Franzhausen-Kokoron mit 403 Brandgräbern mit rund 1.600 Einzelobjekten befasst sich mit allen wesentlichen Fragen zum Bestattungsbrauch, zur Materialanalyse und Population der jüngeren Urnenfelderkultur.

Die ersten Brandgräber in der Flur Franzhausen-Kokoron (Marktgemeinde Nußdorf ob der Traisen, politischer Bezirk St. Pölten, NÖ) wurden im Jahre 1981 während des Baus der Kremser Schnellstraße S 33 angeschnitten. Durch sofort eingeleitete Rettungsgrabungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes unter der Leitung von J.-W. Neugebauer konnte im Laufe von mehreren Jahren nahezu das gesamte Gräberfeldareal erfasst werden. Zuletzt kamen 1991 noch 17 Brandgräber des in dieser Zone nun weitgehend ergrabenen Areals der Flur Kokoron zutage.

Insgesamt wurden auf einer ca. 12.000 m² großen Fläche 403 Bestattungen der jüngeren Urnenfelderzeit ausgegraben. Berücksichtigt man die Verluste, die durch Bauarbeiten und Ackertätigkeit an den sehr seicht liegenden Beisetzungen entstanden, kann man einen ca. 500 Bestattungen zählenden Friedhof annehmen.
Die Brandgräber von Franzhausen-Kokoron lassen sich in eine ältere Ost- und eine jüngere Westgruppe gliedern, wobei die Belegung am Ende der älteren Phase der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur beginnt und bis zum Übergang zur Hallstattkultur andauert. Der ältere Friedhofsteil ist im Gegensatz zum jüngeren locker angeordnet.

Die Urnengräber waren mehr oder minder in den Schotter eingetieft. Es handelte sich in der Regel um runde oder quadratische Gruben von 0,4–1,0 m Durchmesser beziehungsweise Kantenlänge. Vereinzelt konnten, vor allem im älteren Teil, quadratische ›Grabgärten‹ nachgewiesen werden. Im jüngeren Westteil war lediglich in einem Fall ein kleiner quadratischer Graben vorhanden. Eigenartig waren im Bereich der älteren Gräber eingetiefte Deponien ausgeglühter Steine ohne Leichenbrandspuren. An einer Stelle inmitten des jüngeren Friedhofteils wurde unter dem Humus auf einer unregelmäßig ovalen Fläche von 3,0 × 2,5 m eine aschige, holzkohlehältige Schicht angeschnitten. Es handelt sich vermutlich um die Reste eines zentralen Verbrennungsplatzes.

Bei den lediglich durch den rezenten Ackerbau gestörten, sonst aber unberaubten Bestattungen ist der Reichtum an gut datierbaren Bronzen auffallend groß. Allein 32 Messer belegen das eindrucksvoll. Die Bronzeobjekte sind teilweise intakt oder feuerdeformiert, und es gibt eine große Vielfalt an Schmucknadeln (z. B. Vasenkopfnadeln), Fibeln (z. B. Harfenfibeln, einteiligen Drahtbügelfibeln, Brillenfibeln), Hals- und Armreifen, Rasiermessern (z. B. halbmondförmige Rasiermesser mit Ringgriff) und Messern (z. B. Griffdornmesser der Typen Wien-Leopoldsberg und Baumgarten, Vollgriffmesser). Besonders hervorzuheben sind ein goldener Lockenring sowie eine Bronzetasse vom Typ Jenišovice-Kirkendrup und eine einfache, kalottenförmige Bronzeschale mit feiner Ritzverzierung, ebenso Randbeschläge von Holzgefäßen. Neben diesen Bronzen fanden sich auch bereits vereinzelt Eisenmesser als Grabbeigabe. Insgesamt konnten 529 Metallobjekte dokumentiert werden.

Die in den Gräbern zahlreich vorhandenen Keramikgefäße enthielten den Leichenbrand des/der Verstorbenen und die Speisebeigaben für das Jenseits. Speisebeigaben sind in Form von unverbrannten, in seltenen Fällen verbrannten Tierknochen erhalten.

Open Access

Die Dokumentation der 403 Brandgräber mit rund 1.600 Einzelobjekten umfasst einen Katalog mit Abbildungen (Übersichtsplan, Fotos und Zeichnungen von Fundstücken und Befunden), der als digitale, interaktive Open Access-Publikation über den Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zugänglich ist.
2016 wurde in Zusammenarbeit mit dem ÖAW-Verlag eine Aktualisierung und Ergänzung der Daten (Material- und Befundtafeln, Typentafeln, anthropologische Daten) und ein Relaunch der grafischen Benutzeroberfläche durchgeführt (http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2/).

 

 

Projektleitung

Wissenschaftliche Bearbeitung

    • Silvia Renhart (Anthropologie)
    • Günther Karl Kunst (Archäozoologie)

    Laufzeit

    seit 2008