Seit Jahrtausenden prägt der Mensch in immer größerem Ausmaß die Landschaft in und um die Alpen und hinterlässt deutliche Spuren seiner Aktivitäten. Durch die Analyse natürlicher und anthropogener Pollenarchive versuchen wir die vergangene Vegetation zu rekonstruieren, um Rückschlüsse auf menschliche Aktivitäten wie landwirtschaftliche Praktiken, Waldnutzung und Feuergeschichte zu ziehen.

Der Großraum Alpen erstreckt sich geografisch von 4°–19° E bis 43°–49° N und ist sowohl aus vegetationskundlicher als auch aus kultureller Sicht ein außerordentlich vielfältiges Gebiet, in dem Mensch und Klima seit Jahrtausenden gemeinsam die Vegetation und Landschaft gestalten. Während der letzten 6.000 Jahre wurde der menschliche Faktor in diesem Prozess immer wichtiger, da sich die menschliche Siedlungstätigkeit intensivierte und die Region eine Vielzahl von Kulturen beheimatete. Deren spezifische Subsistenzstrategien brachten Innovationen hervor, die die Vegetation auf jeweils spezifische Weise beeinflussten.

In diesem Zusammenhang ist es unser Ziel, Pollenarchive als Datenquelle zu verwenden, um frühere Vegetationen und Landschaften zu rekonstruieren, in denen sich verschiedene Kulturgruppen im Großraum Alpen behaupten mussten. Die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt in der Vergangenheit soll in diesem Forschungsvorhaben durch das Sammeln von Hinweisen auf menschliche Aktivitäten wie Ackerbau, Transhumanz sowie Waldnutzung und -rodung näher beleuchtet werden. Dieses Verständnis ist direkt mit unserer Gegenwart verknüpft, zumal die Kulturlandschaften, die wir heute erleben, ein Ergebnis ebendieser jahrtausendelangen Mensch-Umwelt-Interaktionen sind. Eines der besten Beispiele mögen die zahlreichen UNESCO-Weltkulturerbestätten in der Region sein.

Mooswinkel am Mondsee: Vegetationsgeschichte und menschlicher Einfluss

Mooswinkel, am Nordostufer des Mondsees gelegen, ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes »Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen«. Es handelt sich um eine relativ kleine Siedlung, deren Siedlungsphasen in die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. zurückreichen. Mooswinkel zeichnet sich durch einen außergewöhnlichen Erhaltungszustand aus und ist nach Scharfling und See bereits die dritte entdeckte Pfahlbausiedlung am Mondsee.

Mithilfe der Analyse des Pollengehalts von Sedimentkernen, die aus der Pfahlbausiedlung entnommen wurden, soll die Vegetation, die in der Nähe der Siedlung wuchs, rekonstruiert und so die Art und Weise des menschlichen Einflusses auf die Umwelt aufgezeigt werden, einschließlich landwirtschaftlicher Praktiken, der Nutzung von Feuer und Waldrodung. Diese Informationen werden mit den Ergebnissen archäobotanischer Analysen kombiniert und in die Daten anderer Disziplinen integriert, um ein umfassendes Bild der Umwelt und des Lebens zur Zeit der Siedlung zu erhalten.

PalaeoNoricum: Vegetationsgeschichte der historischen Region

Die südlich des Alpenhauptkamms gelegenen Teile der ehemaligen römischen Provinz Noricum (heute: Osttirol, Kärnten, Steiermark, Nordslowenien) bildeten durch ihre Öffnung zu Italien, zur Balkanhalbinsel und zum Pannonischen Becken ein wichtiges Übergangsgebiet für die kulturellen und wirtschaftlichen Impulse aus dem Imperium romanum. Erstaunlicherweise ist für dieses Gebiet, die spätantike Provinz Noricum mediterraneum, bislang nur wenig über die konkreten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt bekannt, nur verhältnismäßig wenige vegetationsgeschichtliche Arbeiten nach modernen Standards liegen vor. Wir wollen damit beginnen, die vorhandenen Lücken zu schließen, indem wir natürliche Archive identifizieren, die sich für Paläoumweltstudien eignen, und daraus erste umfassendere Rekonstruktionen der Paläovegetation erstellen. Ziel des Projekts ist es, den naturräumlichen Rahmen für die diachrone (d. h. historische wie auch prähistorische) Siedlungsforschung der Region aufzuspannen, um Landnutzungsmuster und deren Veränderungen nachzuzeichnen.