Die Case a Giardino in Ostia – Archäologischer Kontext und virtuelle Archäologie in einem ausgedehnten römischen Wohnbaukomplex

Die große Wohnanlage der ›case a Giardino‹ in Ostia, der ehemaligen Hafenstadt von Rom, stellt nicht nur ein bedeutendes Beispiel für die Bautätigkeit von Kaiser Hadrian, sondern für die römische Wohnbauarchitektur generell dar. Die zahlreichen Wohneinheiten des Komplexes entstammen einem einheitlichen planerischen Entwurf und gruppieren sich um einen offenen Innenhof, dessen Zentrum durch eine Reihe von außerordentlich luxuriösen Appartements von gleicher Größe und von gleichem Grundriss (den sogenannten Medianum-Appartements) gebildet wird. Obwohl der Komplex bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts freigelegt und in verschiedenen Studien zum römischen Wohnbau interpretiert wurde, sind eine systematische archäologische Dokumentation und eine zusammenfassende Untersuchung zur dekorativen Ausstattung (z. B. zu den Wandmalereien) als gesicherte Grundlagen für alle weiteren Betrachtungen noch ausständig.

Ziel des Projekts ist ein neuer wissenschaftlicher Zugang, bei dem die Anlage durch die Kombination von traditioneller archäologischer Analyse und digitalen 3D-Dokumentationsverfahren untersucht und mittels virtueller Rekonstruktion erschlossen wird. Die Studien konzentrieren sich sowohl auf die Architektur und räumliche Gestaltung als auch auf die bildliche Ausstattung, Fußböden und Graffiti. Alle Phasen der ›case a Giardino‹ von der Planung, Errichtung und Nutzung ab dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. bis zur Zerstörung im 4. Jahrhundert n. Chr. sollen bei der Untersuchung berücksichtigt werden. Neue Erkenntnisse dürfen für die städtebauliche Entwicklung von Ostia und für architekturgeschichtliche, bautechnische und durch die Ausstattungsprogramme besonders für kunsthistorische und soziologische Fragestellungen sowie durch die virtuelle Rekonstruktion eines ›idealen‹ Medianum-Wohnblocks für die römische Wohn- und Alltagskultur allgemein erwartet werden.

Während die archäologische Feldarbeit, beispielsweise bei der Aufnahme der Wandmalerei oder der Graffiti mit der genauen Beschreibung und mit der Bewertung der architektonischen Rahmenbedingungen, mit herkömmlicher Methode erfolgt, werden die neuen Technologien vor allem für die präzise 3D-Dokumentation, Vermessung und fotogrammetrischen bzw. geophysikalischen Aufnahmeverfahren genutzt. Zum Einsatz kommen etwa 3D-Laser, Drohnen, Georadar und verschiedene Softwareanwendungen beim Postprocessing, die nicht die herkömmlichen archäologischen Dokumentationsmethoden ersetzen, aber sie unterstützen und beschleunigen sowie die Möglichkeiten der Analyse und Ergebnisdarstellung verbessern werden.

Die Studien werden durch ein internationales Teamvor Ort in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Historischen Institut (ÖHI) in Rom organisiert und in enger Kooperation mit dem Parco Archeologico di Ostia Antica, der Sapienza Universität in Rom, dem DAI Rom und der Universität für angewandte Kunst Wien realisiert.