Am Beginn der Früheisenzeit fallen einige Veränderungen in der materiellen Kultur Griechenlands auf. Besonders das massive Auftreten von Brand- und einzelnen Körperbestattungen war bislang das Hauptargument für zahlreiche historische Rekonstruktionen der frühen griechischen Geschichte, selten wurde diese Phase aber aus einem kulturanthropologischen Blickwinkel betrachtet. 

Einige Veränderungen in der griechischen Kultur, die in das 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. datieren, werden traditionell als Beweis für die Einwanderung eines nördlichen Volkes nach Griechenland gewertet. Diese Veränderungen sind insbesondere in den Bestattungssitten Südgriechenlands abzulesen, so in dem Übergang von Mehrfachbestattungen in Kammergräbern zu Einzelbestattungen in Kistengräbern und bald danach in der massiven Zunahme der Brandbestattungen. Oft wurde in diesem Wandel die legendäre ›Dorische Wanderung‹ erkannt, über die einige Historiker klassischer Zeit berichteten. Aus diesen Erzählungen wurden bald historische Tatsachen abgeleitet, die den Ausgangspunkt für weitere geschichtliche Interpretationen in Griechenland und auf dem Balkan bildeten.

Die Fokusregion

Projektziel ist nicht länger, in der griechischen und balkanischen Ur- und Frühgeschichte nach den Doriern zu suchen, sondern archäologische Daten neu zu analysieren, die den oben beschriebenen Veränderungen in einer zeitgemäßen Interpretation auf den Grund gehen. Die interessierende Region umfasst Serbien, Kosovo, E.J.R. Mazedonien und Nordgriechenland (Makedonien, Chalkidike, Thessalien). In der Vergangenheit waren die wissenschaftliche Debatte und der akademische Austausch aus politischen Gründen schwierig, nun ist aber der Zeitpunkt gekommen, die nationalen und ideologischen Grenzen zu überwinden und einen überregionalen wissenschaftlichen Diskurs zu starten.

Die Methode

In dem Projekt werden neue archäologische Daten aus rezenten Ausgrabungen analysiert und vorgelegt. Neu vorgelegte Funde und Befunde aus der Nordägäis und dem geografischen ›Hinterland‹, vor allem dem Zentralbalkanraum, ermöglichen vergleichende Studien. Moderne wissenschaftliche Methoden werden für die Definition des biologischen Geschlechts sowie der Familien und anderer Verwandtschaftsbeziehungen der Individuen aus ausgewählten Nekropolen herangezogen. Strontiumisotopenanalysen helfen, Informationen über Mobilität und Exogamie oder Migration von Menschen(-Gruppen) zu generieren. Radiokarbonuntersuchungen, statistische und weitere historische Analysen der Bestattungssitten, einzelner Funde und ihrer Kontexte erlauben die Rekonstruktion der sozialen Organisation lokaler Gemeinden. Mithilfe der Bleiisotopenanalysen bronzener Beigaben werden zudem die Erzaustauschnetzwerke und ökonomische Beziehungen beleuchtet. 

Das Ziel

Die Untersuchung fokussiert auf die soziokulturellen Aspekte jeder Nekropole und ihrer Mikroregionen, die als Fallstudien dienen. Auf diese Weise soll sie eine neue Erzählung der interregionalen Wechselwirkung auf dem Feld der Ideologie und des Rituals ermöglichen. Letztlich wird mithilfe neuer archäologischer Daten und moderner bioarchäologischer Analysen eine aktualisierte Rekonstruktion der regionalen sozialen Verhältnisse in Griechenland und auf dem Balkan angestrebt.

 

Projektleitung

Kooperationen

Laufzeit

seit Dezember 2017

Finanzierung

FWF-Projekt P 30475