Das Schwerpunktprojekt zur Legio II Italica, das sich in drei Detailstudien gliedert, erforscht die militärische Infrastruktur der drei Legionsstandorte in Ločica sowie Albing und Enns und darüber hinaus in Enns/Lauriacum die Siedlungsräume ›extra muros‹ und die materielle Kultur des Trosses.

Die Militärlager der Legio II Italica (Ločica – Albing – Enns)

Die Funktion der Bernsteinstraße als ›via militaris‹ bildet den Ausgangspunkt für ein überregionales Projekt zu der im Zuge der Markomannenkriege ausgehobenen Legio II Italica. Als Gegenreaktion auf die feindlichen Übergriffe auf italischem Boden 169 n. Chr. erfolgten die Rekrutierung der Legion und die Einrichtung der ›praetentura Italiae et Alpium‹. Mit der Schaffung dieses Militärdistrikts wurde die Möglichkeit eingeräumt, die Legio II zügig und ereignisbedingt im Bereich von Ločica (Slowenien) an der Bernsteinstraße zu stationieren. Der Zeitpunkt der Dislokation dieser Legion nach den Markomannenkriegen an den Donaulimes wird diskutiert, ebenso wie die chronologische Abfolge der beiden in geringem Abstand von 5 km diesseits und jenseits des Flusses Enns errichteten Lager von Albing (Niederösterreich) und Enns/Lauriacum (Oberösterreich). 

Die drei Lager der Legio II Italica in Ločica, Albing und Enns wurden durch das ÖAI mit Georadar und Magnetik flächig untersucht. Zudem wurde für das Legionslager in Enns unter Einbeziehung aller zugängigen Grabungsdokumentationen ein aktualisierter Gesamtplan generiert.

Der Standort der Legio II Italica in Enns/Lauriacum

Im Rahmen der Forschungen zur Geschichte der Legio II Italica werden die Siedlungsräume ›extra muros‹ von Enns/Lauriacum geophysikalisch prospektiert und archäologisch interpretiert. Anhand der unterschiedlichen Baustrukturen sind fünf Siedlungszonen zu differenzieren. In den Zonen 1–2 erstrecken sich westlich und südlich des Legionslagers Gebäude mit differenzierten Grundrisslösungen, die meistens über Höfe und Korridore sowie vereinzelt über eigene Badeanlagen verfügen. Zone 3 im äußersten Westen und Südwesten sowie nördlich des Lagers ist durch sehr reduzierte kleinflächige Bauformen charakterisiert und Zone 4, 250 m nordöstlich des Militärlagers, durch Grubenhütten und Werkareale. An diese schließt eine ausgedehnte Industriezone nordöstlich des Lagers an (Zone 5).

Die Consistentes ad legionem von Enns/Lauriacum

Archäologisch-historische, aber auch sozioarchäologische Gesichtspunkte stehen im Mittelpunkt der Forschungen zu den Canabae West des Legionslagers von Lauriacum. Rund 700 freigelegte Befunde sind Teil des peripheren Siedlungsareals der ›consistentes ad legionem‹, in einer Distanz von rund 430 m nordwestlich des Legionslagers Lauriacum gelegen. Die bislang ausgewerteten Artefakte indizieren eine chronologische Zeitstellung beginnend vor 180 n. Chr. und endend im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts. Das Spektrum der archäologischen Funde beinhaltet Objekte hervorragender Qualität, die sowohl auf die wirtschaftliche Organisation als auch auf das Alltagsleben der Consistentes ein völlig neues Licht werfen. 

Sozialgeschichtliche Aspekte werden auf Basis jener Artefakte diskutiert, die Zeugnis ablegen von der Militarisierung der Gesellschaft, Akkulturation durch Alphabetisierung sowie dem neuen Rollenbild der Frau in Nordwestnorikum nach der Stationierung der italischen Legion. Fragen zu den Funktionszusammenhängen antiker Wirtschaft können sowohl überregional anhand der beträchtlichen Zahl von Importgütern analysiert werden als auch lokal anhand der Interaktion unterschiedlicher Produktionseinheiten vor Ort, insbesondere der Keramikherstellung.