Dieses Projekt erforscht die Wurzeln der »Wiener Numismatischen Schule«. Es rekonstruiert im Rahmen der internationalen Forschungsinitiative »Fontes Inediti Numismaticae Antiquae« (FINA) die Netzwerke der wichtigsten österreichischen Vorgänger Eckhels: des Universalgelehrten Erasmus Frölich und des Historikers und Theologen Joseph Khell. Das Studium der Korrespondenz der beiden Jesuiten ermöglicht es, die Anfänge der wissenschaftlichen Numismatik in Österreich besser zu verstehen.

Dieses Projekt ist eine essenzielle Erweiterung des Projekts zu Leben und Werk des sogenannten Vaters der antiken Numismatik: »Joseph Eckhel (1737–1798) und sein numismatisches Netzwerk«. Es erforscht die Wurzeln der Wiener Schule der Numismatik und somit die Basis, auf der Eckhel aufbaute. Hauptsächliches Projektziel ist die Rekonstruktion der Korrespondenznetzwerke der wichtigsten Vorgänger Eckhels, der Jesuiten Erasmus Frölich (1700–1758) und Joseph Khell von Khellburg (1714–1772), sowie die Erstellung einer kommentierten Edition ihrer Briefe.

Die Briefe im Kunsthistorischen Museum Wien

Im Archiv des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums Wien wird ein Kodex (Inv. 2) aufbewahrt, der insgesamt 119 Briefe enthält, die von 33 Korrepondenten an Eckhels Vorgänger gesandt wurden: 34 Briefe an Frölich, einen Universalgelehrten, der unter anderem bahnbrechende Studien zu hellenistischen Königsprägungen vorlegte, und 85 Briefe an Khell, Frölichs Nachfolger und Lehrer Joseph Eckhels, der dessen Verständnis für Münzen als historische Quellen maßgeblich formte. Diese Briefsammlung stellt eine Auswahl der passiven Korrespondenz der beiden Gelehrten dar, die nach Khells Tod angesichts ihrer wissenschaftlichen Bedeutung an Eckhel übergeben wurde; dieser setzte den Briefwechsel mit einigen Korrespondenten Khells fort. Angesichts dieser Kontinuität kann man vielleicht von einem einzigen großen Netzwerk der »Wiener Numismatischen Schule« in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sprechen. Die Briefe enthalten nicht nur fachnumismatische Informationen, sondern bieten auch spannende Einblicke in die Geschichte der Zeit.

Dokumente in anderen Archiven

Angesichts der zuvor erwähnten Selektion bei der Zusammenstellung des Codex im Wiener Münzkabinett spiegeln die darin enthaltenen Briefe die ursprüngliche Ausdehnung der Netzwerke der beiden Gelehrten nicht adäquat wider. Nach intensiver Recherche in verschiedensten Archiven in Österreich und anderen Ländern in den vergangenen Jahren konnten insgesamt 293 Briefe aus der Korrespondenz von Frölich und Khell dokumentiert werden, die die beiden mit 52 Korrespondenten austauschten.

Allgemeine Informationen

Die beiden Gelehrten pflegten eine weit gespannte internationale Korrespondenz, die sich in einem Fall sogar bis China erstreckte; Korrespondenzsprachen sind Latein, Französisch, Italienisch und Deutsch. Interessanterweise gibt es zwischen den Netzwerken der beiden kaum Überlappungen: Frölichs Netzwerk ist durch 52 Briefe mit 23 Korrespondenten bekannt, das größere Netzwerk Khells aus 241 Briefen, die er mit 29 Wissenschaftern austauschte. Für die meisten Korrespondenten Frölichs kennen wir nur ein oder zwei Schreiben, wogegen die Struktur der Korrespondenz Khells eine andere ist: sie umfasst mehrere recht große Gruppen von Briefen einzelner Korrespondenten, die es uns ermöglichen, seinen Austausch mit einigen Gelehrten über Jahre hinweg zu verfolgen.

Erasmus Frölich (1700–1758)

Der Briefwechsel Frölichs führt die äußerst vielseitigen Interessen dieser faszinierenden Gelehrtenpersönlichkeit vor Augen. Die Schreiben berühren neben der Numismatik auch eine große Zahl anderer Wissensgebiete, etwa Genealogie, Geschichte und auch Astronomie: So schrieb ihm Joseph Franz (1704–1776), der Gründer der Wiener Sternwarte, einen Brief, in dem wir einen wichtigen Bericht über die Sichtung des Kometen C/1743 C1 lesen.

Joseph Khell (1714–1772)

Khells Briefwechsel dreht sich im Gegensatz zu jenem Frölichs fast ausschließlich um altertumskundliche und numismatische Themen. Unter seinen Briefpartnern finden wir große Namen der Altertumswissenschaft wie etwa den Vater der Klassischen Archäologie, Johann Joachim Winckelmann (1717‒1768), oder den Kunstsammler und Experten für antike geschnittene Steine, Philipp von Stosch (1691‒1757), außerdem den italienischen Staatsmann Bernardo Tanucci (1698‒1783), der eine Schlüsselfigur im Königreich der beiden Sizilien war, vor allem aber den großen französischen Münzsammler und Numismatiker Joseph Pellerin (1684‒1783) sowie Julius Carl Schlaeger (1706‒1786), Kurator der Münzsammlung in Gotha.

Print- und Online-Editionen

Alle Briefe der beiden Korrespondenzen wurden transkribiert, und ein historischer wie auch numismatischer Kommentar zu ihnen befindet sich in Bearbeitung. Eine Hybridedition der Briefwechsel ist in Vorbereitung: sowohl als gedruckte Bücher als auch online, wobei die Onlineversion eine flexible Verlinkung von Dokumententext und Kommentarinformationen gestattet. Aus diesem Grund wurde die Transkription der Briefe in TEI-XML durchgeführt. Durch Kooperation mit anderen digitalen Projekten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, etwa APIS (Austrian Prosopographical Information System), konnte bereits existierende technische Infrastruktur zur Kuratierung der Daten des Projekts verwendet werden. Alle Briefe (und Dokumentenanhänge) sind in der Projektdatenbank verzeichnet, die in Zusammenarbeit mit dem Austrian Center for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) der ÖAW erstellt wurde.

 

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    seit Februar 2017

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