Die Rekonstruktion von Landschaft und Umwelt in Raum und Zeit ist unerlässlich für das Verständnis von Siedlungskammern, nicht zuletzt aufgrund der massiven, teils natürlich begründeten, teils durch den Menschen verstärkten Veränderungen ökologischer Systeme. Die hier angesiedelten interdisziplinären Projekte bedienen sich zahlreicher Methoden und Analyseverfahren und kombinieren Archäologie und Geowissenschaften.

Bewirtschaftung und Ressourcenentnahme hinterlassen Spuren in der Umgebung menschlicher Siedlungen, etwa durch verstärkte Erosion offen gehaltener Flächen und durch Eintrag organischer und anorganischer Schadstoffe. Im Gegenzug stellt auch die Landschaft als dynamisches System Herausforderungen an die Menschen: Erosion und Verlandung, Wüstenbildung oder Gewässerspiegelschwankungen können den Fortbestand von Siedlungen gefährden. Aus Geoarchiven erstellte geoarchäologische und vegetationsgeschichtliche Modelle machen natürliche wie auch anthropogene Veränderungen von Siedlungsräumen fassbar.

Der ursprünglich die gesamte Ebene des unteren Kaystros-Tals einnehmende Golf von Ephesos verlandete sukzessive seit dem Chalkolithikum, also dem 4. Jahrtausend v. Chr., durch die Sedimentation des Küçük Menderes und seiner Nebenflüsse. Dieser Prozess wurde durch anthropogenen Einfluss ab hellenistischer Zeit massiv beschleunigt, was wohl mit einer Intensivierung der Landwirtschaft und der Abholzung der Berge im Hinterland einherging. Heute haben sich von der ehemaligen Meeresbucht nur noch kleine Restseen an der Nordflanke des Tals erhalten.

Eine funktionierende Meeresanbindung war die grundlegende Voraussetzung für die Gründung von Siedlungen im Großraum von Ephesos. Die Küstenveränderungen zogen folglich auch eine Verlagerung der Siedlungsplätze und die Anlage neuer Häfen nach sich. Die Küstengeografie hellenistischer Zeit war sogar das bestimmende Element bei der Neugründung von Ephesos unter König Lysimachos, und während der römischen Kaiserzeit boten die verlandeten Flächen einerseits neuen Baugrund und landwirtschaftliche Areale, andererseits musste die Stadt künstlich mit dem Meer verbunden werden.

Die Vielfalt der Quellen erfordert auch eine interdisziplinäre methodische Herangehensweise, die Natur- und Geisteswissenschaft miteinander verknüpft. Die Informationen stammen einerseits aus historischen wie aktuellen Karten, aus Luft- und Satellitenbildern, Grabungsbefunden und geophysikalischen Prospektionen sowie der Auswertung historisch-literarischer Quellen. Für die Gewinnung der Sedimente kommen Rammkernsondierungen zum Einsatz, deren chronologische Einordnung auf 14C-Datierungen organischen Materials sowie der Stratigrafie anhand diagnostischer Keramik basiert. Den Fragestellungen entsprechend, erfolgen sedimentologische, geochemische, paläontologische oder auch mikrobiologische Analysen in Speziallabors.

Geoarchäologische Methoden kommen längst auch in der Archäologie zum Einsatz, insbesondere dort, wo Grabungen nicht oder nur schwierig durchzuführen sind. Der heilige Bezirk der Artemis ist heute von 7 m dickem Alluvium bedeckt, dessen Dichte ab einer Tiefe von 2 m keine nennenswerten geophysikalischen Resultate erlaubt. Durch systematische Bohrungen ist es nicht nur möglich, die Ausdehnung des Temenos zu bestimmen, sondern auch mithilfe eines Tiefenprofils eine absolutchronologische Schichtenabfolge zu gewinnen.

Geoarchäologische Forschungen tragen auch maßgeblich zur Rekonstruktion des Landschaftsbilds bei. 6 km von Ephesos entfernt, befindet sich an der Küste in Pamucak ein heute wenig beachteter 9,6 m hoher Hügel, der allerdings in der Antike eine wichtige Landmarke darstellte, da er die Einfahrt in die Bucht von Ephesos markierte. Geoarchäologische Untersuchungen erbrachten den Nachweis, dass die Erhebung bis in die jüngere Kaiserzeit eine Insel war, bevor der Bereich langsam versumpfte und in der Spätantike mit einer christlichen Pilgerstätte bebaut wurde. Ein im Nordosten gelegener, kleiner Hafen ermöglichte den Wallfahrern eine bequeme Zufahrt und war mit dem nach Ephesos führenden Hafenkanal verbunden.