Archäologische und paläoökologische Untersuchungen zum Potenzial einer Küstenregion im östlichen Mittelmeerraum

Über Jahrtausende hinweg trennte und verband das Mittelmeer die Zivilisationen, die entlang seiner Küste entstanden und vergingen. Es war vermutlich die Suche nach speziellen Gütern, die die Menschen des Mittelmeeres dazu brachte, zur See zu fahren. Schon sehr früh war der Libanon in den Seehandel entlang des östlichen Mittelmeeres eingebunden, denn an den Steilhängen des Libanongebirges wuchs eines der heißbegehrten Güter dieser der Region: Holz. Vor allem das der Zedern war sehr gefragt, da es lang und stark genug war, um unter anderem für die Errichtung von Tempeln, Palästen und Pyramiden verwendet zu werden. Durch schriftliche und archäologische Quellen, die uns von Regionen außerhalb des Libanons bekannt sind, wissen wir, dass sich der Handel während der mittleren und späten Bronzezeit (2. Jt. v. Chr) entlang der Levanteküste intensivierte. Bedingt durch den jahrelangen Bürgerkrieg im Libanon (1975–1990) kam die Archäologie in diesem Land jedoch völlig zum Erliegen, während in anderen Regionen des Nahen Ostens in den letzten 50 Jahren große Mengen an neuen Daten durch Grabungen zutage kamen. Im Libanon hingegen musste man jahrelang auf das Material der Altgrabungen von Byblos (1. Hälfte des 20. Jhs. n. Chr.) zurückgreifen, um Handelskontakte mit Ländern wie Ägypten oder Kreta zu belegen. So ist es auch nicht überraschend, wenn es zahlreiche Regionen im Libanon gibt, über deren Geschichte und Archäologie wir kaum informiert sind.

In einer dieser unbekannten Regionen rund um die Küstenstadt Chekka, die zwischen Batroun und Tripolis liegt, hat die ehemalige OREA in Kooperation mit der American University of Beirut (AUB) im Sommer 2016 eine erste Prospektionskampagne unternommen. Dabei wurde Tell Mirhan, ein Siedlungshügel in der Bucht von Chekka, näher untersucht sowie ein Survey in den hinter Chekka ansteigenden Vorgebirgen durchgeführt. Bei diesen Untersuchungen stellte sich heraus, dass der nördliche Teil des Tells durch die Konstruktion einer Zementfabrik in den 1950er Jahren fast völlig verschwunden ist. Moderner Hausbau an den übrigen Rändern des Tells führte ebenfalls in beträchtlichem Ausmaß zur Zerstörung der zuvor noch erhaltenen Siedlungsstrukturen. Zurück blieb ein 34 m langes Ost–West verlaufendes Profil durch den Tell, in dem eine massive Befestigungsanlage der mittleren Bronzezeit sichtbar wurde, die einst vermutlich den gesamten Tell umfasste. Die gefundene Keramik zeigt, dass die Siedlung vermutlich von der frühen Bronzezeit bis zur frühen Eisenzeit eine wichtige Rolle im Handel mit Ägypten und Zypern spielte. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass im Hinterland von Tell Mirhan noch heute einige der wenigen alten Zedernbestände des Libanons (z. B. Bsharre) zu finden sind. Während des Surveys an der Küste und den Ausläufern des Libanongebirges wurde festgestellt, dass diese Region zumindest seit dem Chalkolithikum fast durchgehend besiedelt war. Viele der vorgefundenen archäologischen Stätten waren jedoch durch moderne Terrassierungen und Bautätigkeiten entweder abgeschoben oder stark gestört worden.

Im Rahmen des FWF-Projektes »Between Land and Sea« ist geplant, in den kommenden Jahren mit Hilfe von geophysikalischen Methoden und modernen Ausgrabungen die erhaltenen Teile von Tell Mirhan zu untersuchen, um so eine konkretes Bild der Siedlungsgeschichte dieses ehemals bedeutenden Handelsstützpunktes zu bekommen. Bei der Befestigungsanlage handelt es sich um eine von nur vier bekannten, die jemals im Libanon gefunden wurden. Daher soll ihre Konstruktionstechnik im Rahmen des Projektes genauer untersucht werden. Um die Bedeutung von Tell Mirhan als ein regionales und überregionales Handelszentrum besser zu verstehen, sollen detaillierte Umweltstudien Aufschluss über das wirtschaftliche Potenzial der Region bringen.

Ein Survey im Hinterland soll neue Erkenntnisse zum Wege- und Kommunikationsnetz zwischen der Küste und den Waldregionen einerseits und der Beqaa-Ebene andererseits erbringen, wobei auch die Wadis, die in die Bucht von Chekka münden, eine große Rolle als potenzielle Transportwege spielen. Erstmalig im Libanon soll eine neue Technik des Scannens von der Luft aus (Airborne Laser Scanning) unterstützend beim Survey zum Einsatz kommen. Mit Hilfe von Forsttechnikern der Universität für Bodenkultur in Wien möchte das Projekt den Weg der Zedernhölzer – dem wertvollsten Produkt der Region – von ihrem Ursprung an den Hängen des Libanongebirges bis zu ihrer Verladestelle in der Bucht von Chekka nachvollziehen.