Im Mittelpunkt dieses Projekts stehen die Gruben mit tierischen und menschlichen Überresten, die in den langjähren Ausgrabungen der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage Stillfried entdeckt werden konnten. Mit Hilfe verschiedender naturwissenschaftlicher Methoden werden die Sonderbefunde mit Menschen- und Tierdepositionen evaluiert und interpretiert.

Ziel des Projektes ist die (Neu-)Auswertung und Deutung der späturnenfelderzeitlichen Sonderbefunde der Wallanlage von Stillfried unter Zuhilfenahme modernster naturwissenschaftlicher Methoden. Es handelt sich hauptsächlich um Tier- und Menschenniederlegungen in Siedlungsgruben.

Fundort ist der archäologisch höchst bedeutende Höhenrücken von Stillfried an der March; in ur- und frühgeschichtlicher Zeit am Kreuzungspunkt der Bernsteinstraße mit einer Hauptverbindung in die Karpaten gelegen. In der späten Urnenfelderzeit entwickelte sich eine mächtige befestigte Höhensiedlung, die bis ins Hochmittelalter immer wieder intensiv besiedelt war. Der Schwerpunkt der von Fritz Felgenhauer durchgeführten Forschungsgrabung lag im höchstgelegenen Bereich der Wallanlage, dem sogenannten Hügelfeld und dem daran anschließenden westlichen Abschnittswall. Die häufigste Befundgruppe der ergrabenen urnenfelderzeitlichen Besiedelung sind die sog. trapezförmigen Speichergruben (verkehrt trichterförmig): 2–3 m in den Löss eingetieft  mit kreisförmigen Durchmessern. In etwa jeder vierten fanden sich in den Verfüllungen außergewöhnliche Inhalte, die als sogenannte Sonderbefunde im Brennpunkt dieses Projektes stehen: hauptsächlich tierische Skelette beziehungsweise Teilskelette, auf ebenen Unterlagsschichten niedergelegt, und zwei Massenniederlegungen von Menschen, die sich alle zum Zeitpunkt der Einbringung mehr oder weniger im Sehnenverband befanden.

Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es zu allen Varianten der Menschenniederlegungen zahlreiche Parallelen in Tschechien, der Slowakei und in Ungarn gibt; besonders häufig in Siedlungen der Knovízer Kultur in Mittel- und Nordwestböhmen, mit Schwerpunkt in der Mittelstufe (HaA2, 1100–1000 v. Chr.), die etwa 200 Jahre früher als die Stillfrieder Befunde datiert (950–800/750 v. Chr.). Damit steht außer Frage, dass in dem betrachteten Raum eine Totenbehandlung abseits der gut bekannten Brandgräber im Gräberfeld bestanden hat. Parallelen zu den Tierniederlegungen sind hingegen selten. So ist deren große Anzahl in Stillfried ganz besonders durch den Nachweis von hochbetagten, lange in Gefangenschaft gehaltenen Wildtieren als außergewöhnlich und durchaus sensationell zu werten.

Es ist davon auszugehen, dass die Wallanlage politisches, wirtschaftliches und religiöses Zentrum einer Siedlungskammer war. Die Gesellschaft muss straff organisiert gewesen sein, anders ist der Bau eines so mächtigen Walles nicht vorstellbar (vorgelagerter Westgraben 8 m tief, 24 m breit). In Anlehnung an die Fachbegriffe der Ethnologie ist von einem Häuptlingtum innerhalb einer Stammesgesellschaft auszugehen. Dieses ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Grausamkeit, Innovationsbereitschaft und Instabilität, was sich unschwer aus den Befunden von Stillfried ablesen lässt. Die im Projekt beleuchteten Sonderbefunde legen Zeugnis von Handlungen ab, die vor allem am höchsten Punkt der Anlage stattgefunden haben und damit öffentlich waren. Es ist gut vorstellbar, dass sie als wirkungsvolles Instrument für den Machterhalt der Führungsschicht eingesetzt wurden.

Laufzeit

seit 2011

Finanzierung

FWF [Projekt P 22755]