Die artefaktmorphologische Untersuchung von paläolithischen Steingeräten aus der Umgebung von Großweikersdorf erbrachte den Nachweis einer mittelpaläolithischen Freilandfundstelle des Szeletian in dieser Region.

In den Jahren 2000–2011 wurden durch Paul Schröttner (Wien) auf einer Anhöhe bei Großweikersdorf (Bez. Tulln) vielfache Begehungen durchgeführt. Dabei konnte er ein reichhaltiges Fundspektrum von fast ausschließlich altsteinzeitlichen Steingeräten aufsammeln, was er 2011 auch offiziell der zuständigen Behörde meldete. Erste Prospektionen zeigten eindeutig auf, dass diese Fundstelle in keinem Fall in einem Zusammenhang mit den bisher bekannten und benachbarten paläolithischen Freilandfundplätzen von Großweikersdorf-Ziegelei oder Ruppersthal-Flur Mordthal  zu sehen ist, sondern dass es sich um eine völlig neue Entdeckung handelt.

Insgesamt liegen derzeit 330 Funde vor (inkludiert sind ein versteinerter Knochen, ein Steinbeil, ein bronzezeitlicher und zwei neolithische Sicheleinsätze, zwei Flintensteine und ein rezent wirkender Abschlag aus nordischem Feuerstein).
Von besonderer Relevanz sind die Blattspitzen und -fragmente, die dem späten Mittelpaläolithikum (Szeletien) zuzuordnen sind. Es liegen drei eindeutige Blattspitzen vor sowie zwei weitere bifaciell retuschierte Stücke, die aufgrund ihrer Erhaltung nicht sicher diesem Werkzeugtyp zugeschrieben werden können.

Ebenso wichtig in dieser Aufsammlung ist der Nachweis der Levalloistechnik in Form von rund 20 in unterschiedlichen Abbaustadien und Dimensionen befindlichen Levalloiskernen und einzelnen Levalloisabschlägen.
Ferner können zahlreiche Schaber und bifacielle Kerngeräte sowie ›chopping tools‹ ebenfalls einem mittelpaläolithischen Komplex zugeordnet werden.
Ein weiterer großer Anteil des Fundmaterials lässt sich chronologisch in ein frühes Jungpaläolithikum einordnen. Die relevanten, hier sehr häufig vertretenen Kiel- und Nasenkratzer sowie einzelne Kielstichel weisen typologisch auf das Aurignacien hin. 

Zusammenfassend lässt sich mit dieser Aufsammlung ein mehrmaliger Aufenthalt auf der Hochfläche nachweisen. Die vorgefundenen Blattspitzen finden ihre besten Entsprechungen im Szeletien, einer  Blattspitzengruppe des späten Mittelpaläolithikums im östlichen Mitteleuropa. Weitere Fundplätze in Österreich, in denen eindeutige Blattspitzenfunde vorkommen, sind rar, in der Regel Einzelfunde ohne Begleitinventar, Altfunde oder/und unsicher stratifizierte Stücke. Mit diesem neuen Fundkomplex kann somit eine geografische Lücke zwischen den mährischen und südbayrischen Blattspitzeninventaren geschlossen werden.
Da aus gesicherten Szeletienzusammenhängen bisher keine Levalloistechnik beschrieben wurde und keine Levalloiskerne vorliegen, muss vorläufig eine weitere, eher ältere Phase des Mittelpaläolithikums angenommen werden. Eine dritte chronologisch jüngere Besiedlung fand im Aurignacien statt, worauf ein hoher Anteil (mit einer Anzahl von ca. 40 Stücken) an Nasen- und Kielkratzern hinweist.

Mit dem Fundmaterial von Großweikersdorf lässt sich in dieser Region nun erstmals auch eine Freilandfundstätte des Mittelpaläolithikums belegen. Überraschend ist hier die starke Komponente von Levalloiskernen, die bislang keine Parallele findet. Blattspitzen sind aus Niederösterreich bislang durchaus bekannt geworden, allerdings stammen alle aus unstratifiziertem Kontext und sind ohne Beifunde. Am Fundplatz von Großweikersdorf liegt erstmals ein größeres mittelpaläolithisches Inventar mit einem deutlichen Anteil an Levalloiskernen, mehreren Blattspitzen und weiteren mittelpaläolithischen Formen vor. Aufgrund der vorhandenen Typen muss sogar mit einer mehrphasigen Besiedlung des Platzes gerechnet werden.

 

 

Laufzeit

seit 2000

Finanzierung

Bundesdenkmalamt