Menschliche Skelettreste aus archäologischen Grabungen sind die unmittelbarste Informationsquelle über das Leben in der Vergangenheit. Sie bieten auch nach dem Tod eines Individuums Einblicke in Alter, Geschlecht, Krankheit, Ernährung, Herkunft, Verwandtschaft und körperliche Aktivität. Die bioarchäologischen Untersuchungen an spätantiken bis mittelalterlichen Populationen aus dem Jauntal zielen darauf ab, Informationen über die Lebensbedingungen während des Übergangs von der Spätantike zum Mittelalter zu gewinnen.

Die Übergangszeit von der Antike zum frühen Mittelalter im 5. und 6. Jahrhundert war in Mitteleuropa stark geprägt von großräumigen Wanderbewegungen sowie der Expansion des Christentums. Die daraus resultierenden Umbrüche beeinflussten die weitere Entwicklung der kulturellen, religiösen und politischen Landkarte Europas, wie wir sie heute kennen. Trotz der Existenz zahlreicher historischer und archäologischer Quellen aus dieser Zeit sind noch viele Fragen zu Entwicklung und Struktur der mittelalterlichen Bevölkerung offen.

Die bioarchäologische Untersuchung menschlicher Skelettreste aus spätantiken und mittelalterlichen Grabstätten bei Globasnitz sowie mittelalterlichen Bestattungen bei Jaunstein soll einen Vergleich der verschiedenen Gruppen liefern, die während dieser dynamischen Phase des Wandels im Jauntal lebten. Der Erkenntnisgewinn über Faktoren wie Lebensqualität, Ernährungszustand und Seuchen, Migration oder gewalttätige Konflikte stellt ein zentrales Element für das Verständnis des Verhaltens von Individuen und Gruppen in dieser Mikroregion der Ostalpen dar. Eingebettet in ihren historischen und archäologischen Kontext werden diese Ergebnisse wesentlich zum besseren Verständnis einer der wichtigsten Perioden in der Geschichte Europas beitragen.

Hemmaberg/gora svete Heme bei Globasnitz/Globasnica: Lebenswelten. Eine bioarchäologische Charakterisierung von Gesundheitszustand und Lebensbedingungen am Übergang von Spätantike und Mittelalter

Archäologische Funde weisen darauf hin, dass sich die lokale Bevölkerung in diesem Zeitabschnitt von der einstigen Straßenstation bei Globasnitz auf den nahe gelegenen Hemmaberg zurückzog. Gleichzeitig deuten Grabbeigaben und historische Quellen darauf hin, dass zumindest einige der Bestattungen in Globasnitz von ostgotischen Militäreinheiten stammen. Diese waren vom ostgotischen König Theoderich angesiedelt worden, um die nördliche Grenze seines Königreichs zu sichern. Somit sind die beiden Siedlungen eine ideale Fallstudie zur Untersuchung von Herkunft, Lebensbedingungen und des Zusammenlebens von Bevölkerungsgruppen potenziell unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit.

Etwa 143 menschliche Skelette aus der großen Grabstätte am Hemmaberg und 422 aus dem Gräberfeld bei Globasnitz am Fuße des Hemmabergs bilden den Hauptdatensatz der laufenden Analysen. Zusätzlich zu den traditionellen Methoden der Altersbestimmung zum Zeitpunkt des Todes, zur Geschlechtsbestimmung und zur Diagnostik von Krankheiten werden auch moderne Verfahren wie die Analyse alter DNA (aDNA) und stabiler Isotope (C, N, S, Sr) eingesetzt, um ein detailliertes Bild der Ernährungszusammensetzung und auch der geografischen Herkunft der Menschen zu erhalten.

Jaunstein/Podjuna: (Früh-)Mittelalterlicher Friedhof. Erforschung der Lebenswelt slawischer Populationen im Ostalpenraum

Ziel der systematischen Untersuchung der Kirche und des Friedhofs in Jaunstein ist es, die Lebensbedingungen in der Region im Früh- und Hochmittelalter zu rekonstruieren und die Chronologie der Kirche zu klären. Die Datengrundlage liefert die Auswertung von 130 Bestattungen und der Stratigrafie des Kirchhofs. Zunächst wird die Feinchronologie der Bestattungen ermittelt, basierend auf der Stratigrafie, der Datierung aussagekräftiger Trachtbestandteile sowie von 14C-Daten. Im Anschluss liefern osteologische und paläopathologische Analysen, begleitet von aDNA- und Isotopenanalysen, Erkenntnisse zu Ernährung, Stress- und Mangelkrankheiten, Pathologien, aber auch zu sozialen und geschlechtsspezifischen Unterschieden. Sowohl konzeptionell als auch methodisch ist dieses Projekt eng mit den Untersuchungen der Gräberfelder von Hemmaberg und Globasnitz verzahnt, was vor allem für die Klärung von Kontinuitätsfragen von besonderem Interesse ist.

Die Chronologie des Kirchenbaus ist indes von besonderem Interesse, als für Niederkärnten bislang keine mittelalterliche Kirche archäologisch dokumentiert werden konnte und auch schriftliche Erwähnungen üblicherweise deutlich jünger sind. Dieses Phänomen zeigt sich in ähnlicher Form auch für Jaunstein/Podjuna, wo die bislang ältesten bekannten Bestattungen auf ein Kirchengebäude im 8. Jahrhundert hinweisen, die erste schriftliche Erwähnung jedoch erst mit 1154 datiert. Die Ausgrabungen sollen zur Klärung dieser Fragen beitragen, ebenso sollen sie architektonische Einblicke in diese früheren Kirchengebäude ermöglichen.