Das Projekt zu den Festungsbauten der Monarchie in Montenegro geht auf eine Initiative des montenegrinischen Kulturministeriums zurück, das eine wissenschaftliche Beschäftigung mit den Bauten rund um den ehemaligen österreichischen Kriegshafen Cattaro angeregt hat. Ausgangspunkt für die erste Feldkampagne im Herbst 2018 war eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Festungsanlagen Goražda und Kosmač. Sie sind durch ihre unmittelbare Nähe zu den stark frequentierten Tourismuszielen Kotor und Budva gekennzeichnet, weshalb diese Festungen großes Potenzial haben, um Geschichte an authentischen baulichen Zeugnissen erlebbar zu machen und diese der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Festung Kosmač

Die Festung Kosmač liegt prominent 800 m oberhalb des Küstenorts Budva. 1858 errichtet und damit 26 Jahre älter als die Festung Goražda, ist Kosmač als südlichste erhaltene Festung Österreich-Ungarns von großer bauhistorischer Bedeutung. Nach Anerkennung der Unabhängigkeit von Montenegro im Jahr 1841 wurde mit der Sicherung der Grenze begonnen, welche sich auch durch die Errichtung der Festung Kosmač manifestierte. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs sprengten die österreichischen Truppen die Festung befehlsgemäß und zogen sich auf das Gebiet um die Bucht von Kotor zurück.

Der Erhaltungszustand der Festungsanlage muss heute als bedenklich eingestuft werden. Der außergewöhnlich hohe Beschädigungsgrad an der Bausubstanz ist vor allem auf die kontrollierte Sprengung zurückzuführen, welche die Gebäudestatik schwer beeinträchtigte, wodurch die Festung Kosmač akut einsturzgefährdet ist.

In den öffentlich zugänglichen Gebäudeteilen können sich jederzeit einzelne Blöcke, aber auch ganze Wandbereiche und Gewölbe lösen und einstürzen, weshalb eine temporäre Sperre des Gebäudes für die Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen unumgänglich ist. In naher Zukunft ist ein Gutachten geplant, das die geschwächte Gebäudestruktur untersuchen und verschiedene Szenarien einer statischen Ertüchtigung der gesamten Festung oder einzelner Gebäudeteile bewerten soll.

Festung Goražda

In der Festung Goražda dominiert wie auch in Kosmač Naturstein konstruktiv als Baumaterial, der in Form eines lagenhaften, mehrschaligen Schichtmauerwerks eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu Kosmač gibt es aber in Goražda neben den Natursteingewölben auch Bereiche, die mit Stahlträgern und Stampfbetondecken und -böden überspannt und verstärkt wurden. Ein wesentlicher Unterschied ist zudem, dass die Festung Goražda nicht nur bis zum Zusammenbruch der Monarchie 1918 in Nutzung war, sondern auch während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre militärspezifisch genutzt wurde, was durch verschiedene Reparaturen sowie Um- und Zubauten belegt werden kann.

In Goražda soll zunächst die bereits begonnene bauforscherische und restauratorische Dokumentation vorangetrieben werden. Weiters umfassen die restauratorischen Maßnahmen die Freilegung und Dokumentation einiger repräsentativer Soldatengraffiti der beiden Weltkriege, die immanenter Bestandteil der verwendeten Wehranlage und ihrer Geschichte und somit durchwegs erhaltenswert sind. Darüber hinaus ist die Entnahme von Mörtel- und Steinproben geplant, deren Analyse Aussagen zum Bauvorgang und zur Materialbeschaffung (Steinbrüche, Bindemittel) ermöglichen wird. Ferner steht die Entwicklung eines temporären wie auch langfristigen konservatorisch/restauratorischen Maßnahmenkonzepts im Vordergrund, wobei die zukünftige Nutzung des Bauwerks eine wesentliche Rolle spielen wird.

Zuletzt sei bemerkt, dass der gute bauliche Zustand der Festung Goražda sowie ihre Lage – nur 3 km entfernt vom UNESCO-Weltkulturerbe der Stadt Kotor mit großem Besucherandrang – eine außerordentliche Chance bieten, in diesem einmaligen Gebäude eine nachhaltige Nutzung zu entwickeln, die über eine reine Gedenkstätte hinausgeht.

Langfristige Planung

Langfristiges Ziel des ÖAI ist die Entwicklung eines wissenschaftlichen Projekts in Kooperation und Koordination mit den offiziellen Behörden und lokalen Institutionen in Montenegro, in dem neben militärwissenschaftlichen Aspekten vor allem Dokumentation und Umsetzung des Bauvorgangs der Festungsbauten sowie Instandhaltung und Kommunikation mit der Außenwelt wie auch die Routineversorgung in Friedens- und Kriegszeiten stehen. Überdies sollen Informationen zu der im Turnus wechselnden Festungsbesetzung aus allen damaligen Kronländern sowie deren Interaktion mit der Zivilbevölkerung im direkten Umland gesammelt werden.

Bauhistorisch und konservierungswissenschaftlich relevante Themen wie materialwissenschaftliche Untersuchungen werden für beiden Festungsanlagen ins Auge gefasst; weitere Festungsanlagen sollen ebenso in die Probenauswertung einbezogen werden. Die Entstehung der Festungen als militärische Zweckbauten unter österreichischer Herrschaft lässt die Vermutung einer guten Dokumentation des Bauablaufs und der verwendeten Materialien zu. Die Errichtung der Anlagen ist in einer baugeschichtlich hochinteressanten Übergangszeit von mehr oder weniger reinen Kalkmörteln hin zu frühen industriell erzeugten hydraulischen Bindemitteln angesiedelt. Es kann außerdem davon ausgegangen werden, dass eine große Korrelation mit gleichzeitigen Zweckbauten in Österreich besteht.

Zuletzt sollen auch der Abzug der Truppen nach Zusammenbruch der Monarchie sowie die nachfolgenden Nutzungsphasen Betrachtung finden. Die Ergebnisse dieses geplanten Projekts sollen direkt in die Entwicklung eines umfassenden denkmalpflegerischen Konzepts für das gesamte historische Ensemble der Fortifikationen um die Bucht von Kotor einfließen.