Unter den Zehntausenden von Papyri, die im trockenen Sand des Niltals überlebt haben, liefern hunderte Texte detaillierte Nachweise für ein zentralisiertes System von öffentlichen Archiven in der römischen Provinz Ägypten. Während die bisherige Forschung einzelne Archive der lokalen und provinzialen Ebene sowie einige Gattungen von Aufzeichnungen untersucht hat, wartet das Material auf eine umfassende historische Auswertung durch eine synthetische Studie. Im Rahmen dieses Projekts soll eine gezielte Untersuchung dieser Archivinstitutionen unternommen werden, wobei ihre Strukturen und ihre Funktion, die Rolle in der Verwaltung und ihr Einfluss auf die Dokumentenkultur analysiert werden.    

Wie waren die öffentlichen Archive des römischen Ägyptens strukturiert und wie wurden die Archivalien organisiert, erschlossen und genutzt? In welcher Weise diente das zentralisierte Archivsystem der römischen Provinz als Instrument der römischen Verwaltung? Inwiefern unterschied sich das römische Archivwesen von der ptolemäischen Praxis, und inwieweit entspricht die papyrologische Evidenz den Belegen für Archive in Italien und in anderen Provinzen des Kaiserreiches?

Das Projekt erstellt einen umfassenden Überblick über die relevanten dokumentarischen Belege und arbeitet mit Papyri im Original, wobei – neben den Texten selbst – auch deren Layout und andere Merkmale wie Handschrift und administrative Bearbeitungsvermerke untersucht werden. Die Studie zielt darauf ab, die spezifischen Charakteristika der römischen Provinzialarchive zu erhellen und Fragen der Kontinuität und des Wandels in Bezug auf die ptolemäische Zeit zu thematisieren. Darüber hinaus wird das Projekt papyrologische Quellen in einen Dialog mit literarischen und epigraphischen Zeugnissen aus anderen Provinzen stellen, um zu prüfen, ob die in den Papyri dokumentierten Archivinstitutionen im gesamten Imperium Romanum vorhanden waren.    

Durch die erste systematische Untersuchung des großen Corpus an dokumentarischen Quellen für Archivinstitutionen im römischen Ägypten will das Projekt einen innovativen und substanziellen Beitrag zur römischen Geschichte und zur Papyrologie leisten. Durch seinen vergleichenden Blickwinkel, der unterschiedliche Regionen einbezieht und disziplinäre Grenzen überbrückt, wird das Projekt verschiedene Quellengattungen nutzen, um ein holistisches Bild jener institutionellen Einrichtungen des Reiches zu rekonstruieren, auf welche sich die kaiserliche Regierung stützte. Es steht zu erwarten, dass die Ergebnisse maßgebliche Auswirkungen auf unser Verständnis der römischen Herrschaft haben werden: Wenn zentralisierte Archivsysteme, wie sie im römischen Ägypten bezeugt sind, in allen römischen Provinzen existierten, würde dies eine signifikant größere Fähigkeit zur infrastrukturellen Macht seitens des römischen Kaiserreiches implizieren, als bisher angenommen wird. Damit wird das Projekt ein neues Bild von der Bedeutung und Wirkmächtigkeit der kaiserlichen Verwaltung liefern, das gängige Vorstellungen deutlich modifiziert und zudem die vorherrschende Ansicht, vormoderne Imperien hätten bloß über rudimentäre Archivierungstechnologien verfügt, in Frage stellt. Die Ergebnisse dieses Projektes bereiten somit den Weg für künftige, komparatistisch ausgerichtete Forschungen auf diesem Gebiet.

Projektleitung

Kooperationen

  • Charikleia Armoni (Universität zu Köln)
  • Thomas Kruse (ÖAI)
  • Fritz Mitthof (Universität Wien)

Laufzeit

08/2022-07/2026

Finanzierung

APART-GSK Projekt 11955

 

Videopräsentation des Projekts