Fische und Fischerei sind Nahrungsmittel und Tätigkeiten, die die Menschen seit jeher konsumieren und ausführen. In diachronen Studien können technische Entwicklungen der Fischerei im Meer wie auch im Süßwasser verstanden und rekonstruiert werden. Die Vorlieben bestimmter Konsumentengruppen für spezifische Fische werden ebenso beleuchtet wie Entwicklungen in Teichwirtschaft und Fischzucht.
Bei Umbauarbeiten im Rathaus der Marktgemeinde Hadersdorf-Kammern (Niederösterreich) wurde 1991 ein alter Brunnen freigelegt. Vor seiner Verfüllung war der Schacht zuletzt bis in das 17. Jahrhundert als Latrine verwendet worden. Entsprechend den besonderen Fundumständen in einer Latrine sind die Funde, die einerseits im Zuge der Grabung geborgen werden konnten, andererseits aus zahlreichen Sedimentproben gewonnen wurden, als sehr gut erhalten zu bezeichnen. Die besonders günstigen Erhaltungsbedingungen und die teilweise direkte Einbringung machen Latrinen auch für Fischreste zu einem sehr speziellen Archiv.
Fisch war jedenfalls im Mittelalter und in der Neuzeit ein wichtiges Nahrungsmittel, nicht nur wegen der strengen Fastenregeln. Die insofern oft mit verdauten und unverdauten Fischresten vollen Latrineninhalte belegen das gesamte Fischartenspektrum in der Ernährung. Neben der Befischung von natürlichen Gewässern spielte die Teichwirtschaft eine große Rolle, der wichtigste Fisch war damals wie heute der Karpfen. Fische können auch als ökologische Anzeiger Hinweise darauf liefern, ob sie in stark strömenden Gewässern, so die Flussbarbe, oder in stehenden Gewässern, wie etwa das Rotauge, gefangen wurden. Kleine Knochen, die in Latrinen erhalten bleiben können, belegen eine intensive Nutzung sehr kleiner und auch sehr junger Fische, oft mit weniger als 10 cm Größe.
Die intensive Teichwirtschaft und die Befischung so kleiner Fische dürften Ausdruck eines zumindest temporär hohen Fischbedarfs sein. Einhergehend mit diesen beiden Versorgungsstrategien wurden auch haltbar gemachte Meeresfische in Mengen importiert und in die Haushalte eingekauft. Reste von Stockfisch konnten in dieser Latrine zwar nicht nachgewiesen werden, aber Knochen eingesalzener Heringe liegen im Fundmaterial zahlreich vor.
Die Siedlung am Südwestufer des Untersees zeugt von einer der ältesten jungsteinzeitlichen Besiedlungsphasen am Bodensee in Südwestdeutschland, Fisch war dort eine bedeutende Nahrungsquelle. Die Bearbeitung der Fischknochen erfolgt im Zuge einer Kooperation mit E. Stephan (Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart). Insgesamt konnten bislang mehr als 10.200 Fischknochen mit einem Gewicht von rund 0,5 kg bearbeitet werden.
Ein hoher Anteil der Fischknochen liegt verkohlt und stark fragmentiert vor und war daher nicht genauer zu bestimmen. Dennoch ist die Verteilung der gefangenen und verzehrten Fische durchaus artenreich. Das Fundensemble wird deutlich vom Hecht dominiert, während die anderen Fischarten in nur geringer Funddichte vorkommen. Die zweithäufigste Gruppe sind die Karpfenartigen, wobei die kleinen Knochenreste meist nicht genau zu bestimmen waren; Flussbarbe, Rotfeder und der Knochen einer Schleie konnten aber nachgewiesen werden. Neben den zahlreichen Flussbarschen fand sich jedoch nur ein einzelner Knochen eines Zanders. Durch die Unsicherheiten bei der Bestimmung aufgrund des fragmentarischen und meist stark verbrannten Erhaltungszustands der Wirbel konnten Felchen und Forellen nicht bestimmt werden; die kompletteren Knochen dürften aber eher von Felchen als von Forellen stammen. Schließlich ließ sich vereinzelt die Befischung des Welses nachweisen.
Die meisten Fische haben relativ kleine und fragile Knochen, die bei einer händischen Fundbergung in der Erde kaum oder nicht erkannt werden. Daher überwiegen oft Knochen sehr großer Fische, etwa von Hecht oder Wels. Stichprobenartiges Schlämmen der Sedimente, wie bei dieser Ausgrabung gehandhabt, kann dies verhindern. Ein anderer limitierender Faktor für die Erhaltung der Fischknochen und Schuppen ist das umgebende Sediment. In Pfahlbausiedlungen, wo oft wassergesättigte Sedimente anzutreffen sind, erhalten sich diese Knochen in der Feuchtbodenerhaltung ausgezeichnet. Gemeinsam mit der Archäobotanik werden im Rahmen des Projekts »Zeitensprung« am ÖAI archäobiologische Funde aufgearbeitet.
Ichthyologisch stehen der Fischfang und der Fischverzehr im Interesse. Die verschiedenen Fischarten können das Repertoire der Fischereitechniken wie ufernahe Angel- oder Stellfischerei bis hin zu Netzfischerei im offenen Wasser aufzeigen. Im Fundmaterial befinden sich zahlreiche sehr gut erhaltene Fischschuppen, die einerseits für die Rekonstruktion der Fangsaison und andererseits zur Schätzung des Alters der gefangenen Fische herangezogen werden können.
Hadersdorf: Latrine
Hornstaad-Hörnle 1A: Jungneolithische Fischerei
Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
2016–2021
Mooswinkel am Mondsee: Fischreste
2020–2021