Der Gemeindeberg ist die am längsten bekannte prähistorische (Höhen-)Siedlung in Wien, hier fanden erste Grabungen bereits im 19. Jahrhundert statt. Zwischen den Zeilen klang zwar immer die Nutzung des dort anstehenden Radiolarits der St. Veiter Klippenzone durch, ein Bergbau war bisher aber nicht nachgewiesen. Neue Forschungen bestätigen nun einen großflächigen Abbau des Rohstoffes in der Steinzeit.

Im Gipfelbereich des Wiener Gemeindeberges lagen in zwei unterschiedlichen Phasen der Kupferzeit Siedlungen – eine in der Mitte des 4. Jahrtausends, und eine in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. Diese waren bereits mehrfach Gegenstand archäologischer Untersuchungen. Im Zuge des Projekts ›BergbauLandschaftWien‹ wurden bei Geländebegehungen zur Eingrenzung der Radiolarit führenden Zone, unmittelbar an den Siedlungsbereich anschließend, ausgedehnte Schlagabfallhalden erfasst – diese erstrecken sich über die gesamte Nordflanke des Hügels unterhalb des besiedelten Gipfelbereichs.

Grabung und Profildokumentation 2018–2019

In der Böschung eines neu verbreiterten Fahrwegs konnten 2017 zudem angeschnittene eingetiefte Befunde entdeckt werden. Dies veranlasste eine Dokumentation des Böschungsprofils und eine kleine Flächengrabung. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war der eindeutige Nachweis von Bergbau – teils offenbar im Tagebau unter Zuhilfenahme von Feuersetzen, teils in Abbaugruben oder Schächten. Trotz der minimalinvasiven Geländetätigkeit auf einer nur sehr kleinen Fläche konnten bislang mindestens fünf eingetiefte Bergbauobjekte nachgewiesen werden, weitere Befunde in Form von ›Haldenschüttungen‹ dürften überwiegend die Verfüllungen großflächiger Tagebau-Hohlformen darstellen.

Untersuchungen an Radiolaritartefakten

2020 mussten die geplanten Geländeaktivitäten aufgrund der Covid-Situation unterbleiben. Dafür wurde ein Teil des Fundmaterials von 2018 (Artefakte aus Abbaugrube Obj. 2) aufgenommen und mittels einer eigens entwickelten Methode auf den vorliegenden Transformationsgrad untersucht. Dafür kam ein speziell an die Fragestellung – prähistorischer Bergbau – angepasstes Aufnahmesystem zur Anwendung. Dieses setzt sich aus einer massentechnologischen Aufnahme sämtlicher Exemplare und einer anschließenden detaillierten technologischen Einzelartefaktanalyse ausgewählter Exemplare zusammen. Das Ergebnis zeigte – wie zu erwarten – deutlich, dass der Transformationsprozess nur wenig weit fortgeschritten war, die Interpretation des Inventars als Bergbau- und initiale Schlagabfälle also gerechtfertigt ist.

Mittelneolithikum – und dann?

Die bislang hier erfassten Bergbauspuren stammen nach den ersten vorliegenden 14C-Daten aus dem Mittelneolithikum (5. Jahrtausend), sind also deutlich älter als die Siedlungen. Das mag überraschend erscheinen, passt aber gut ins ostösterreichische (z. B. Antonshöhe und Flohberg, beide ebenfalls in Wien) bzw. ostmitteleuropäische (Bakony-Gebirge/HU, Krumlovsky Les/CZ) Bild – der Hornsteinbergbau hatte in der Lengyelkultur eine Blütezeit. Eine Nutzung des Vorkommens ist aber auch für die Kupferzeit anzunehmen – dafür spricht unter anderem die Zusammensetzung des Fundinventars aus den Altgrabungen (z. B. eine Geweihhacke) auf der Siedlungsstelle. Eventuell nutzten die kupferzeitlichen Abschlagindustrien aber auch vorwiegend die älteren Halden/Überreste, da sie nicht so hohe Qualitätsansprüche an das Rohmaterial stellten wie die mittelneolithische Klingenindustrie.

Ausblick

Abhängig von weiterer Finanzierung ist geplant, zumindest eine der bislang festgestellten Abbaugruben möglichst vollständig auszugraben, um zu klären, ob es sich dabei um ›echte‹ Schächte (oder eben nur um tiefere Gruben) handelt, sowie detailliertere Informationen zur angewendeten Abbautechnik zu eruieren. Auch soll weiteres organisches Probenmaterial für absolute Datierungen gewonnen werden. Darüber hinaus werden weitere Analysen am Fundmaterial durchgeführt.

 

 

Laufzeit

seit 2018

Finanzierung

Universität Wien, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie