Ein in Kooperation mit der Ephorie für Altertümer in Achaia durchgeführtes Surveyprojekt verfolgt das Ziel, die Struktur der Stadt Aigeira detaillierter zu erfassen. Während sich die Forschungen bisher vornehmlich auf einzelne öffentliche und religiöse Gebäude konzentrierten, ist über die Organisation und das Alltagsleben der in hellenistisch-römischer Zeit beinahe 50 ha großen Stadt nur wenig bekannt – eine Lücke, die mithilfe des Surveys geschlossen werden soll. In einer neuen diachronen Studie werden die nachmykenischen Befestigungsmauern mit besonderem Augenmerk auf Chronologie, Ausdehnung und auf die Verbindung von Architektur und Landschaft untersucht.

Naturräumliche Voraussetzungen

Aigeira bot als einer der wenigen Orte der Küstenregion Ost-Achaias naturräumliche Gegebenheiten, die eine dauerhafte Besiedlung ermöglichten. Der stabile Untergrund aus Felsgestein war eine wichtige Voraussetzung für Siedlungstätigkeit in dieser stark erdbebengefährdeten Region, zudem erlaubte die Lage hoch über dem Meer eine exzellente Fernsicht und damit die Möglichkeit, die Küsten- und Binnenrouten zu kontrollieren. All dies wog offensichtlich die Nachteile des steilen Geländes und der schwierigen Versorgung mit Frischwasser auf, wie die an diesem Ort seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. bis in das Mittelalter hinein fassbare Siedlungstätigkeit bezeugt.

Zielsetzungen

Der Survey untersucht die Organisation der antiken Stadt epochenübergreifend. Eine für das Verständnis der Stadtentwicklung zentrale Frage ist, wie die archaisch-klassische Siedlung im Vergleich zu der neugegründeten hellenistischen ›Unterstadt‹ strukturiert war. Während über die frühe Stadt bislang kaum etwas bekannt ist, zeigt sich, dass die hellenistische ›Unterstadt‹ möglicherweise nach einem einheitlichen Planschema angelegt wurde. Dafür spricht die den Himmelsrichtungen folgende Orientierung der heute noch an der Oberfläche sichtbaren Antiken. Gezielte Oberflächenbegehungen und geophysikalische Untersuchungen sollen weitere Erkenntnisse zur Bebauungsdichte, zum Straßen- und Wegenetz sowie zur Lage der Wohn- und Handwerksviertel und der öffentlichen Plätze erbringen.

Eine wichtige Grundlage für die Planung des Stadtsurveys ist die Auswertung historischer Pläne und Luftaufnahmen. Der Vergleich moderner topografischer Aufnahmen zeigt, dass sich zwar die Landeinteilung in den letzten 50 Jahren nur unwesentlich verändert hat, im Gegensatz zu den 1950er- und 1960er-Jahren jedoch heute Baumplantagen, vor allem solche mit Oliven, dominieren. Da diese kaum gepflügt werden, sind an den entsprechenden Stellen nur vergleichsweise wenige Oberflächenfunde zu erwarten.

Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeitigte der Survey in einem rund 150 × 60 m großen, auffallend flachen Bereich, der seit jeher mit einer Platzanlage, möglicherweise der zentralen Agora der antiken Stadt, in Verbindung gebracht wird. Hier hatte der griechische Archäologe Valerios Stais schon Ende des 19. Jahrhunderts Teile des im gesamten Römischen Reich gültigen diokletianischen Höchstpreisedikts entdeckt. An der Oberfläche und in der Geophysik sind darüber hinaus die Reste einer großen rechteckigen Struktur – möglicherweise ein naiskosartiger Bau oder ein großes Peristylgebäude – sowie eines vermutlich spätrömischen Spoliengebäudes klar zu erkennen. Auch die Oberflächenfunde, darunter dorische und ionische Bauglieder, Säulentrommeln, Fragmente von Löwenkopfwasserspeiern sowie hellenistische und römische Feinkeramik, stützen die Annahme, dass es sich hier nicht um einen privaten, sondern um einen öffentlichen Bereich handelte.

Ausblick

In den nächsten Kampagnen wird sich der Survey auf den nördlichen und westlichen Teil der hellenistischen ›Unterstadt‹ konzentrieren, ein Areal, das noch heute von den Einheimischen mit dem Toponym »Spitia« (Häuser) bezeichnet wird. Bereits Otto Walter hatte hier 1925 aufgrund der zahlreichen an der Oberfläche sichtbaren Mauerzüge die Wohnviertel der antiken Stadt vermutet.

Die Stadtmauern von Aigeira

Die außerordentlich lange Siedlungstätigkeit in Aigeira, die vom Spätneolithikum bis in die moderne Zeit reicht, bietet günstige Voraussetzungen, die Befestigungssysteme der Stadt in einer diachronen Studie zu untersuchen.

Aigeira verfügt über vier Befestigungssysteme, die von mykenischer bis in spät- oder nachantike Zeit datieren. Der Fokus des Projekts liegt auf den Befestigungen der nachmykenischen Zeit; die mykenischen Stadtmauern sind Teil der Forschungen von W. Gauß. Die Voraussetzungen für die Studie sind günstig, denn Aigeira zählt nicht nur zu den am besten erhaltenen Poleis von Achaia, sondern hat auch eine der längsten Siedlungskontinuitäten der Gegend aufzuweisen.

Stadtanlage

Aigeiras Stadtgebiet wird von einer doppelten Akropolis im Süden dominiert und weist an seiner Ost- und Westseite steile Klippen auf. Die Klippen rahmen einen sanft abfallenden, terrassierten Abhang. Ein schmaler Isthmos im Süden verbindet die Stadt mit ihrem Hinterland und machte sie schwer zu erobern, aber leicht zu verteidigen. Eine Reihe kleiner Forts und Türme, die erst kürzlich im Rahmen des »Aigialeia Survey Project« der Italienischen Schule in Athen festgestellt wurden, hatten wahrscheinlich eine wichtige Rolle für Verteidigung und Kontrolle der Verkehrswege gespielt.

Befestigungsanlagen

Die archaische Befestigungsanlage umfasst ein Gebiet von etwa 3,5 ha um den Bereich der Akropolis und der Oberstadt, ist aber bislang nur an wenigen Stellen erfasst.

Der größte Mauerring, der etwa 50 ha Siedlungsgebiet einschlosst, dürfte in spätklassisch/frühhellenistischer Zeit angelegt worden sein. Besonders überraschend ist, dass nur die spätklassisch/hellenistische Befestigungsanlage mit einigen wenigen Türmen ausgestattet war. Dies ist zwar nicht ungewöhnlich, ist aber vor dem Hintergrund der Topografie und dem historischen Kontext neu zu bewerten. Eine mögliche Rolle im Design für die Befestigungsanlagen könnte auch der Achäische Bund gespielt haben, dem Aigeira seit dem 5. und dann wieder seit dem frühen 3. Jahrhundert angehört hatte. Denkbar ist auch, dass die Siedlungsvergrößerung auf den Zuzug von Bewohnern aus Aigai zurückgeht, die gegen Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. aufgrund der schlechten Lebensbedingungen in ihrer Heimatstadt nach Aigeira umsiedelten (Paus. 7, 25, 12; 8, 15, 9). Dieser Mauerring wurde anscheinend in nachhellenistischen Zeiten nicht verändert.

Die jüngste Befestigung nimmt jedenfalls auf ältere Verteidigungsanlagen keinen Bezug: sie umfasst den westlichen Akropolishügel, der von mykenischer bis in klassische Zeit wichtiger Siedlungspunkt war. Zweck und Datierung dieser Befestigung sind noch nicht geklärt, nach einer ersten Durchsicht des Fundmaterials älterer Grabungen dürfte es sich um eine spätantike Höhenbefestigung handeln.

Um die offenen Fragen zu klären, ist es notwendig, eine möglichst genaue Chronologie der Befestigungsanlagen zu erstellen. Mit Grabungen an ausgewählten Punkten und mithilfe bauforscherischer Analysen soll die Gestalt der Befestigungen rekonstruiert werden.

 

Projektleitung

Kooperationen

Laufzeit

seit September 2019

Finanzierung


Stadtmauern

Projektleitung

Laufzeit

seit 2016

Finanzierung

FWF Einzelprojekt P 30886