Seit 2011 ist das ÖAI an einem Kooperationsprojekt mit dem Archäologischen Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften beteiligt, das sich mit siedlungsarchäologischen Transformationsprozessen an der unteren Donau in der Antike beschäftigt. In einem exponierten Grenzort wie Troesmis sollen, unter Einsatz innovativer archäologischer Dokumentations- und Auswertungsmethoden (digitale Befunddokumentation, Fotogrammetrie, geophysikalische Prospektion und Geoinformationstechnologie), die Veränderungen der Siedlungs- und Lebensräume des 2.–6. Jahrhunderts beispielhaft untersucht werden.

Das im Nordwesten der Dobrudscha gelegene Troesmis (Igliţa) nahm eine strategische Schlüsselposition am römischen Donaulimes ein. Die römisch-byzantinische Siedlung lag am rechten Steilufer der Donau, etwa 15 km südlich der heutigen Stadt Măcin und 4 km nördlich des Dorfes Turcoaia (jud. Tulcea). Das weitläufige Ruinengelände, das durch zwei heute noch gut sichtbare Befestigungsreste beherrscht wird, erstreckt sich von der Donau ausgehend nach Osten bis zu den Ausläufern des Măcin-Gebirges.

Aus den historischen Quellen wissen wir, dass in der mittleren Kaiserzeit, wahrscheinlich ab trajanischer Zeit bis zu den Markomannenkriegen, die Legio V Macedonica in Troesmis stationiert war. Eine ältere getisch-odrysische Siedlung wird zwar bereits von Ovid in den »Epistulae ex Ponto« erwähnt (4, 9, 78–79), archäologisch ist aber über das vorrömische oder frühkaiserzeitliche Troesmis nichts bekannt.

In den späten Regierungsjahren des Mark Aurel wurde Troesmis der Munizipalstatus verliehen. Die Ausdehnung der mittelkaiserzeitlichen Siedlung auf den umliegenden Feldern, auf denen immer wieder zahlreiche Streufunde (Bausteine, Baukeramik, Gefäßkeramik) zum Vorschein kamen, ist noch nicht dokumentiert worden. Nach jüngsten Schätzungen soll der Siedlungsbereich eine Fläche von rund 50 ha umfasst haben. Aus dem unmittelbaren Vorfeld der Siedlung sind auf Luftbildern und im Geländerelief mehrere Straßenverläufe, zumindest eine unterirdische Wasserleitung (›Trajanswall‹) und mehrere in Gruppen angeordnete tumulusartige Strukturen – vermutlich Gräber – zu sehen.

Die Errichtung der sogenannten Ostbefestigung wird aufgrund bautypologischer Überlegungen und fortifikationstechnischer Kriterien in die Spätantike gesetzt. Sie wurde schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts großflächig freigelegt, wobei man den Verlauf der Umwehrung mit mehreren Türmen und dem Haupttor sowie größere Bereiche der Innenbebauung dokumentierte. Von der etwa 700 m entfernten Westbefestigung sind im Wesentlichen nur Teile der Umfassungsmauer bekannt. In beiden Befestigungsanlagen waren zahlreiche Inschriften des 2. und 3. Jahrhunderts als Spolien verbaut worden, die wichtige Aufschlüsse zu den Verwaltungs- und Siedlungsstrukturen des mittelkaiserzeitlichen Troesmis geben.

Eine Reihe von Anhaltspunkten spricht dafür, dass die Westbefestigung nur in byzantinischer Zeit in Benutzung stand. Neben der durch Kleinfunde, Keramik- und Münzfunde des 10.–13. Jahrhunderts belegten Siedlungstätigkeit konnten bei Notgrabungen des Jahres 1977 auf dem Plateau zwischen den beiden Befestigungsanlagen zahlreiche – wahrscheinlich mittelalterliche – Körperbestattungen freigelegt werden. Diese Beobachtungen, die im Kontext mit dem Wiederaufbau der byzantinischen Grenzverteidigung an der unteren Donau zu sehen sind, korrespondieren mit der letztmaligen Erwähnung von Troesmis in den Schriftquellen durch Kaiser Konstantin VII. (Porphyrogennetos) (De Them. 47, 17).

In der Feldkampagne 2011 wurden die noch obertägig sichtbaren Baureste der Ostbefestigung, der Westbefestigung sowie der kaiserzeitlichen Canabae legionis dokumentiert. 2012 und 2013 wurde zunächst ein Oberflächensurvey im Kernbereich der römisch-byzantinischen Stadt durchgeführt: Die Siedlungsausdehnung ließ sich mit Line Walking eingrenzen. Auf einer Fläche von ca. 2 ha erfolgte ein Rastersurvey in der Westbefestigung (mittelbyzantinisch), in der Ostbefestigung (spätantik) und in den kaiserzeitlichen Canabae, wo im Bereich einer seit den 1970er-Jahren offenen Grabungsstelle das Oberflächenmaterial aufgesammelt wurde.

Neben der Kartierung der römischen Wasserleitungsreste wurden von einem Team der Universität Innsbruck (Institut für Archäologien) auch umfangreiche geomagnetische Messungen durchgeführt, die wesentliche Aufschlüsse zur römischen Siedlung des 2. und 3. Jahrhunderts erbrachten, darunter auch der Lokalisierung des Lagers der Legio V Macedonica. Mittlerweile lassen sich sehr klar die großen Siedlungsräume Legionslager/Munizipium, Canabae und Gräberfelder trennen. Mithilfe der Geomagnetik werden konkrete Aussagen zur Struktur der Canabae-Bebauung sowie zu den Hügelgräberfeldern nordöstlich des Legionslagers möglich sein. Damit ist es am unteren Donaulimes erstmals möglich, das Umfeld der in der Regel bevorzugt untersuchten Militärlager besser zu verstehen. Die Auswertung der an der Oberfläche aufgesammelten Artefakte erlaubt auch die Rekonstruktion von Siedlungsverlagerungen in einer chronologischen Langzeitperspektive, die von der Kaiserzeit (2./3. Jh.) über die Spätantike bis in das Mittelalter reicht. Insbesondere die Ausdehnung der mehrfach befestigten mittelbyzantinischen Siedlung des 10.–13. Jhahrhunderts lässt sich auf diese Weise sehr gut nachvollziehen.