Im Jahr 2021 wird das 300-jährige Jubiläum der Seligsprechung des hl. Johannes von Nepomuk (um 1350–1393) begangen. Die außergewöhnliche Verehrung dieses Heiligen entwickelte sich im 18. Jahrhundert als außerordentlich breitenwirksames und sämtliche Bevölkerungsschichten durchdringendes Phänomen zu einem Paradebeispiel barocker Heiligenverehrung. Durch unzählige öffentliche Denkmäler, Fresken, Altarbilder und Druckgrafiken und die damit einhergehende Zurückdrängung anderer Heiliger wurde der hl. Johannes zu einer praktisch allgegenwärtigen Figur des Barockkatholizismus.
Das Forschungsvorhaben nimmt das Jubiläum zum Anlass, der nicht ausreichend untersuchten Frage nachzugehen, wie der böhmische Märtyrer im 18. Jahrhundert zu einem „Hausheiligen“ der habsburgischen Dynastie wurde und welche Rolle den unterschiedlichen Bild- und Textmedien in diesem Prozess zukam. Die von den böhmischen Eliten, Kaiser Karl VI. und den Jesuiten forcierte Selig- und Heiligsprechung (1721 und 1729) des Johannes von Nepomuk legitimierte bereits bestehende Traditionen der Verehrung und beförderte zugleich neue Kultformen. Die vom Herrscherhaus aufgegriffene, ursprünglich auf Böhmen beschränkte Verehrung bewies aufgrund unterschiedlicher, zum Teil überregional relevanter Faktoren (Marienfrömmigkeit des Heiligen) beinahe im gesamten habsburgischen Herrschaftsgebiet sowie im Heiligen Römischen Reich erstaunlich hohes Integrationspotential.
Als Wahrer des Beichtgeheimnisses und Prediger verkörperte der Prager Domherr, verstärkt durch eine meist uniforme Darstellungsweise, das Ideal eines katholischen Priesters. Gleichzeitig sind Sternenkranz und Zunge charakteristische Heiligenattribute, die zu seiner einzigartigen Profilierung in Text und Bild beitrugen. Untersucht werden daher unterschiedliche Image- und Typenbildungen in öffentlichen Monumenten und Kirchenausstattungen. Darüber hinaus nimmt das Projekt die Vielzahl von Johannes von Nepomuk-Predigten in den Fokus, um mittels qualitativer und quantitativer Auswertungen Aussagen über Vereinnahmungen durch Ordensgemeinschaften, Prediger und Predigtorte sowie inhaltliche Beziehungen zu Bildmedien treffen zu können.
Besondere Berücksichtigung finden im Projekt das latente Spannungsverhältnis zwischen regionalen und transregionalen Vereinnahmungen des Heiligen sowie dessen multiple Funktionen als Hausheiliger der Habsburger und Wittelsbacher sowie als Landespatron Böhmens. Erklärtes Ziel des Projektes ist es, jene markante Forschungslücke zu schließen, die derzeit zur dynastischen Indienstnahme des hl. Johannes von Nepomuk existiert, um auf dieser Basis die Grundlagen für eine differenzierte Sakraltopografie Ostösterreichs im 18. Jahrhundert zu erarbeiten.
Die Ergebnisse des Projekts sind in einem im Jahr 2022 erschienen umfangreichen Sammelband unter dem Titel „Die Verehrung des hl. Johannes von Nepomuk in Ostösterreich. Der Heiligenkult im Spannungsfeld von Frömmigkeitspraxis und Medialisierung“ (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde, Bd. 78) veröffentlicht worden.
Die Publikation der internationalen Tagung (2021) erschien unter dem Titel „Johannes von Nepomuk: Kult – Künste – Kommunikation“, herausgegeben von Ramona Hocker und Werner Telesko, im Verlag Hollitzer (Wien) im Jahr 2023.
Projektleitung
Mitarbeiterin
Dr. Stefanie Linsboth (Jänner 2020 bis November 2021)
Dr. Sabine Miesgang (ab Februar 2022)
Laufzeit
Jänner 2020 – Juli 2022
Finanzierung