Die Habsburgermonarchie und ihre Soldaten: Eine sozialstatistische Geschichte von unten, 1740-1820


Dieses Projekt beschäftigt sich mit einer umfassenden sozialen und kulturellen Studie, der faszinierendsten, vielfältigsten und zu Unrecht ignorierten Institution in der europäischen Geschichte: Die Armee der Habsburgermonarchie - Vom Aufstieg der Kaiserin Maria Theresia bis zum Ende der Napoleonischen Kriege. Im Mittelpunkt des Projektes stehen die weitgehend unerschlossenen Musterlisten der österreichischen Regimente. Diese Dokumente ermöglichen weitreichende Vergleiche zwischen den gesamten Streitkräften der Monarchie. Gleichzeitig geben sie sehr detaillierte Angaben über einzelne Soldaten. Das erlaubt, einen einzigartigen Einblick auf die Erfahrungen und Schicksale von Menschen zu werfen, deren Geschichten oft in konventionellen Erzählungen von Krieg und Modernisierung verloren gegangen sind. Im Mittelpunkt des Projektes steht eine große statistische Datenbank mit mehreren hunderten Musterlisten. Damit lassen sich armeeweite Zahlen über Rekrutierung, Disziplin und Herkunft der Soldaten qualitativ auswerten. Parallel dazu gibt es eine fokussierte statistische Stichprobe von tausenden Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, deren Dienstverlauf so detailliert wie möglich nachgebildet werden kann.

Diese Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden zeigt, wie sich die zusammengesetzte Natur der Habsburgermonarchie in der Führung ihrer Streitkräfte widerspiegelte. Einerseits war die Armee eine der wenigen wirklich kaiserlichen Institutionen, die zentral von Wien aus verwaltet wurde. Andererseits behielten die habsburgischen Truppen trotz anhaltender Zentralisierungsbemühungen eine erhebliche regionale Vielfalt. Zu Beispiel waren die Rekrutierungspraktiken in den österreichisch-böhmischen Erbländer ganz anders als in Ungarn. Es gab auch getrennte niederländische und italienische Militäreinrichtungen, deren Einheiten ihre eigenen Besonderheiten aufwiesen. Wenn man die unterschiedlichen Erfahrungen der habsburgischen Streitkräfte in einem einzigen analytisch-empirisch Rahmen zusammenfasst, bietet es Möglichkeiten, die politische Macht der Habsburger zu entdecken. Tatsächliche Ergebnisse der verschiedenen Verwaltungspraktiken, die die Monarchie während dieser Zeit umgesetzt hatte, können in diesem Projekt ebenso bewertet werden.

Das erste Ergebnis des Projektes ist ein umfassendes Kapitel über die Österreichische Armee, das Ilya Berkovich in Zusammenarbeit mit Michael Wenzel (Heimat- und Napoleon-Museum Deutsch Wagram) in dem Sammelband The Cambridge History of the Napoleonic Wars (unter der Leitung von Alan Forrest) publizieren wird. Das wesentlichste Argument dabei ist, dass die Habsburgermonarchie bereits vor Beginn der französischen Kriege ein voll funktionsfähiges Wehrpflichtsystem eingeführt hatte. Während Österreich Armeen aufstellen konnte, die fast so groß waren wie die, die dem revolutionären und napoleonischen Frankreich zur Verfügung standen, wurde die Kriegsfähigkeit der habsburgischen Streitkräfte durch tiefe strukturelle Mängel verhindert. Zu den wichtigsten Faktoren, die der militärischen Effektivität Österreichs schadeten, gehörten das kollektive Ethos ihrer Offiziere. Ihr geringes Einkommen, niedriges soziales Prestige und begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten ließ Gleichgültigkeit zum Militär-Professionalismus entstehen. Österreichs eventueller Erfolg während des Krieges von 1813-14 wird nicht nur auf die Diplomatie zurückgeführt. Trotz der Beschränkungen, die sich aufgrund des Schönbrunner Friedensvertrages von 1809 ergeben hatten, hat Österreich nicht nur eine große, sondern auch relativ gut ausgebildete Armee aufgebaut, die eine letztendliche Niederlage Napoleons ermöglichte.

Die im Rahmen dieser Forschung erstellten statistischen Datenbanken werden regelmäßig auf dem Online-Speicherdienst Zenodo hochgeladen. Diese öffentlich zugängliche Forschungsressource steht für jeden uneingeschränkt zur Verfügung (open access). Auf der Zenodo-Community-Webseite des Projektes werden diverse Veröffentlichungen (Poster, Aufsätze etc.) über die Geschichte der Armee in der Habsburgermonarchie publiziert. Weitere Informationen zu Forschungen zu jüdischer Geschichte in napoleonischer Zeit siehe auch das Projekt Vergessene Soldaten.

Kontakt

Dr. Ilya Berkovich


Projektlaufzeit

ab April 2020