Dynastische Handlungsspielräume in der Korrespondenz von Kaiserin Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg (1655-1720)


Frühneuzeitliche Dynastien stellen eine spezifische Ausprägung historischer Familienformen dar. Zeitgenössisch als „Haus“ oder „Geschlecht“ bezeichnet, waren Dynastien wie Verwandtschaft keineswegs überzeitliche Konstanten, sondern soziale Konstruktionsleistungen, die insbesondere auf Herrschaftssicherung und übergenerationelle Verpflichtung abzielten. Bis in die jüngere Zeit wurden Dynastien vorrangig in Verbindung mit der Entwicklung und Ausprägung von Staatlichkeit untersucht. Dieser Zugang der Rechts-, Verwaltungs- und auch der politischen Geschichte auf Dynastie und dynastische Herrschaft verstellt bis heute den Blick auf die Rolle von Frauen und nachgeborenen Söhnen in diesem Zusammenhang. Hier setzt das Projekt an, indem es das dynastische Agieren einer hochrangigen Fürstin ins Zentrum stellt:

Kaiserin Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg, die dritte Gemahlin Kaiser Leopolds I., repräsentierte und verband wie alle Fürstinnen zeit ihres Lebens zwei Familien. Ihre Korrespondenz mit ihrem Vater und ihrem Bruder bildete beinahe vier Jahrzehnte lang eine wichtige Kommunikationsachse zwischen dem Kaiserhaus und ihrer 1685 zur pfälzischen Kurwürde aufgestiegenen Herkunftsdynastie. Beide Häuser arbeiteten in dieser Zeit in reichspolitischen Belangen eng zusammen, zumal die zahlreichen Geschwister der Kaiserin geradezu als „dynastische Reserve“ (Volker Press) der Habsburger fungierten.

Das Projekt widmet sich Forschungsfragen wie den folgenden, die bisher unter anderem auf Grund der generell schlechteren Überlieferung weiblicher Korrespondenzen weitgehend unbearbeitet geblieben sind: Welche Handlungsfelder standen einer Fürstin im Kontext dynastischer Beziehungen zu? Wie und unter welchen Bedingungen konnten diese genutzt bzw. ausgefüllt werden? Wie entwickelten sich Allianzen im Anschluss an eine Eheverbindung auf längere Sicht? Wer partizipierte daran und welche Themen und Schwerpunkte lassen sich in der innerdynastischen Kommunikation festhalten? Wenn eine verehelichte Fürstin zwei „Dynastieräsonen“ bzw. Loyalitäten unterlag, welche Folgen hatte das für ihr aktives Handeln? Welche Umstände beförderten das Potential einer dynastischen Verbindung, welche verhinderten seine Umsetzung?

Basis für die Beantwortung dieser Fragen ist ein Quellenbestand, der nicht nur deutlich umfangreicher ist als alle bislang bekannten Überlieferungen zu Frauen des Hauses Habsburg, sondern der auch durch seine spezifische Prägung gerade die Untersuchung dynastischen Agierens ermöglicht: die eigenhändige Korrespondenz zwischen Kaiserin Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg und ihrem Vater Philipp Wilhelm (seit 1685 Kurfürst von der Pfalz) und ihrem ältesten Bruder Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (Kurfürst von 1690 bis zu seinem Tod 1716). Die Korrespondenz erstreckt sich über die Jahre 1677 bis 1716 und umfasst 5.300 Seiten.

Neben den bereits umrissenen Forschungsfragen ist es Ziel des Projektes, auch alle 1.151 eigenhändigen Briefe der Kaiserin in Bild und Transkription digital verfügbar zu machen. Ein ausgesuchter Teil dieser Briefe wird darüber hinaus vollständig editorisch erschlossen; alle nicht von der Kaiserin verfassten Briefe erhalten Kurzregesten. Der weitere Ausbau zur digitalen Volledition des gesamten Korrespondenzkorpus wird auf Grund von dessen Umfang erst in einem Folgeprojekt abgeschlossen werden können. Durch die Einbindung der Metadaten der edierten Briefe in Forschungsplattformen wird die internationale Sichtbarkeit der Edition und damit eines zentralen Projektergebnisses gesichert.

Kontakt

Doz. Dr. Katrin Keller (Projektleitung)  
Dr. Ines Peper
Anna Spitzbart BA MA


Projektlaufzeit

2021–2024


Finanzierung

Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF: Projektnummer P 34651


Publikationen

Die Kaiserin