Seit 2015 werden in Österreich neben den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glasmalereibeständen des Landes auch Glasgemälde des 19. und 20. Jahrhunderts dokumentiert und kunsthistorisch aufgearbeitet. Den Startschuss für diese inhaltliche Erweiterung gab das Projekt „Corpus Vitrearum – Mittelalterliche und neuzeitliche Glasmalerei in Österreich“, das als eines von acht Projekten im Rahmen des New Frontiers Research Groups Programme an der ÖAW bewilligt wurde. Mit diesem Projekt war es erstmals möglich, die seit vielen Jahren an der ÖAW verankerte Bearbeitung der mittelalterlichen Glasmalereien Österreichs fortzusetzen und um die Dokumentation der Glasgemälde nach 1800 auszuweiten. Zahlreiche wichtige Hauptwerke dieser Zeitepoche (etwa die Franzensburg in Laxenburg, die Pfarrkirche Wien-Breitensee, der Linzer Mariendom u. a.) wurden in Hinblick auf eine Vielzahl von Fragestellungen in künstlerischer, politischer, theologischer und technologiegeschichtlicher Hinsicht untersucht. Aktuell wird an Drittmittelanträgen gearbeitet, um die Fortführung der Forschungen sicherzustellen.

Die inhaltliche Erweiterung der Forschungen zur Glasmalerei vom Mittelalter bis in die Neuzeit stellt eine innovative Forschungsinitiative auf europäischer Ebene dar und reagiert zugleich auf aktuelle Entwicklungen innerhalb des „Internationalen Corpus Vitrearum Medii Aevi“ (CVMA). Dieses wissenschaftliche Unternehmen zur Erforschung und Publikation der weitgehend unbekannten und in der Literatur wenig berücksichtigten mittelalterlichen Glasmalerei wurde 1952 unter österreichischer Beteiligung gegründet und war das erste Forschungsunternehmen der Kunstgeschichte auf internationaler Basis.

Das Österreichische Nationalkomitee stellte auf der 26., an der ÖAW in Wien organisierten Tagung im September 2012 den Antrag, die wissenschaftliche Arbeit des Corpus Vitrearum auf internationaler Ebene auf Glasmalereibestände nach 1800 auszuweiten. In der Folge wurde seit 2014 in allen interessierten Mitgliedsländern an verbindlichen Richtlinien zu der Erfassung und Publikation dieser Werke gearbeitet, die schließlich auf der 28. internationalen Tagung in Troyes im Juli 2016 verabschiedet wurden.

In reduzierter Form konnten die Forschungen 2020 über ein von der Stadt Wien finanziertes Projekt unter dem Titel „Kunstproduktion im Zeitalter früher Globalisierung. Die Tätigkeit der Tiroler Glasmalereianstalt in Wien um 1900“ fortgeführt werden. Im Fokus standen die Kunstwerke der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck, die seit 1861 im Speziellen für Wien geschaffen wurden. Die kunst- und kulturgeschichtlichen Untersuchungen konnten die Strategien der Tiroler Glasmalerei-Werkstatt aufzeigen, die es ihnen erlaubten, im Wettbewerb mit der Konkurrenz in der Habsburgermonarchie in einer Zeit wirtschaftlicher und kultureller Globalisierung zu bestehen.

Parallel dazu wird an den Corpusbänden zu den mittelalterlichen Glasgemälden der Steiermark (Teil 2–3, Admont bis Vorau) gearbeitet.