Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, im Rahmen einer vergleichenden Analyse die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen jesuitisch geleiteten Bruderschaften im Wiener Raum seit den 1570er Jahren bis 1773 zu untersuchen. Der Jesuitenorden (1551 kamen die ersten Jesuitenpatres nach Wien) setzte diese sogenannten marianischen Kongregationen gezielt als praktischen und medialen Rahmen für die von ihm propagierten religiösen Inhalte ein. Vorrangiges Ziel der vom Jesuitenorden geleiteten Bruderschaften war es, den katholischen Glauben der jesuitischen Gymnasiasten und Studenten sowie der gesamten Bevölkerung zu stärken, wobei eigene Kongregationen bzw. Sodalitäten für Schüler und Studenten und andere für größere Teile der Gläubigen gegründet wurden. Es gab drei Arten von Kongregationen: Lateinische Studentenkongregationen, städtische Kongregationen und Todesangst-Christi-Sodalitäten. Der Großteil der insgesamt vierzehn belegten Kongregationen in Wien wählte Maria als Schutzpatronin. Dies lässt sich sowohl aufgrund der Marienverehrung innerhalb des Jesuitenordens, als auch in Bezug zur Pietas Mariana des Hauses Habsburg erklären, dem die Gesellschaft Jesu sehr nahestand.

Bruderschaften versammelten sich regelmäßig, sorgten für die Armen und standen ihren Mitgliedern in den letzten Stunden vor dem Tod bei bzw. übernahmen auch die Begräbnisse der verstorbenen Sodalen, veranstalteten Aktivitäten in der Karwoche wie Fußwaschungen am Gründonnerstag oder den Aufbau Heiliger Gräber sowie Prozessionen und Wallfahrten. Kongregationen hatten zudem eigene Altäre in den Jesuitenkirchen und eigene Räumlichkeiten für Versammlungen. Im Zuge des Projektes sollen die genannten Räumlichkeiten der Sodalitäten lokalisiert und näher untersucht werden. Mitgliedsbücher, Aufnahmezettel, Gebetbücher, Wallfahrtsbücher und Regeln zeugen von deren Tätigkeit und Organisation. Erhalten sind beispielsweise Manuale, die neben Statuten auch Gebete und Litaneien enthalten. Die Verwendung von Titelkupfern in einigen Handbüchern ist ein Beispiel für die Bildproduktion, die es näher zu untersuchen gilt. Mitgliedsbücher, die die Namen der Sodalen anführen, wurden zum Teil kostbar gestaltet und geben zudem wertvolle Einblicke in das Netzwerk aller Beteiligten, das ebenfalls durchleuchtet werden soll.

Während das Bruderschaftswesen bereits aus historischer Perspektive beleuchtet wurde, steht eine kunsthistorische Aufarbeitung des Themas mit Blick auf den Wiener Raum und im Speziellen auf den Jesuitenorden noch aus. Zum Vergleich werden auch Bruderschaften anderer Orden und Kirchen herangezogen. Der Untersuchungszeitraum beginnt mit den Gründungen der jesuitisch geleiteten Kongregationen in Wien Anfang der 1570er Jahre und endet mit der Aufhebung des Ordens im Jahr 1773. Da viele der Räumlichkeiten heute nicht mehr existieren, lassen sie sich nur noch über Bild- und Schriftquellen erschließen, deren Analyse daher viel Bedeutung innerhalb des Projektes beigemessen wird. Eines der Hauptanliegen ist es, anhand der genannten Quellen die Frömmigkeitspraxis der Kongregationen einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Der angestrebte Vergleich von Bruderschaften in Wien trägt zu einem tieferen Verständnis der Komplexität religiöser Frömmigkeitspraktiken innerhalb von Kongregationen und ihrer Rolle bei der Gestaltung des religiösen, sozialen und kulturellen Lebens der Wiener Bevölkerung bei. Damit wird das Forschungsprojekt den wissenschaftlichen Diskurs über frühneuzeitliche Frömmigkeitspraktiken bereichern.