DINARKVIR befasst sich mit der Diversität von Geschlecht und Sexualität in den Gesellschaften des westlichen Balkan vor Beginn der tiefgreifenden Modernisierung im zwanzigsten Jahrhundert. Das Projekt wirft ein neues Licht auf das Leben und die Alltagspraktiken regionaler nicht-binärer Menschen (tobelijas, auch bekannt als "sworn virgins") und gleichgeschlechtlich liebender Personen, indem es schriftliche historische Quellen (männliche pobratimi und weibliche posestrime) untersucht.

Das Projekt konzentriert sich in erster Linie auf frühe südslawische und deutschsprachige ethnografische Materialien (Ethnografien, Reiseberichte, Tagebücher, Missionsberichte). Ziel ist es, Fälle von tobelijas und pobratimi/posestrime zu identifizieren und die Lebensumstände dieser Personen weiter zu erforschen, indem ihre Alltagsrealitäten anhand regionaler Archive (Zagreb, Belgrad, Sarajevo, Cetinje, Zadar) rekonstruiert werden.

Neben der Verbreitung der Projektergebnisse über Kanäle, die spezifische Disziplinen erreichen, wird sich die Kommunikation auf die untersuchten Gesellschaften (Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien) konzentrieren, um die lokalen Traditionen zu beleuchten, in denen nicht-heterosexuelle Mitglieder der Gemeinschaft sichtbar waren und respektiert wurden.

Beide Phänomene wurden in frühen südslawischen Ethnographien ausführlich dokumentiert, ohne dass Sexualität, Geschlecht oder Gender erwähnt wurden.

Die Studie wird von der Hypothese geleitet, dass die vormodernen Geschlechterkategorien im dinarischen Raum nicht binär konstruiert waren und dass die Existenz von tobelijas die Existenz einer dritten Kategorie im Geschlechtersystem bestätigt, die nicht unbedingt "dazwischen" angesiedelt ist und die ideologische Gegenüberstellung von Geschlecht und Sex entkoppelt. Die zweite Ebene der Hypothese zielt darauf ab, die Existenz gleichgeschlechtlicher Liebe in vormodernen ländlichen Gemeinschaften anhand von Ritualen der Verbrüderung zu untersuchen, die sowohl von tobelijas als auch von Mönchen, Heiducken und der einfachen Landbevölkerung praktiziert wurden.

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Göttingen durchgeführt.

Kontakt

Dr. Robert Pichler (Supervision)
Dr. Milorad Kapetanović (Projektleitung)


Laufzeit

1. April 2022 – 31. Marz 2024 (24 Monate)


Projektpartner

Dr. Čarna Brković


Finanzierung

Dieses Projekt wurde vom Marie Skłodowska Curie Actions im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union finanziert (grant agreement No 101032413).