Das Projekt „Corpus Vitrearum – Glasmalerei in Österreich vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert“ ist seit dem 1. Juni 2022 ein am IHB angesiedeltes Langzeitprojekt der ÖAW. Es wird im Rahmen des internationalen Forschungsvorhabens Corpus Vitrearum durchgeführt, dessen Ziel die gründliche fachliche Erfassung von historischen Glasmalereien vom Mittelalter bis in die Gegenwart auf der Grundlage gemeinsamer und verbindlicher Richtlinien ist. Aktuell zählt Corpus Vitrearum vierzehn aktive Mitgliedsstaaten weltweit, darunter auch Österreich, das 1952 ein Gründungsmitglied war. Das Großprojekt ist dem Comité International d'Histoire de l'Art (CIHA) anvertraut und steht seit 1956 unter der Schirmherrschaft der Union Académique International (UAI).

Das Langzeitprojekt Corpus Vitrearum an der ÖAW fokussiert sich auf die österreichischen Glasmalereibestände vom Mittelalter bis zur Neuzeit, wobei auch dislozierte Objekte in die Bearbeitung fallen, die entweder zu einem späteren Zeitpunkt in internationale Sammlungen abgewandert sind oder von österreichischen Glasmalereiwerkstätten für den europäischen und globalen Markt geschaffen wurden. In methodischer Hinsicht wird eine Vielzahl von historischen und kunsthistorischen Fragestellungen untersucht (Baugeschichte, Stifter, historischer Kontext, Künstler*innen, Stil, Datierung, Ikonographie). Die über die Bearbeitung gewonnenen Erkenntnisse zu Fragen der Erhaltung, Materialität und Technik der dokumentierten Kunstwerke liefern unter Berücksichtigung der Archivalien sowie der Analyse künstlerischer Detailformen zugleich einen wichtigen Beitrag für die Praxis der Restaurierung und damit für die österreichische Denkmalpflege. Somit trägt das Projekt ganz wesentlich zum Erhalt des kulturellen Erbes Österreichs bei.

Zur Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse nützt Corpus Vitrearum verschiedene Disseminationskanäle. Die untersuchten Standorte und Objekte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, deren Erforschung nach den internationalen Richtlinien des Corpus Vitrearum erfolgt, werden in den Buchreihen von Corpus Vitrearum Medii Aevi (CVMA) und CV Neuzeit publiziert, um die Bearbeitung von österreichischer Seite zu einem Abschluss zu bringen.

Die Ergebnisse zu den Glasmalereien des 19. und 20. Jahrhunderts sollen in Zukunft primär über eine neu zu konzipierende und aufzubauende online Forschungs- und Publikationsplattform Verbreitung finden. Das darin gespeicherte Open Data-Fotomaterial versteht sich zugleich als Beitrag zur Langzeitsicherung des kulturellen Erbes.

Zur Zeit wird die Drucklegung des sechsten österreichischen Corpus Vitrearum Medii Aevi-Bandes zu den mittelalterlichen Glasmalereien der Steiermark vorbereitet. Parallel dazu werden die Forschungen zur Glasmalerei des 19. und 20. Jahrhunderts fortgeführt, wobei aktuell die Glasmalereibestände der Tiroler Glasmalereianstalt in Innsbruck im Fokus der Betrachtung stehen. Dazu gehören einerseits die Fenster des Linzer Mariendoms, die seit 2021 etappenweise im Zuge einer zehnjährigen Großkampagne restauriert werden, andererseits Glasmalereien, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von Innsbruck aus den Atlantik in Richtung Nordamerika überquerten, um die dort neu errichteten Sakralgebäude im so genannten Munich Style zu zieren.