Eliten, Herrschaft und Repräsentation (1790-1835)


Das heutige Erscheinungsbild Wiens und ein erheblicher Teil seiner touristischen Attraktion sind von Gebäuden, Gärten und Sammlungen geprägt, die in ihrer Entstehung mit der höfischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts verbunden sind. Im Gegensatz zum Wiener Hof des Barock und der Zeit Maria Theresias ist jedoch über den kaiserlich-österreichischen Hof vor allem der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wenig bekannt. Funktionierte er nach den gleichen Regeln wie 100 Jahre früher? Waren es die gleichen Familien aus den gleichen Ländern der Monarchie, die hier präsent waren? Nutzten die Habsburger dieser Zeit, also vor allem Kaiser Franz II./I. und Kaiser Ferdinand I., die gleichen Zeremonien zur Repräsentation, hatten sie dabei das gleiche Publikum vor Augen wie Kaiser Karl VI. drei Generationen früher? Und vor allem: Welche Rolle spielten der Herrscher und sein Hof innerhalb der Habsburgermonarchie? Waren sie angesichts sozialen und wirtschaftlichen Wandels nur noch eine Reminiszenz an frühere Zeiten? Angesichts der Tatsache, dass Europa insgesamt bis 1918 von Monarchien geprägt war, darf man davon ausgehen, dass Herrscher und Hof durchaus mehr waren als Relikte einer glänzenden Vergangenheit, dass sie eine Funktion im sich langsam wandelnden politischen System des sogenannten bürgerlichen Zeitalters hatten.

Das Projekt will erstmals für Wien diesen und ähnlichen Fragen nachgehen, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung in der in ganz Europa so unruhigen Napoleonischen Zeit und den Jahren bis 1835 liegen wird. Die Französische Revolution hatte fürstliche Herrschaft zwar grundlegend in Frage gestellt, aber im Gegensatz zu vielen fürstlichen Zeitgenossen waren die Habsburger in ihrer Herrschaft nie wirklich gefährdet gewesen. Änderte sich trotzdem in dieser Zeit etwas an ihrem Rückhalt unter den adligen Eliten der einzelnen Länder? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir mit einem möglichst umfassenden Verzeichnis aller Amtsträger und Amtsträgerinnen des Wiener Hofes bis 1835 beitragen. Dieses soll als Bestandteil einer größeren Datenbank zum Wiener Hofpersonal allen Interessierten frei zugänglich gemacht werden.

Im Rahmen von Huldigungen zum Regierungsantritt und von kaiserlichen Hochzeiten wurde traditionell in festlicher Form das Verhältnis zwischen Herrscher, Dynastie und Volk dargestellt, Verbundenheit bekräftigt. Auch hier ergibt sich die Frage, ob in der Zeit nach Revolutionen und Wiener Kongress, in der Zeit, als Eisenbahnen gebaut und Fabriken gegründet wurden, sich hier Neues abzeichnete: Neue Formen der gegenseitigen Versicherung von Beistand und Treue, neue Festlichkeiten, Nachdenken über neue Zeiten? Diesen und ähnlichen Fragen will das Projekt nachgehen, um am Ende ein präziseres Bild zeichnen zu können von der Rolle des Wiener Hofes in und für die Habsburgermonarchie zwischen Französischer Revolution und Biedermeier.

Kontakt

Doz. Dr. Katrin Keller (Projektleitung)
Dr. Markus Jeitler
Mag. Christian Standhartinger


Projektlaufzeit

2020–2024


Finanzierung

Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF: Projektnummer P 33221