Leopoldsberg , Karte
Text: Marion Gollner
Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde am Leopoldsberg das so genannte „Heimkehrer-Gedächtnismal“ errichtet, das am 12. September 1948 feierlich eingeweiht wurde. Nicht nur das Datum der Enthüllung, das eine direkte Bezugnahme zur Belagerung Wiens 1683 ermöglichte, sondern auch die Entscheidung, das Denkmal am Leopoldsberg zu errichten, dienten mitunter dazu, eine Parallele zwischen früherer Belagerung und aktueller Besatzung zu ziehen. An Stelle der ‚Türken‘ von damals repräsentierten nun die sowjetischen Besatzer die „Bedrohung aus dem Osten“.
Ein Denkmal auf historischem Boden
Die Initiative zur Errichtung eines „Heimkehrer-Gedächtnismales“ ging von der Bundesleitung der Heimkehrerhilfs- und Betreuungsstellen der ÖVP und deren Leiter Alois Fleischmann im Jahr 1948 aus (vgl. Klambauer 2006: 58). Dieser hatte – wie es in der Urkunde zur Grundsteinlegung heißt – „den Gedanken gefasst, den Gefühlen des Dankes der aus Krieg und Kriegsgefangenschaft glücklich Heimgekehrten an das Vaterland sowie dem Gedächtnis aller Opfer der Front und Heimat durch die Gestaltung eines sichtbaren Zeichens Ausdruck zu verleihen“.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Platzwahl entschied man sich schließlich für den Leopoldsberg. Auch der damalige Rektor der dortigen Kirche, Vinzenz Oskar Ludwig, unterstützte dieses Vorhaben. War doch der Leopoldsberg in seinen Augen nicht nur „historischer Boden“, sondern „für alle Wiener, ja für alle Österreicher eine Oertlichkeit, in der sich die Geschichte unseres Volkes und Landes gleichsam verkörpert. Sie ist eine Bühne, auf der die Gestalten der Vorzeit in unserer Erinnerung lebendig werden“ (Ludwig/Boba 1949: 9).
Nachdem der erste Entwurf, der ein 18 Meter hohes Gedenkkreuz vorsah, vom Bundesdenkmalsamt aus ästhetischen Gründen abgelehnt wurde, reichte das Denkmalskomitee der ÖVP-Heimkehrerorganisation am 28. Juli 1948 einen neuerlichen Plan ein, der vom österreichischen Bildhauer Mario Petrucci gestaltet wurde. Dieser wurde dann überraschend schnell in die Tat umgesetzt (vgl. Ludwig/Boba 1949: 23f. bzw. Klambauer 2006: 73f.).
Als Aufstellungsort wurde das runde Turmfundament der einstigen Burganlage auf dem Leopoldsberg gewählt, die nach wie vor im Besitz des Chorherrenstiftes Klosterneuburg war und von diesem kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Nach Fertigstellung sollte das Denkmal „als ein mit der Bergkirche als Heimkehrerkirche ideell und lokal in Verbindung stehendes Kunstwerk“ wieder in den Besitz und die Obhut des Stiftes übergehen (vgl. Klambauer 2006: 74).
Grundsteinlegung durch Leopold Figl
Am 4. August 1948 erfolgte die Grundsteinlegung für das „Heimkehrer-Gedächtnismal“, bei der eine von Alois Gieler angefertigte und von allen beteiligten Personen unterzeichnete Urkunde von Bundeskanzler Leopold Figl im Beisein zahlreicher Vertreter aus Politik, Medien und Kirche in eine eigens dafür vorbereitete Nische eingemauert wurde. Interessanterweise nahm Figl bereits im Rahmen dieser Feier Bezug auf jenes bevorstehende Jubiläum, das für die spätere Enthüllung des Denkmals ausgewählt wurde. Er betonte, „daß dieses Mahnmal auf einer historischen Stätte erstehe, von der aus schon einmal Oesterreich errettet worden sei. In wenigen Wochen werden es 265 Jahre sein, daß vom Leopoldsberg aus Oesterreich befreit und der Menschheit Europas Frieden, Freiheit und Menschlichkeit wiedergegeben werden konnten.“ (Wiener Tageszeitung 05.08.1948: 3) Die Wahl fiel also nicht zufällig auf den 12. September, sondern war vor dem Hintergrund der aktuellen Lage – Österreich war zu diesem Zeitpunkt immer noch von den Alliierten besetzt – Teil einer bewussten politischen Inszenierung.
Den Ehrenschutz für die Errichtung des Denkmals übernahmen neben Bundeskanzler Figl auch Nationalratspräsident Leopold Kunschak, Generalabt Propst Alipius Linda sowie weitere Minister und Vertreter des Landes Niederösterreich (vgl. Ludwig/Boba 1949: 32).
Der von Mario Petrucci vorgelegte Entwurf sah vier im Halbkreis angeordnete Nischen mit Steinplatten vor, die neben dem bereits vorhandenen Tor in die bestehenden Mauerreste der alten Burganlage integriert werden sollten. Folgende Inschriften wurden in die Steinplatten eingraviert: „Dem Vaterland der Heimgekehrten Dank – Den Opfern schwerster Notzeit Gottes Frieden – Für kommende Geschlechter ernste Mahnung! – Herr mach uns frei um deines Namen willen!“ Den Abschluss des Denkmals bildete ein fünf Meter hoher Pylon aus Steinquadern, der von einer Opferschale aus Stein (später aus Kupfer) bekrönt wurde. Bei festlichen Anlässen sollte in dieser Schale eine Flamme entzündet werden, die – ähnlich wie die damaligen Keidfeuer – in das ganze Land hinausleuchten sollte (vgl. Ludwig 1952: 21).
Feierliche Einweihung am 12. September 1948
Nach einer Bauzeit von nur wenigen Wochen wurde das „Heimkehrer-Gedächtnismal“ im September 1948 fertig gestellt. Neben Mario Petrucci, der den Entwurf für das Denkmal geliefert hatte, waren folgende Personen an der künstlerischen wie bautechnischen Leitung des Projekts beteiligt: Ing. Franz Czernilofsky, Ing. Gustav Aufhauser, Kunstschlossermeister Johann Sommer, Ing. Hans Aue, Ing. Alois Musil und Alois Gieler.
Da die letzten Vorbereitungsarbeiten bereits am Donnerstag, dem 9. September, abgeschlossen waren, wurde mit dem feierlichen Rahmenprogramm bereits einen Tag vor der offiziellen Enthüllungsfeier am 12. September begonnen. Zu diesem Zweck wurde am Abend des 11. September „ein malerisches Feuerwerk“ am Leopoldsberg entzündet, das beinahe von ganz Wien aus zu sehen war. Damit sollte eine direkte Parallele zur angespannten Lage des Jahres 1683 gezogen werden, als „Bomben, Höhenfeuer und Raketen […] vor genau 265 Jahren den von der Türkengefahr bedrohten Wienern die Ankunft des Entsatzheeres [verkündeten].“ (Wiener Tageszeitung 11.09.1948: 5)
Die Hauptfeierlichkeiten begannen am 12. September, dem 265. Jahrestag der Befreiung Wiens 1683, um 09:15 Uhr mit einem Festzug vom Kahlenberg zum Leopoldsberg, wo Generalabt Alipius Linda auf dem inneren Burgplatz eine Feldmesse feierte. Der Rektor der Leopoldskirche, Vinzenz Oskar Ludwig, hielt dabei die Festpredigt (vgl. Wiener Tageszeitung 11.09.1948: 5 bzw. 14.09.1948: 5). Bei der Enthüllung des Denkmals wurde ein Gemälde von Sepp Jahn, das „den Kreuzweg der Heimkehrer“ darstellt, als Altarbild verwendet (vgl. Wiener Tageszeitung 11.09.1948: 5).
Nach der Ansprache von Bundeskanzler Leopold Figl, die den Höhepunkt der Feierlichkeiten darstellte, ließen die rund zehntausend Besucher und Besucherinnen den Nachmittag „bei Tanz, Spiel und Sport in bester Laune“ ausklingen (Wiener Tageszeitung 14.09.1948: 5).
Österreich – erstes Opfer Hitler-Deutschlands?
Österreich – erstes Opfer Hitler-Deutschlands?
In seiner Rede zur Enthüllung des „Heimkehrer-Gedächtnismales“, die auszugsweise in der Wiener Tageszeitung vom 14. September abgedruckt wurde, mahnte Bundeskanzler Figl dazu, „die Jahre des Leidens“ nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und bezeichnete Österreich in Anspielung auf die Moskauer Deklaration von 1943, die die Wiederherstellung der österreichischen Souveränität nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Aussicht gestellt hatte, als „das erste von Hitler vergewaltigte Land“ (Wiener Tageszeitung 14.09.1948: 1). Dementsprechend sollte „jeder, der in späterer Zeit an dem österreichischen Gedächtnis- und Mahnmal auf dem Leopoldsberg vorübergeht, […] an die Zeit erinnert werden, da Oesterreich gezwungen war, für eine fremde Herrschaft zu leiden.“ Für die Untermauerung dieser Opferthese, die jegliche Eigenverantwortung bzw. Mitschuld an den Gräueln des nationalsozialistischen Terror-Regimes leugnete, bot sich der Rückgriff auf frühere Bedrohungsszenarien wie die Belagerungen Wiens 1683 an, auch wenn Figl dies in seiner Rede am Leopoldsberg nicht explizit sagte. Der 12. September als Tag der Denkmalsenthüllung und der in der kollektiven Erinnerung eindeutig konnotierte Leopoldsberg reichten aber bereits aus, um die dahinterliegende Botschaft zu verstehen: So wie es Österreich damals gelungen war, die Bedrohung aus dem Osten (in Gestalt ‚der Türken‘) erfolgreich abzuwehren, so sei es nun das vorrangige Ziel, die Souveränität Österreichs wiederzuerlangen und die fremden Besatzer zu vertreiben.
Obwohl Österreich sich offiziell als erstes Opfer Hitler-Deutschlands inszenierte, wurde nicht etwa der Nationalsozialismus per se als Bedrohung dargestellt, sondern – wie der Historiker Karl Klambauer betont – die Besatzungsmacht aus dem Osten:
Im Rückgriff auf ständestaatliche Muster der Feindbildübertragung wurde die kommunistische Sowjetunion zu jener ‚grausamen Macht‘, die Wien und Europa bedrohe. Die historisch realen Befreier des Jahres 1945 erschienen nun 1948 in den Gedenkreden auf dem Leopoldsberg und dem Kahlenberg als Bedrohung und Besatzer. (Klambauer 2006: 71)
Um den Entstehungskontext des „Heimkehrer-Gedächtnismales“ am Leopoldsberg und die damit transportieren anti-kommunistischen Botschaften besser verstehen zu können, ist es wichtig, einen Blick auf die weltpolitische Lage nach 1945 zu werfen. Während das nach wie vor besetzte Österreich zu diesem Zeitpunkt von einer ÖVP-SPÖ-Koalitionsregierung regiert wurde, spitzte sich der Ost-West-Konflikt weiter zu und erreichte mit der Blockade Berlins (vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949) und dem kommunistischen Februarumsturz in Prag (1948) einen vorläufigen Höhepunkt. Vor diesem Hintergrund „konnten jene, die im politischen oder gedenkkulturellen Diskurs den im österreichischen Geschichtsbild eingeprägten Topos von der ‚Gefahr aus dem Osten‘ ausriefen, mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß dieses überlieferte Bedrohungsszenario von der österreichischen Öffentlichkeit vor allem im antisowjetischen Sinne interpretiert werde“, so Klambauer (2006: 72).
Parallelen zur Feier am Kahlenberg – „Wer sind die Türken von heute“?
Nicht nur am Leopoldsberg, sondern auch am zweiten Wiener Hausberg, dem Kahlenberg, wurden am 12. September 1948 Feierlichkeiten zum Gedenken an den Entsatz von Wien 1683 abgehalten. Bundeskanzler Figl hielt auch dort eine Ansprache, in der er die Schlacht vom 12. September als „gewaltige Manifestation europäischen Gemeinschaftsbewußtseins“ bezeichnete. Österreich habe sich damals entschlossen, „dem Ansturm auf Europa nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch durchgedrungen von der Überzeugung standzuhalten, daß es gelte, das Abendland vor dem Untergang in den Wellen einer grausamen, seinem Wesen fremden Macht zu retten“. (Das Kleine Volksblatt 14.09.1948)
In Reaktion auf diese Ansprache wurde in der Wiener Tageszeitung „Der Abend“ am 13. September 1948 ein durchaus kritischer Kommentar veröffentlicht, der gleich zu Beginn die zentrale Frage stellte: „Wer sind die Türken von heute?“ Von all den gezogenen Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart hätte Bundeskanzler Leopold Figl „mit einem unfehlbaren Sinn für den rhetorischen Wert der Banalität“ den „billigsten Vergleich“ gezogen, heißt es weiter. Auch wenn ein Bundeskanzler nicht im Stande sei, zu jeder Frage ein sachverständiges Urteil abzugeben, so stelle sich doch die Frage, warum „Kanzlerreden nur mit abgedroschenen Phrasen bestritten werden“. Zudem fügte der Autor des Artikels hinzu, dass die Walze durch Wiederholung auch nicht besser werden würde: „Wien als vorgeschobener Posten der vom Osten bedrohten abendländischen Zivilisation. Wer kennt das nicht?“.
Im Vergleich zu Leopold Figl, der in seiner Rede die Opferrolle Österreichs weiter betonte, fanden die übrigen Redner klarere Worte. So meinte etwa Legationsrat Tykocinsky von der polnischen Gesandtschaft in Österreich: „Die abendländische Zivilisation war in den letzten Jahren von niemand anderem als von dem deutschen Nationalsozialismus bedroht, und die Befreierarmeen, die Wien im Jahr 1945 retteten, kamen aus dem Osten.“ (Der Abend 13.09.1948: 2) Bürgermeister Körner erinnerte zwar an den Zusammenhalt der Wiener, betonte jedoch zugleich, dass die „berühmte ‚europäische Schicksalsgemeinschaft‘ gegen die Türkengefahr eine Geschichtslüge“ sei, „da Frankreich und Preußen nicht dabei waren, als König Sobieski mit seinem gemischten Entsatzheer vor den Mauern Wiens erschien“ (ebd.). Der Historiker Otto Forst-Battaglia ging in seiner Argument noch einen Schritt weiter und meinte, dass „der damalige Westen, verkörpert im Frankreich des Sonnenkönigs“ nicht nur nicht anwesend war, sondern die Osmanen „insgeheim unterstützte“ (ebd.).
Wer sind die Opfer, wer die Täter?
Für den Historiker Karl Klambauer, der sich in seiner Dissertation mit der Gedenkkultur zu Widerstand und Krieg nach dem Zweiten Weltkrieg auseinander gesetzt hat, ist das „Heimkehrer-Gedächtnismal“ am Leopoldsberg auch deshalb problematisch, weil es neben der Tabuisierung des Nationalsozialismus symbolisch für jene widersprüchliche „Opfer-Täter-Dichotomie“ (Klambauer 2006: 59) steht, die den österreichischen Nachkriegsdiskurs rund um die Waldheimaffäre prägte.
Zur Untermauerung dieser These bezieht er sich unter anderem auf eine Textpassage von Viktor Matejka, die in der „Österreichischen Volksstimme“, der Tageszeitung der kommunistischen Partei Österreichs nach 1945, am 31.10.1948 veröffentlicht werden sollte. Der ehemalige KZ-Häftling Matejka, der als Kommunist 1938 nach Dachau deportiert wurde, war zu diesem Zeitpunkt amtierender Stadtrat für Kultur und Volksbildung und kritisierte in mehreren Publikationen die Intention des Heimkehrer-Denkmals am Leopoldsberg. In diesem ursprünglichen Entwurf war zu lesen, dass das Denkmal am Leopoldsberg „nicht für die Heimkehrer, die ein blutiger Terror aus Österreich in die ganze Welt vertrieben hatte“ errichtet worden war, sondern von gerade jenen Heimkehrern, „die jahrelang auf der verkehrten Seite, jedenfalls nicht für die Freiheit Österreichs gekämpft hatten“. In der veröffentlichten Ausgabe des Artikels hieß es in etwas abgeänderter Version, dass die Heimkehrer die Kosten von 40 000 Schilling für ein „verkapptes Kriegerdenkmal“ besser in den Wiederaufbau der Leopoldskirche investiert hätten, „die in der gleichen Zeit zerstört wurde, als sie vor ihrer Heimkehr auf der verkehrten Seite kämpften und dazu indirekt beitrugen, daß die Kirche auf dem Leopoldsberg zerstört wurde.“ (Der Abend 18.09.1948: 8)
Daher überrascht es wenig, dass weder die Konzeption des „Heimkehrer-Gedächtnismales“ noch die dazu verfasste Gedenkschrift einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus aufweist. Denn auch dort heißt es:
Am Ende des ersten Weltkriegs war aus dem zertrümmerten Kaiserstaat an der Donau die Republik Österreich hervorgegangen. Kaum zwanzig Jahre später bestand das kleine Österreich nicht mehr. Auf sich allein gestellt, in schwerster Notzeit von aller Welt verlassen, war es nach jahrelangem Ringen um die Erhaltung seiner Freiheit und Unabhängigkeit im Strudel politischer Geschehnisse untergegangen. In den Märztagen des Jahres 1938 wurde das kleine Land gegen seinen Willen besetzt, zu einem Bestandteil des Deutschen Reiches erklärt und noch mit seinem Namen aus dem Buche der Geschichte ausgelöscht. (Ludwig/Boba 1949: 18)
Dieses Festhalten an der Opferthese bei gleichzeitiger Tabuisierung bzw. Leugnung der eigenen Beteiligung an den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges hatte sowohl interne als auch externe Gründe: Einerseits sollte damit auf außenpolitischer Ebene die Legitimation für die angestrebte Unabhängigkeit Österreichs gegenüber den Alliierten erbracht werden. Andererseits bemühten sich die politischen Parteien angesichts der bevorstehenden Wahlen im Jahr 1949 auch um die Stimmen der ehemaligen Nationalsozialisten und heimgekehrten Soldaten, die in das politische System der Zweiten Republik integriert werden sollten (vgl. Klambauer 2006: 65).
Somit spiegelt das Heimkehrerdenkmal am Leopoldsberg in gewisser Weise jene widersprüchliche Haltung wieder, die im Österreich der Nachkriegszeit vorherrschte: „Zum einen betonte das offizielle Österreich seine antinazistische Identität, verwies auf den österreichischen Widerstand und stellte Staat und Gesellschaft als historisches Opfer des deutschen Nationalsozialismus dar; zum anderen bedienten sich politische und gesellschaftliche Repräsentanten besonders im Zuge von Krieger- und Gefallenenehrungen oft einer Rhetorik, die die ehemaligen Wehrmachtssoldaten nicht so sehr als Opfer, sondern als ‚Helden‘ legitimierte.“ (Klambauer 2006: 235f.)
Christliche Symbolik und Opfermythos
Die „multifunktionale Kodierung“ (Klambauer 2006: 69) des Heimkehrer-Denkmals am Leopoldsberg hat jedoch auch eine religiöse Komponente. Nicht nur der alttestamentarische Psalm „Herr mach uns frei um deines Namen willen“, der auf die Zerstörung Jerusalems durch Heiden Bezug nimmt, sondern auch eine kleine Plastik in Gestalt eines Phönix, der aus der Asche aufersteht, entsprechen jener heilsgeschichtlichen Deutung, welche das Festhalten an der Opferthese ebenso ermöglichte wie die indirekte Formulierung anti-kommunistischer bzw. –sowjetischer Ressentiments (vgl. Klambauer 2006: 68f.). Das Österreich der Nachkriegszeit sollte aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges als „katholisches Land, als Hort traditionaler römisch-katholischer Identität“ wiederauferstehen, um „als souveräner Staat eine christliche, abendländische Barriere gegen den atheistischen Kommunismus im Osten zu bilden“ (ebd.: 69).
Ähnliche Botschaften finden sich auch in der von Vinzenz Oskar Ludwig (Rektor der Kirche am Leopoldsberg) und Theodor Boba (Pressereferent der Heimkehrerhilfsorganisation der ÖVP) verfassten Gedenkschrift zur „Erinnerung an die Enthüllung und Einweihung des Heimkehrer-Gedächtnismales“, die gewissermaßen symbolisch für die ideologische Zweckgemeinschaft zwischen Kirche und Politik steht. Neben einem gewissen Pathos in der Wortwahl sind es vor allem die religiös konnotierten Illustrationen des Künstlers Sepp Jahn, der bereits das Altarbild für die feierliche Einweihung angefertigt hatte, die eine Parallele zwischen der Opferbereitschaft und dem Leidensweg Jesu Christi und den Soldaten bzw. Heimkehrern des Zweiten Weltkriegs suggerieren. Besonders das Bild mit dem Titel „Heimkehrer“ (Ludwig/Boba 1949: 25), das Jesus Christus am Kreuz inmitten einer Gruppe verletzter bzw. unterernährter Heimkehrer zeigt, transportiere Karl Klambauer zufolge die Botschaft, „daß die Soldaten der Deutschen Wehrmacht im Dienste eines legitimen christlichen Kampfes gestanden seien. Darin ist nicht nur allein ein generalisierender Schuldbefreiungs- bzw. Schuldfreiheitsanspruch enthalten, sondern auch die spezifische (An)Deutung, die den nationalsozialistischen Angriffskrieg gegen die kommunistische Sowjetunion als einen christlichen Kampf gegen einen unchristlichen Feind erklärt.“ (Klambauer 2006: 65)
Gleichzeitig erfolgte mit der Errichtung des „Heimkehrer-Gedächtnismales“ am Leopoldsberg ein Rückgriff auf frühere Konzepte, die den Leopoldsberg als „Akropolis von Wien“, „Österreichs Weihestätte“ oder nationale Ruhmesstätte in Szene setzten wollte. So hatte Richard von Kralik bereits anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Entsatzes von Wien eine gigantische Ruhmeshalle am Leopoldsberg geplant, die jedoch ebenso wenig realisiert wurde wie ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, das vom Architekten Friedrich Ohmann unter dem Motto „Leopoldsberg 1683“ eingereicht worden war. Die teils versteckten, teils offensichtlichen Botschaften dieser Denkmalsprojekte haben – trotz unterschiedlicher historischer Kontexte und politischer Konstellationen – gemeinsam, dass sie immer auch Bezugnahmen zur Belagerung Wiens 1683 herstellten und so aktuelle Legitimations- bzw. Machtansprüche ableiteten.
Neues Jubiläum, neue Inschriftentafel
35 Jahre nachdem das „Heimkehrer-Gedächtnismal“ am Leopoldsberg auf den Tag genau 265 Jahre nach der siegreichen Entsatzschlacht gegen die Osmanen eingeweiht worden war, erfolgte anlässlich des 300-jährigen Jubiläums eine weitere Aktualisierung der Erinnerung. Am 22. Oktober 1983 wurde vom „Heimkehrerverband Österreichs“, also von derselben Organisation, die auch das Denkmal von 1948 initiiert hatte, eine ergänzende Steintafel an der Innenseite der Burgmauer angebracht. Diese sollte der Inschrift zufolge „an die mehr als 200.000 Kriegsgefangenen und Verschleppten, die in fremder Erde ruhen“ sowie an jene, die „in letzten großen Transporten 1953 und 1955 aus dem Osten nach Österreich zurück[kehrten]“ erinnern. Damit wurde die Intention des „Heimkehrer-Gedächtnismales“, die auf Papier niedergeschrieben 1948 bei der Grundsteinlegung in das Denkmal eingemauert worden war, sichtbar gemacht und mit Zahlen konkretisiert. Auch wenn es nicht der 12. September war, an dem die Tafel angebracht wurde, so spricht doch der Umstand, dass dafür das Jahr 1983, das ganz im Zeichen des Papstbesuchs und des Österreichischen Katholikentages stand, ausgewählt wurde, für sich.
Seit der Schließung des Gastronomiebetriebes im Jahr 2007 verfällt das Areal auf dem Leopoldsberg zusehends. Sowohl die Kirche als auch die Burganlage sind aufgrund von Restaurierungsarbeiten, die immer wieder verschoben wurden, bereits seit Jahren nicht mehr öffentlich zugänglich (vgl. Wiener Zeitung 10.08.2012)
Literatur
Literatur
Der Abend (13.09.1948): Geschichtsdiskussion auf dem Kahlenberg, 2.
Klambauer, Karl (2006): Österreichische Gedenkkultur zu Widerstand und Krieg. Denkmäler und Gedächtnisorte in Wien 1945-1986. Innsbruck.
Ludwig, Vinzenz Oskar (1957): Die Leopoldskirche in Wien. München/Zürich.
Ludwig, Vinzenz Oskar (1952): Der Leopoldsberg. Österreichs Weihestätte. Wien.
Ludwig, Vinzenz Oskar/Boba, Theodor (1949): Heimkehrer-Gedächtnismal. the Erinnerung an die Enthüllung u. Einweihung des Heimkehrer-Gedächtnismales auf dem Leopoldsberg am 12. Sept. 1948. Wien.
Matejka, Viktor (31.10.1948): Geschichte eines Denkmals. In: Österreichische Volksstimme.
Matejka, Viktor (1948): Kleine Geschichte eines Denkmals. In: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)/Mat. Mahnmal.
Matejka, Viktor (18.09.1948): Unangenehme Notizen – Ein neues Denkmal. In: Der Abend, 8.
Wiener Tageszeitung (11.09.1948): Kreuzweg der Namenlosen – Enthüllung des Heimkehrer-Gedächtnismales auf dem Leopoldsberg, 5.
Wiener Tageszeitung (14.09.1948): Gedenken und Mahnung. Aus der Kanzlerrede zur Enthüllung des Heimkehrer-Gedächtnismales, 1.
Wiener Tageszeitung (14.09.1948): Das Heimkehrermal enthüllt. Feierliche Einweihung – Froher Nachmittag bei Spiel und Tanz, 5.
Wiener Tageszeitung (05.08.1948): „Den Heimkehrern zur Lehr“ – Der Kanzler legt den Grundstein zum Mahnmal auf dem Leopoldsberg, 3.
Wiener Zeitung (10.08.2012): Plan B für Leopoldsberg?, 20.09.2020.