Vatikan Stadt, Karte
Text: Anna Ziemlewska, Simon Hadler
Der historistische Maler Jan Matejko schuf anlässlich des 200. Jahrestages des Entsatzes von Wien sein flächenmäßig größtes Werk. „Sobieski bei Wien“ misst etwa 4,6 x 9 m und zeigt den polnischen König Jan III. Sobieski als triumphierenden Sieger, der an Papst Innozenz XI. die Nachricht vom Ausgang der Schlacht senden lässt. Auch das Gemälde sollte eine Botschaft übermitteln: Zuerst ließ es Matejko in Wien ausstellen, damit auch dort die Verdienste Sobieskis im Jahr 1683 anerkannt würden. Danach verfügte er, das Bild dem Vatikan zu schenken, um an den Einsatz Polens für die Christenheit zu erinnern. Dort, im Sala Sobieski, befindet es sich noch heute.
Ein Gemälde als Botschafter Polens
In Krakau wurden die Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Wiener Schlacht mit dem 25. Jubiläum der künstlerischen Arbeit von Jan Matejko, einem der bedeutendsten Vertreter der polnischen Geschichtsmalerei, zusammengelegt. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Künstler die Ehrenbürgerschaft der Stadt Krakau verliehen und in den Kemenaten des Wawel-Schlosses eine Ausstellung seiner Werke eröffnet. Zur Überraschung der meisten Anwesenden verkündete Matejko, er wolle das eben erst fertiggestellte Gemälde „Sobieski pod Wiedniem“ („Sobieski bei Wien“) Papst Leo XIII. im Namen der polnischen Nation zum Geschenk machen. Diese Geste erinnerte an die Gaben, die Jan III. Sobieski 200 Jahre zuvor nach Rom geschickt hatte, sie führte allerdings auch zu Meinungsverschiedenheiten unter den Polen. Viele von ihnen meinten, dass das Werk in Krakau bleiben sollte. Es war beabsichtigt, das Gemälde dem Künstler „für nationale Zwecke“ abzukaufen, und es in dem neueröffneten Nationalmuseum auszustellen. Die Entscheidung Jan Matejkos durchkreuzte diese Pläne.
Der polnischen Öffentlichkeit wurde das Bild nur fünf Tage lang in den Krakauer Sukiennice (Tuchhallen) präsentiert. Anschließend wurde das Bild auf Kosten eines Künstlers nach Wien gebracht und im Saal der Gartenbau-Gesellschaft ausgestellt. Dort betrachtete es u.a. Kaiser Franz Joseph. Im Dezember 1883 kam das Gemälde im Vatikan an, wo es in den Vatikanischen Museen untergebracht wurde. Dort kann es bis heute im Sala Sobieski betrachtet werden. In Krakau (im Jan-Matejko-Haus, einer Außenstelle des Nationalmuseums) blieb die Skizze „Jan III. Sobieski wręcza kanonikowi Denhoffowi list do papieża z wiadomością o zwycięstwie nad Turkami pod Wiedniem w 1683 roku“ („Jan III. Sobieski überreicht dem Kanoniker Denhoff einen Brief an den Papst mit der Nachricht vom Sieg über die Türken bei Wien im Jahre 1683“) (1880), die sich allerdings in Größe und Komposition von der endgültigen Version des Bildes unterscheidet. (Rożek 2008: 105–107)
Beschreibung des Bildes
Beschreibung des Bildes
Jan Matejko hatte sich bereits lange vor dem Jahr 1883 mit Jan III. Sobieski beschäftigt. Seit 1859 fertigte er eine Reihe von Skizzen und Gemälden zu diesem Thema an, ehe er in knapp einem Jahr Arbeit sein monumentales Werk vollendete. Im Zentrum des Bildes „Sobieski bei Wien“ sieht man den König auf seinem Pferd in dem Moment, als er dem Kanoniker Jan Denhoff die Nachricht vom Sieg übergibt, die dieser Papst Innozenz XI. überbringen soll. An seiner Seite ist sein Sohn Jakub zu erkennen, hinter ihm die polnische Kavallerie mit Fahnen und den Flügeln der Husaren. Links von ihm sind u.a. Herzog Karl V. von Lothringen, Graf Starhemberg und Bischof Kollonitsch vor dem Hintergrund des Panoramas Wiens zu sehen. Auf der anderen Seite sind der Kahlenberg sowie türkische Zelte zu erkennen, davor polnische und deutsche Feldherren, etwa Kurfürst Georg III. von Sachsen und Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern. Zwischen dieser und der zentralen Gruppe um Sobieski hält der Kapuzinermönch Marco d’Aviano ein wundertätiges Marienbild in den Händen. Zu Füßen der Krieger liegen die Opfer des Kampfes neben sich ergebenden osmanischen Kämpfern und Beutestücken, die – wie etwa die Fahne des Propheten – für den Abtransport nach Rom vorbereitet werden.
Reaktionen der Wiener Presse
Reaktionen der Wiener Presse
Es war Matejko ein besonderes Anliegen, mit seinem monumentalen Gemälde in Wien für Aufmerksamkeit zu sorgen. Dies gelang ihm unter anderem dadurch, dass in den ersten Tagen kein Geld für den Eintritt in den Ausstellungssaal verlangt wurde. So konnte nicht nur jeder Wiener bis hinauf zum Kaiser das Bild betrachten, auch die Presse widmete sich dem Werk und fällte darüber sehr unterschiedliche Urteile. So veröffentlichte das deutschliberale Neue Wiener Tagblatt am 13. September eine sehr wohlwollende Besprechung des Bildes:
(Matejko’s Sobieski Bild) im Gartenbausaale zieht seit gestern Morgens Schaaren von Besuchern und, sagen wir nur gleich, von Bewunderern an. Das Gemälde, welches den Entsatz von Wien zum Gegenstande hat, reiht sich den bedeutendsten Historienbildern unserer Zeit ebenbürtig an. […] Matejko hat mit seinem Werke dem polnischen Heldenkönig ein würdiges Denkmal gesetzt und durch die Ausstellung desselben den Wienern eine Freude bereitet, für die sie ihm zu hohem Danke verpflichtet sind. (Neues Wiener Tagblatt 13.9.1883: 4)
Sechs Tage später folgte ein weiterer Text zu dem Gemälde. Auch diesmal wurde das Werk fast durchwegs gelobt, einzig die religiöse Komponente wurde als befremdlich empfunden. Die Rezension enthielt auch eine Spitze gegen die polnische Gemeinschaft in Wien, deren wichtigster Vertreter, der Vizepräsident des Herrenhauses Fürst Constantin Czartoryski die Teilnahme an den Wiener Feiern verweigert hatte:
Fürst Czartoryski hat zwar erklärt, bei der Säkularfeier Wiens sei sein Platz in Krakau, aber Matejko’s Sobieski ist in Wien, und damit sind wir reichlich entschädigt. Genießen wir also den Sobieski in Wien, bevor er nach des Künstlers unerforschlichem Rathschluß in einem Gemache des Vatikans eingesperrt wird. Und genießen können wir ihn auch voll und ganz, wenn es uns gleich räthselhaft bleiben mag, wie Matejko seinen Sobieski in dem großen Augenblicke, da er sein Heldenwerk vollbracht, eben an nichts anderes denken lassen konnte, als an den Papst.
Hätte der polnische Künstler seinen Heldenkönig dargestellt, wie er von den befreiten Bürgern Wiens umjubelt, von seinen deutschen Mitstreitern begrüßt und beglückwünscht, den Triumph-Einzug in Wien hält: gewiß, unser historisches und menschliches Gefühl wäre dadurch unmittelbarer berührt worden, als durch den Anblick der Siegesdepesche und der Beutestücke, die der König an den Papst absendet. Doch, wir wollen mit dem Künstler nicht rechten, der sich nicht mit einem einfachen Historienbild begnügen, sondern auch zugleich ein religiöses Bild schaffen wollte. (Neues Wiener Tagblatt 19.9.1883: 1)
Ganz anders beurteilte die liberale Neue Freie Presse das Werk Matejkos. Sie zeigte sich enttäuscht über die künstlerische Qualität der Arbeit und gab der altersbedingten Sehschwäche des Künstlers die Hauptschuld daran:
Das Bild hat gar keine Tiefe und ist in Bezug auf Luftperspective das allerschwächste, was Matejko geschaffen; […] So hat also auch das Gemälde in Bezug auf seine geistige Conception keinen rechten innerlichen Halt, und es zerfällt wie coloristisch auch in Bezug auf die Figuren in Einzelheiten, welche eine der andern weh thun, statt sich gegenseitig zu heben. Zum Malen gehört eben ein gesundes Auge, und namentlich, wenn es sich um ein so weitläufiges Bild handelt, ist ein Seh-Organ erforderlich, das im Stande ist, ein räumlich sehr ausgedehntes Ganzes zu überblicken. (Neue Freie Presse 16.9.1883: 6)
Am Ende der Besprechung zitierte der Autor noch aus der von Matejkos Sekretär Maryjan Gorzkowski verfassten, im Ausstellungssaal aufgelegten Begleitbroschüre. Das pathetische Lob vergangener Tugenden im „Polenlande“, die im Gegensatz zu den politischen Intrigen, der „kalten Berechnung der irdischen Natur“ und den „ökonomischen und finanziellen Operationen“ der Gegenwart stünden, war dem Verfasser des Artikels aber dann doch ein noch größeres Gräuel als das Gemälde: „Nein, einen solchen Erläuterer hat Matejko trotz alledem und alledem nicht verdient.“ (ebd.)
Die silberne Kopie des Bildes von Matejko – „Sobieski bei Wien“
In Krakau befindet sich neben der Skizze des Gemäldes „Sobieski bei Wien“ auch eine silberne Kopie des Werkes von Matejko. Sie wurde im Jahre 1883 von Artur Potocki bestellt und war für das Antependium des Hauptaltars in der Kathedrale bestimmt. Das Kunstwerk von Józef Hakowski (1834–1897) entstand im Jahr 1888 und wurde der Öffentlichkeit in der Gesellschaft der Freunde der Bildenden Künste in Krakau und der Gesellschaft zur Förderung der Bildenden Künste in Warschau präsentiert. Am Anfang des 20. Jahrhundert wurde die Silbertafel in die das Presbyterium umgebende Wand eingemauert. (Rożek 2008: 108)
Literatur
Literatur
Neue Freie Presse (16.9.1883): Matejko’s „Sobieski vor Wien“.
Neues Wiener Tagblatt (13.9.1883): Matejko’s Sobieski Bild, 4.
Neues Wiener Tagblatt (19.9.1883): Sobieski in Wien, 1f.
Rożek, Michał (2008): Zwycięstwo Jana III Sobieskiego pod Wiedniem. Echa wiktorii, Kraków.