Waidhofen a. d. Ybbs, Karte
Text: Simon Hadler
In der Umgebung Waidhofens a. d. Ybbs werden zwei Marterln mit den Ereignissen im September 1532 in Zusammenhang gebracht. Damals kam es zu mehreren Zusammenstößen zwischen osmanischen Reitertruppen und ausfallenden Einwohnern Waidhofens, woran heute auch noch der Stadtturm erinnern soll.
Die Legende von der „Türkenbefreiung“
Die Legende von der „Türkenbefreiung“
Im Jahr 1532 durchzogen Abteilungen leichtbewaffneter osmanischer Reitersoldaten (Akindschi) weite Teile Niederösterreichs und kamen auch in die Nähe Waidhofens. Die Stadt war gut befestigt und ein Angriff äußerst unwahrscheinlich. Dennoch unternahmen die Einwohner mehrere Ausfälle und vertrieben die wiederholt in der Umgebung lagernden Osmanen. Auf diese Art konnte einiges an Beute gemacht und Gefangene befreit werden. Allerdings forderte die Angriffslust der Waidhofner auch große Opfer, da die Akindschi bei ihrer Flucht viele ihrer Geiseln töteten. Vor allem Ende des 19. und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erinnerte man dennoch der damaligen Einwohner als „Helden der Heimat“ – so der Titel eines Theaterstücks, das 1932 anlässlich der 400-Jahr-Feier auf die Bühne gebracht wurde.
Das Marterl in Gstadt
In der Nähe Waidhofens, im Opponitzer Ortsteil Gstadt, befindet sich ein als Türkenmarterl bezeichneter Bildstock. Er steht an der Ybbsitzer Straße, vor dem Gelände der Firma Bene, in jener Umgebung, wo einst die Auseinandersetzungen stattgefunden haben sollen. Der Bildstock besteht aus einer gewölbten Säule mit Tabernakelaufsatz, das spitz zulaufende Dach wird von einem Patriachenkreuz abgeschlossen, an der Straßenseite ist eine Laterne angebracht. (Ecker 2005: 87)
Hinter dem schmiedeeisenen Gitter sieht man ein Bild, das 1932 vom Künstler Fritz Tippl (1874–1945) geschaffen wurde. Es sind darauf die wehrhaften Einwohner zu sehen, wie sie in den Himmel schauen, wo die hl. Dreifaltigkeit in Form des Sonntagberger Gnadenbilds leuchtet und darunter der Schriftzug „Großer Gott, wir loben dich“ zu lesen ist. Die Wiedereinweihung – nach einer Renovierung und der Neugestaltung des Tabernakelbildes durch Tippl – fand am 23. September mit musikalischer Begleitung und mit Beteiligung des Kameradschaftsvereines und den örtlichen Honoratioren statt. (Bote von der Ybbs 23.9.1932: 5)
Des Weiteren sind an dem Tabernakelaufsatz zwei Tafeln montiert, wobei nicht bekannt ist, seit wann diese bestehen. Auf jener an der linken Seite steht geschrieben:
9. u. 10. Sept. 1532
Es war in diesen schweren Schicksalstagen
Und alles Volk begann schon zu verzagen.
Das Ybbstal und die Stadt Waidhofen waren
So arg bedroht von schrecklichen Gefahren.
Da standen auf der Heid’ die Türkenhorden,
Voll Gier, bereit zu brennen und zu morden.
Der Himmel rettete uns aus der Not.
Schütze uns stets vor Unheil und Gefahr –
Allmächtiger und ewiger Gott
Die Tafel auf der rechten Seite enthält folgenden Text:
Schon brannten die Höfe
Ringsum auf den Höh’n
Schon sah’ man Ybbsitz in Flammen aufgeh’n.
Viel hundert gefangene Christenleut’
Sie starben ermordet hier auf der Heid!
Da machten die Hammerschmiede sich auf,
Und Bauern und Bürger im mutigen Hauf’
Sie schlugen den Feind in die Flucht,
Zur Stund’ – denn Gott der Herr
War mit ihnen im Bund.
Die „Deutsche Heimat“ pflegt die Erinnerung
Der Lokalhistoriker Edmund Frieß schrieb in seiner heroisierenden Gedenkschrift zum 400-Jahr-Jubiläum davon, dass das Marterl aus dem 18. Jahrhundert stamme. (Frieß 1932: 185) Es wurde mehrmals renoviert, unter anderem im Jahr 1907 auf Initiative des in Wien ansässigen Vereins „Deutsche Heimat“. Im Zuge dessen wurde das Denkmal auch von einem niedrigen Zaun eingefasst, wie er leicht verändert noch heute besteht. Der Verein ließ neben dem Bildstock auch einen Gedenkstein anbringen, der jedoch heute nicht mehr existiert. (Lustig 1907: 226) Über den Inhalt der Inschrift und den Verbleib des Steins ist nichts bekannt. Der Verein bemühte sich im Übrigen auch auf andere Art und Weise um eine Aktualisierung der Erinnerung an den Konflikt mit den Akindschi. Man plante, im Jahr 1907 in Waidhofen ein „Türkenfest“ zu veranstalten. Zwar stieß diese Idee anfangs auf großes Interesse in der Gemeinde, doch vor allem organisatorische Gründe vereitelten das Projekt. (Bote von der Ybbs 23.2.1907: 5)
Dem Bildstock widmete der bereits genannte Edmund Frieß auch ein Gedicht, welches im Vereinsblatt der „Deutschen Heimat“ unter dem Titel „Das Türkenmarterl bei Waidhofen a. d. Ybbs“ abgedruckt wurde:
Ein Marterl klein und ohne Zier
Steht als Zeuge entschwundener Zeit
Wie ein stummer Mönch, der stets sucht sein Brevier,
Auf Kreilhofs weitwogiger Heid’.
Es fesselt nicht des Wanderers Blick.
Wie soll denn der Fremdling ahnen,
Daß hier ein Grab an das andere sich schließt,
Wenn kein Wort ihm kündet Ermahnen?
Vom Haufe gerissen durch Türkenhand,
Gefangen als Muselmanns Knechte,
Sahen sie wieder der Freiheit Land,
Als der Sensenmann pocht um sein Rechte.
Der Krummsäbel brachte den tödlichen Hieb,
Doch damit die erlösende Stunde.
Die Ybbs rauschte Segen, der Sturm heulte mit.
Dann Stille trat ein in der Runde.
Am Grasberg brach sich des Feindes Gewalt.
Aufhörte der Türken Sengen.
Des Feindes Faust war zu locker geballt;
Sie widerstand nicht Waidhofens Söhnen. (Frieß 1909: 186)
Ein zweites Marterl in Kreilhof
Ebenfalls an der Ybbsitzer Straße, jedoch einen guten Kilometer näher an Waidhofen, an der Brücke in Kreilhof, steht ein weiterer Bildstock. Auch dieser besteht aus einer gewölbten Steinsäule mit einem Tabernakelaufsatz. (Ecker 2005: 85) In diesem befindet sich ein hinter einem Gitter verborgenes Bild der hl. Dreifaltigkeit – erneut in Anlehnung an das Sonntagberger Gnadenbild – und auf den seitlichen Flächen zwei Tafeln mit gereimten Erklärungen. Das Kupferdach wird von einem liegenden Halbmond mit einem sechszackigen Stern gekrönt. Der Text der Inschrift auf der rechten Seite des Aufsatzes lautet:
9. u. 10. Sept. 1532
Hier wurden in
argen Schreckenstagen,
die Senger und Brenner,
der Türken geschlagen,
Von tapferen Schmieden,
von Bauern und Bürgern.
Und Tal und Stadt,
befreit von den Würgern.
Gelobt sei Gott in all Ewigkeit,
Der uns so gnädig ist gestanden zur Seit.
Die Tafel an der linken Seite trägt folgende Inschrift:
O Wanderer!
Bleib hier besinnlich steh’n.
Bedenke das Große,
das hier gescheh’n.
Gebe eiserne Stärke,
mit heroischen Mut.
Die einst ihres Volkes wegen,
gaben Leben und Gut.
Bewahrten vor’m Zugriff,
der Türkenbanden,
und ihren Angriffen
machten zu Schanden.
Über die Geschichte des Marterls, das im Zuge des Baus der Ybbstaler Straße um 100 Meter stadtauswärts versetzt wurde (Ecker 2005: 85), ist nichts bekannt.
In der Umgebung Waidhofens befinden sich noch eine ganze Reihe weiterer Wegkreuze und Marterln. Deren Herkunft ist selten genau zu bestimmen, doch ist ein Zusammenhang mit den Ereignissen des Jahres 1532 zumeist sehr unwahrscheinlich. Im Zuge von Recherchen stellte aber Eva Zankl vom Stadtarchiv in Waidhofen fest, dass in der Bevölkerung viele dieser Denkmäler noch heute mit dem damaligen Konflikt verbunden werden.
Literatur
Literatur
Almer, Friedrich (1983): Bilddokumente unserer Heimat (Serie 7). In: Waidhofner Heimatblätter. 9. Jg. 51–56.
Bote von der Ybbs (23.2.1907): Nr. 8 (22. Jg.): Türkenfest in Waidhofen a. d. Ybbs. 5.
Bote von der Ybbs (23.9.1932): Nr. 38 (47. Jg.): Wiedereinweihung des Heldenmales auf dem Krailhofer Felde. 5.
Ecker, Josef (2005): Denk-Mal am Wegrand. Sakrale Kleindenkmäler in der Stadtpfarre Waidhofen an der Ybbs. Waidhofen an der Ybbs.
Frieß, Edmund (1909): Das Türkenmarterl bei Waidhofen a. d. Ybbs. In: Deutsche Heimat. Blatt für deutsche Heimatkunde und Heimatschutz in Österreich. Nr. 17/18. 4. Jg. 186.
Frieß, Edmund (1932): Die Osmanenabwehr von Waidhofen a. d. Ybbs und ihr Zusammenhang mit den Grundlagen der städtischen Bürgergemeinde. Gedenkworte zur 400-Jahr-Feier der Akindschivertreibung im Jahre 1532. Waidhofen a. d. Ybbs.
Lustig, Karl (1907): Das Türkenkreuz. (Ein Denkmal auf der Krailhofer-Wiese nächst Waidhofen a. d. Ybbs.) In: Deutsche Heimat. Blatt für deutsche Volkskunde und Kulturgeschichte in Österreich. Nr. 19/20. 2. Jg. 226.