Klosterneuburg, Karte
Text: Simon Hadler
Mit dem 250. Jahrestag der Befreiung Wiens von der osmanischen Belagerung feierte man 1933 in Klosterneuburg auch die damit in Zusammenhang stehende erfolgreiche Verteidigung der eigenen Stadt. Von der örtlichen Urania ging zu diesem Anlass die Initiative zum Bau eines Denkmals aus, woraus am Ende mit Verspätung der Türkenbrunnen an der Hundskehle in heutiger Gestalt hervor ging.
Die Erinnerung an die Verteidigung Klosterneuburgs vor 1933
Im Zuge der Zweiten Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1683 war auch Klosterneuburg von Angriffen osmanischer Truppen betroffen. Während die umliegenden Siedlungen und die Untere Stadt schwere Schäden erlitten, konnte die Obere Stadt und das Stift verteidigt werden. In dem zeitgenössischen Bericht des Kupferstechers Johann Martin Lerch werden als dafür hauptverantwortliche Personen der Laienbruder Marzellin Ortner, der Priester Wilhelm Lebsaft und der Oberst Donat Heißler genannt (Lerch 1684). Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diesen Personen verstärkt Aufmerksamkeit zuteil und in Form von Texten und Bildern wurde die Erinnerung an die Ereignisse von 1683 aktualisiert. Es ist daher durchaus überraschend, dass im Jahr 1883, als in anderen Städten – allen voran in Wien – das 200-Jahr-Jubiläum mit großem Aufwand begangen wurde, in Klosterneuburg im Wesentlichen keine Feierlichkeiten veranstaltet wurden.
Ein Denkmal soll errichtet werden
Ein Denkmal soll errichtet werden
Im Jahr 1933 jährten sich der Entsatz Wiens und die Verteidigung Klosterneuburgs zum 250. Mal und nun sollte dieses Jubiläum auch hier gefeiert werden. Schon zu Beginn des Jahres veröffentlichte die Neue Klosterneuburger Zeitung einen Aufruf der örtlichen Urania und des Vereins für Landeskunde und Heimatschutz von Niederösterreich an die Bevölkerung, sich an der Errichtung einer Gedenktafel zu beteiligen:
250 Jahre sind seither verflossen und kein Denkmal der Erinnerung an jene bangen Tage und ihre heldenmütigen Verteidiger findet sich in unserer Stadt, das der Nachwelt Zeugnis geben könnte von den tapferen Taten derjenigen, die unsere Stadt vor der gänzlichen Vernichtung bewahrten. (Neue Klosterneuburger Zeitung 14.1.1933: 1)
In der Anfangsphase der Initiative war noch von einem „schlichten Denkmal, in Form einer Votivtafel“ (ebd.) die Rede. Bevor man sich schlussendlich auf einen Brunnen als Gedenkstätte festlegte, standen offenbar unterschiedliche Ideen zur Diskussion. So findet sich in der Neuen Klosterneuburger Zeitung auch die Leserzuschrift eines Direktors Ignaz Falkensteiner. Dieser schlägt vor, einen Promenadenweg vom Kahlenberg nach Klosterneuburg zu bauen. Dadurch sollten zum einen die Besucher des Kahlenbergs, die gerade im Jubiläumsjahr in großer Zahl kommen sollten, auch nach Klosterneuburg geführt werden. Zum anderen könne das Nützliche auch mit dem Schönen verbunden werden:
Auf den Ruheplätzen dieses „Türkenweges“ sollten alle diese Klosterneuburger Helden, welche sich um die Verteidigung der Stadt verdient gemacht haben, in entsprechender Aufmachung, etwa Relief ihrer Tat [sic!], verewigt werden. (Neue Klosterneuburger Zeitung 21.1.1933: 6)
Am Ende sollten weder die Votivtafel noch der Türkenweg zur Ausführung gelangen. Man einigte sich stattdessen auf den Entwurf des studierten Bildhauers Bruno Wozak (1903–1944) für einen Brunnen an der Hundskehle auf dem Weg in die Obere Stadt. Relativ spät, nämlich am 12. August, ergeht der Aufruf an die Bevölkerung, sich an den Kosten zu beteiligen:
Klosterneuburger! Helft mit, dieses Denkmal zu errichten! Spendet euer Scherflein zu diesem edlen Zweck, damit das Werk, würdig unserer Stadt zum Zeichen unserer Dankbarkeit an unsere ruhmreichen Verteidiger und zur Ehre unserer heimischen Künstler, entstehen möge! Die Zeit drängt, am 9. September dieses Jahres soll das Denkmal enthüllt werden! Spendet, spendet! (Neue Klosterneuburger Zeitung 12.8.1933: 1)
Es wurde schließlich nicht der 9. September, sondern der 17., an welchem zumindest der Grundstein für den Brunnen gelegt werden sollte. Und es kam auch nicht der Entwurf Bruno Wozaks zur Ausführung, sondern eine deutlich kostengünstigere Variante.
Geplante und realisierte Türkenbrunnen
Der ursprüngliche Entwurf von Bruno Wozak sah eine Steinmauer mit einem in der Mitte plazierten Relief vor. Dieses stellte in stilisierter Weise die drei als heldenhafte Verteidiger tradierten Ortner, Lebsaft und Heißler dar. Darunter befand sich in Form einer Halbschale das Wasserauffangbecken. Links und rechts vom Relief sollten die Jahreszahlen 1683 und 1933 zu lesen sein, während an der Steinmauer Seitenwände mit erklärenden Inschriften vorgesehen waren. Vermutlich lag es an den Kosten, dass der Entwurf Wozaks nicht realisiert wurde (Stadtgemeinde Klosterneuburg 1983: 115). Auch eine Bausteinaktion, bei welcher Postkarten mit dem Motiv des Türkenbrunnen-Modells verkauft wurden, brachte nicht genügend Geld ein. Es gilt dabei natürlich zu bedenken, dass auch Klosterneuburg zu dieser Zeit sehr unter der allgemeinen Wirtschaftskrise und den politischen Konflikten litt. Ein Leitartikel der Neuen Klosterneuburger Zeitung brachte die Nöte und den Heldenmut im Jahr 1683 in Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation:
Der Feind, der jetzt wieder vor unseren Toren steht, der drohende Winter mit seinen wirtschaftlichen Nöten, kann nur, ebenso wie der Türkensturm vor einem Vierteljahrtausend, gemeinsam abgewehrt werden. Dessen wollen sich manche Herren wohlweislich besinnen! (Neue Klosterneuburger Zeitung 16.9.1933: 1)
Das zweitgereihte Modell für den Türkenbrunnen stammt von der Firma Eidherr (Franz Eidherr und Söhne) und fiel bereits weit bescheidener aus. Es sah nur mehr einen plastischen Türkenkopf anstelle des aufwendigen Reliefs vor (Stadtgemeinde Klosterneuburg 1983: 115). Doch auch dieser Entwurf wurde nicht realisiert und es kam schließlich zur noch heute bestehenden Variante eines Türkenkopfs von Theo Henning. Auch die Seitenwände wurden nicht realisiert, stattdessen befindet sich nun folgende Inschrift über dem Türkenkopf aus Kupfer:
ZU BLEIBENDEM
GEDENKEN
AN DIE HELDENMÜTIGE
VERTEIDIGUNG
UNSERER STADT IN
TÜRKENNOT
1683 1933
Das Modell des Brunnens von Robert Wozak befindet sich heute im Stadtmuseum Klosterneuburg, ebenso wie eine Zeichnung des Türkenkopfs von Franz Eidherr. Auch der tatsächlich realisierte Kopf hat keine einfache Geschichte hinter sich. Längst ist es nicht mehr das Original, welches an der Hundskehle zu sehen ist, sondern ein Abguss eines im Stadtmuseum ausgestellten Exemplars. Nach mehreren Diebstählen, etwa im Jänner 1995, wurde veranlasst, für eine diebstahlsichere Anbringung zu sorgen (Stadtarchiv Klosterneuburg: Huber).
Die Grundsteinlegung
Die Grundsteinlegung
Am 17. September 1933 war es dann soweit, der 250. Jahrestag der Verteidigung Klosterneuburgs und die Grundsteinlegung des Türkenbrunnens wurden feierlich begangen. Nach einem Pontifikalamt in der Stiftskirche (Reichspost 18.9.1933: 5) begann die Inszenierung des Festaktes mit einem Konzert der Stadtkapelle am Rathausplatz. Von dort zogen dann die Vertreter einer Vielzahl von Gruppierungen und Vereinen in Richtung Hundskehle. Unter den Anwesenden befanden sich Abordnungen der Behörden, der Wirtschaft, des Militärkommandos und des Stifts. Mit Standarten und Fahnen marschierten der Kriegerverein, der Bund ehemaliger Deutschmeister, der Kameradschaftsverein, die Heimwehr und die Ostmärkischen Sturmscharen und verliehen so der Veranstaltung einen militärischen Charakter. Auch die Israelische Kultusgemeinde und die Evangelische Gemeinde entsandten ihre Vertreter.
Der Schauplatz der Grundsteinlegung an der Hundskehle war in einem noch unfertigen Zustand. Zumindest war die Betonwand bereits errichtet und mit Blumen und Laub geschmückt worden. Die umliegende Fläche war wenigstens schon planiert, anstelle der für die Zukunft geplanten Gartenanlage schmückten Zierpflanzen das Gelände.
Um 11:00 Uhr eröffnete die Stadtkapelle mit Beethovens „Ehre Gottes“ die eigentliche Zeremonie. Dann begrüßte Bürgermeister Rudolf Kautek das „vielhundertköpfige Publikum“ und erinnerte implizit daran, dass die Verehrung historischer Figuren zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls in der Gegenwart dient:
In der Stunde, wo dem Andenken einer Heldenzeit der Stadt ein steinernes Mal gesetzt werde, müsse alles Trennende beiseite stehen und der Alltag der Weihe des Augenblicks weichen. (Neue Klosterneuburger Zeitung 23.9.1933: 1)
Dem Bürgermeister folgte der Obmann der Urania Heinrich Weil. Er ging zuerst ausführlich auf die eigene Institution ein, ehe er auf die Verdienste der Verteidiger von 1683 zu sprechen kam:
Sie haben Glauben und Heimat geschirmt, sie haben Weib und Gut geschützt; aber sie haben noch weit mehr getan: wäre Klosterneuburg, seit Jahrhunderten die Vorburg Wiens, gefallen, so wäre es wohl um den Entsatz der Hauptstadt schlimm bestellt gewesen; wäre aber Wien in die Hände der Türken geraten, so wäre zum mindesten Süddeutschland ein Stück Balkan geworden und um Jahrhunderte in Sitte und Kultur zurückgeworfen worden. Klosterneuburgs Bürger haben daher mitgeholfen, Wien und Österreich zu befreien, Deutschland zu schirmen und Mitteleuropas Kultur zu erhalten. (ebd.: 2)
Nun folgte, in Begleitung einer Ehrensalve, die Versenkung einer Urkunde, auf welcher der Anlass der Denkmalerrichtung beschrieben, sowie die Initiatoren und wichtigsten Geldgeber genannt wurden. Noch einmal richtete Bürgermeister Kautek das Wort an die Anwesenden und ermahnte besonders die Jugend, „in diesem Denkmal das Zeichen vorbildlicher Liebe zu Gott und Heimat zu sehen und es jenen Helden gleichzutun, die das Leben für das Vaterland in die Bresche schlugen.“ (ebd.)
Das Ende fand die Veranstaltung in einem Defilee der anwesenden Abteilungen am Rathausplatz.
Informationen zu 1683 abseits des Türkenbrunnens
Neben dem Höhepunkt der Grundsteinlegung zum Türkenbrunnen wurde das Jubiläumsjahr auch von einigen weiteren Veranstaltungen und schriftlichen Publikationen begleitet. So lud die Urania Klosterneuburg am 22. Mai zu einem Lichtbildvortrag des Leiters der örtlichen Zweigstelle des Vereins für Landeskunde und Heimatschutz Niederösterreich Ferdinand Hoßfeld über den „Edlen Ritter“ (Neue Klosterneuburger Zeitung 20.5.1933: 2) Prinz Eugen mit musikalischer Begleitung. Derselbe Festredner trat bei einer weiteren Veranstaltung der Urania am 9. Oktober auf. Neben dem Vortrag wurden auch Lichtbilder gezeigt, zeitgenössische Bilder ausgestellt und ein von der Vaterländischen Tonfilmgesellschaft gedrehter Bericht über die zurückliegende Klosterneuburger Feierlichkeit vorgeführt. (Neue Klosterneuburger Zeitung 7.10.1933: 2)
Die lokale Presse, namentlich die Neue Klosterneuburger Zeitung, veröffentlichte im Laufe des Jahres eine Reihe von Artikeln zu den Geschehnissen des Jahres 1683. Für eine Chronologie der Ereignisse (Neue Klosterneuburger Zeitung 20.5.1933: 4) bediente sie sich ebenso wie für ein Porträt Marzellin Ortners (Neue Klosterneuburger Zeitung 10.6., 17.6., 24.6.1933) an bereits publizierten Texten des Chronisten Viktor Ludwig. Auch im alle zwei Monate erscheinenden Tullner Gau widmete man sich dem Thema mit einem Text des schon genannten Ferdinand Hoßfeld. Er endet mit dem Aufruf, das Denkmal möge „nicht an der Teilnahmslosigkeit der Gegenwart scheitern.“ (Hoßfeld 1933: 29)
Schließlich wurde vom Chorherren und Stiftsarchivar Berthold Černik eine Gedenkschrift herausgebracht, die während der Festveranstaltung in einer Auflage von 1000 Stück gratis verteilt wurde. Die Publikation umfasst vor allem die Abdrucke des so genannten „Warhafften Bericht“ des Kupferstechers Johann Martin Lerch – die bedeutendste Quelle für die Ereignisse des Jahres 1683 in Klosterneuburg (Lerch 1684) – und eines aus dem Lateinischen übersetzten Briefes des Priesters Wilhelm Lebsaft, den dieser an den geflüchteten Propst Sebastian Mayr am 21. Juli 1683 verfasst hatte. Diesen Quellen stellte der Autor eine kurze Einleitung voran, in welcher er auch in der „neuesten wissenschaftlichen Darstellung“ Bestätigung für die bedeutende Rolle Klosterneuburgs „weit über die örtliche Begrenzung hinaus“ (Černik 1933) fand. Dabei zitierte er das Werk des deutschnationalen und später bekennend nationalsozialistischen Historikers Reinhold Lorenz (1898–1975), „Türkenjahr 1683. Das Reich im Kampf um den Ostraum.“ (Lorenz 1933)
Literatur
Literatur
Černik, Berthold (1933): Klosterneuburg im Jahre 1683. Eine Gedenkschrift. Klosterneuburg.
Hoßfeld, Ferdinand (1933): Zur Bedrohung Klosterneuburgs durch die Türken anno 1683. In: Der Tullner Gau. Zeitschrift für Heimatforschung. 8. Jg., Folge 4, 15. Juli 1933. 27–29.
Lerch, Johann Martin (1684): Warhaffter Bericht / Was sich Zeit-wehrend – Türckischer Belägerung der Kayserlichen Haupt-und Residenz-Stadt Wienn / Anno 1683. in und bey dem zwey Meilen davon gelegenen Fürstl. S. LEOPOLDI Stifft Closterneuburg / Biß zu Ende gemeldter Belägerung / Merckwürdiges zugetragen / und wie selbiges / durch die Gnade Gottes / erhalten worden. Wien.
Lorenz, Reinhold (1933): Türkenjahr 1683. Das Reich im Kampf um den Ostraum. Wien/Leipzig.
Neue Klosterneuburger Zeitung (14.1.1933): An die Bevölkerung von Klosterneuburg. 1.
Neue Klosterneuburger Zeitung (21.1.1933): Türkendenkmal oder Weg auf den Kahlenberg? 6.
Neue Klosterneuburger Zeitung (20.5.1933): Klosterneuburger Urania. 2.
Neue Klosterneuburger Zeitung (10.6., 17.6., 24.6.1933): Ludwig, Viktor: Marzellin Ortner, der Klosterneuburger Held des Jahres 1683.
Neue Klosterneuburger Zeitung (12.8.1933): Klosterneuburger! Rüstet zur Türkenbefreiungsfeier! 1.
Neue Klosterneuburger Zeitung (16.9.1933): Chlebna jun., Rudolf: Gemeinsamkeit. (Gedanken zum morgigen Festtag.) 1.
Neue Klosterneuburger Zeitung (23.9.1933): Die Grundsteinlegung für den Türkenbrunnen. 1f.
Neue Klosterneuburger Zeitung (7.10.1933): In memoriam 1683. 2.
Reichspost (18.9.1933): Türkenbefreiungsfeier in Klosterneuburg. 5.
Stadtarchiv Klosterneuburg: Ordner Wolfgang Huber.
Stadtgemeinde Klosterneuburg (Hg.) (1983): Klosterneuburg 1683. Türkensturm und Verteidigung. 19. Mai bis 2. Oktober 1983. Ausstellungen. Klosterneuburg.