Florianigasse 13, Karte
Text: Johannes Feichtinger, Johann Heiss, Martina Bogensberger, Marion Gollner
Das Bäckerkreuz, eine gotische Kreuzsäule aus Stein, wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts dem „Zöchmeister Paul Lundler dem Got genadt amen“ zur Erinnerung errichtet und befindet sich heute im Innenhof des Gebäudes der Bäckerinnung in der Florianigasse 13. Auf den Reliefs der Säule sind vermutlich Christus und der Heilige Nikolaus, Schutzpatron der Bäcker, abgebildet. Kaiser Rudolf II. ließ nach der Rückeroberung der Festung Raab/Győr im Jahr 1598 am Bäckerkreuz wie an zahlreichen anderen Wegkreuzen den Raaber Spruch anbringen. Das Bäckerkreuz ist die einzige in Wien noch erhaltene so genannte „Raaber Säule“.
Die Wehrhaftigkeit der Bäcker – ein Mythos?
Die Bäcker haben sich durch besonders viele Legenden und Sagen aus der Zeit der Türkenbelagerung einen bleibenden Platz in der Geschichte Wiens verschafft. Obwohl viele Geschichten über die Rolle der Bäcker während der Türkenbelagerung historisch nicht nachweisbar sind, bestehen sie fort und werden bis heute reproduziert.
In den alten Handwerksliedern der Bäckergesellen ist immer wieder von den Ruhmestaten der Wiener Bäcker in der Türkennot die Rede. Auch das Handwerkswappen soll diesen Ereignissen seinen Ursprung verdanken. ,Die Löwen und das blanke Schwert – hat Kaiser Karl uns verehrt‘ ,heißt es in einem dieser Lieder. Aber historisch ist von jenen legendären Heldentaten wenig nachweisbar und von einer ,kaiserlichen‘ Anerkennung als solcher nichts vorhanden. Was darüber erzählt wird, namentlich soweit sich diese Sagen auf die erste Türkenbelagerung (1529) beziehen, ist historisch nicht nachweisbar. (Wiener Bäcker-Innung 1927: 24)
Belegt ist hingegen, dass die Bäcker zur Zeit der zweiten Belagerung Wiens wie andere Zünfte (z.B. Handwerker) eine eigene Kompagnie zur Verteidigung der Stadt 1683 stellten. Diese soll rund 230 Mann umfasst haben. Gleichzeitig kam den Bäckern große Bedeutung bei der Versorgung der Stadtbevölkerung während der Belagerungen zu.
Einige Legenden rund um die Bäcker entstanden wohl, um Privilegien zu rechtfertigen, wie beispielsweise den Bäckerumzug mit eigener Bäckerfahne (vgl. Böhm 2001: 74f.; Historisches Museum der Stadt Wien 1983: 277). Der letzte Umzug dieser Art soll im Jahr 1846 (laut Czeike 1848) stattgefunden haben (Steinböck 1947: 467; Czeike 1992: 228). Sie endeten meist auf dem Platz am Hof, ihre Spitze bildeten Kavallerie und türkische Musik:
Am Osterdienstag jedes Jahres nämlich zogen etwa 50 Bäckerjungen mit fliegender Fahne unter türkischer Musik durch alle Gassen Wiens. Die Söhne der Meister hatten hiebei dreieckige Hüte, mit weißen Federn und einem Sträußchen Flittergold geziert, auf dem Haupte; sonst waren sie alle gleich in veilchenblaue Staatsröcke und weiße Westen gekleidet. Vor jedem Bäckerhause hielt der Zug; es ward aufgespielt, die Fahne geschwungen und aus einem großen Pokale dann die Gesundheit des Meisters getrunken. Bei den Vorstehern des Handwerks, vor dem Hause des Bürgermeisters und auf dem Burgplatze vor der Wohnung des Kaisers, wurde die Fahne dreimal geschwungen und der Trinkspruch weit lebhafter ausgebracht. Wenn dann der Zug beiläufig 5 Stunden inmitten einer großen Schar von Zuschauern seine Runde in der Stadt vollendet hatte, endigte das Fest mit einem Schmause auf der Herberge, oder die Bäckerjungen fuhren in offenen Kaleschen in ihrem prunkvollen Aufzuge herum. (Scheidl 1908:63)
Der Bedeutung der Bäcker und anderer Zünfte liegt nicht nur ihre wichtige Versorgungsleistung für die Bevölkerung zu Grunde, sondern auch die Tatsache, dass „ihre Organisation in Zünften einen entscheidenden Einflussfaktor in der Stadtpolitik darstellten. Indem ihnen Privilegien wie das Veranstalten von Umzügen gestattet wurde, schenkte man ihnen nicht nur Anerkennung, sondern verpflichtete sie auch den Interessen der Stadthonoratioren“ (Böhm 2001: 105).
Das Bäckerkreuz und seine bisherigen Standorte
Die gotische Kreuzsäule wurde 1506 dem „Zöchmeister Paul Lundler dem Got genadt amen“ zur Erinnerung errichtet und stand ursprünglich auf dem „Schottengrundt auf der Laimstette“. Später wurde die Säule auf die Bürgerspitalsgründe (Kreuzung Währingerstrasse/Boltzmanngasse) vor das „Bäckerhäusel“ (bei Rotter 1933 „Bäckenhäusel“) verlegt. Das Bäckerkreuz nahm dort vielleicht die Stelle eines noch älteren Kreuzes ein.
1907 überstellte man die Säule beim Neubau des 2. Chemischen Institutes der Universität Wien und dem damit einhergehenden Abriss des Bäckerhäusels in das städtische Materialdepot (Roßauerlände 23). 1933 wurde die Steinsäule schließlich als Dauerleihgabe der Gemeinde Wien im Hof der heutigen Bäckerinnung in der Florianigasse aufgestellt (vgl. Sackmauer 1977; Czeike 1992: 226).
Nun wird das ,Bäckerkreuz‘, nachdem es 64 Jahre der Oeffentlichkeit entrückt war, in einem wirklichen ,Bäckenhäusel‘, in dem Hofe des Wiener Bäckerinnungshauses, als Zeichen für Pietät und Traditionsehrung seine Wiederauferstehung feiern. (Rotter 1933)
Das Bäckerkreuz ist eine von drei gotischen Kreuzsäulen in Wien. Die anderen waren das Bäckerkreuz auf der 1851 abgetragenen Elisabethbrücke (schon entfernt um 1800) und das Bäckerkreuz in Mariahilf (entfernt 1753) (vgl. Rotter 1933).
Die Darstellungen auf dem Bäckerkreuz
Das Bäckerkreuz in der Florianigasse ist angeblich das älteste „plastische Denkmal“ des 8. Wiener Gemeindebezirks (vgl. Schwertberger 2007). Die gotische viereckige Steinsäule ruht auf einem Pfeiler mit abgefasten Kanten und besitzt vier Felder, wobei nur noch zwei erhalten sind. Da die Reliefs durch die Witterung stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist nicht mehr eindeutig erkennbar, um welche Motive es sich dabei handelt.
Das vordere Feld zeigt mit großer Wahrscheinlichkeit Christus als den „segnenden Erlöser“, das rechte den heiligen Nikolaus von Tolentino, den Schutzpatron der Bäcker. Das linke Feld zeigte vermutlich die „heilige Maria mit ausgebreitetem Mantel“. Es könnte sich jedoch auch um die Darstellung eines Bischofs (heiliger Paulus aus Verdun) bzw. um ein Abbild der Stifterpersönlichkeit handeln (vgl. Wolf 2005: 12).
Bekrönt wird das Bäckerkreuz von einem steinernen Spitzdach mit einem Eisenkreuz. Das Zunftzeichen der Bäcker, die Brezel, ist am Säulenschaft angebracht. Darunter befindet sich ein aufgerolltes Schriftband mit folgender Widmung:
Paul Lundler Bäck ZMI/de got genadt amen (Wolf 2005:12)
Rotter vermutet, dass der Name „Lundler“ auf der Säule vielleicht als „Rockner“ zu lesen ist, denn er konnte den Namen „Lundler“ auch nach ergiebigen Nachforschungen nicht ausfindig machen, wohingegen in der betreffenden Zeit Hans Rockner Besitzer jenes Grundes war, auf dem sich das Bäckerkreuz befand.
Unter dem Raaber-Spruch findet sich die Jahreszahl 1506, die entweder auf die Errichtung des Kreuzes oder auf das Todesjahr Lundlers/Rockners verweist (vgl. Rotter 1933).
Das Bäckerkreuz. Ein Siegeszeichen?
Als am 29. September 1594 die Stadt Raab/Györ den Osmanen übergeben werden musste, rief der Verlust dieser nahe liegenden Festung zunächst großen Schrecken hervor. Die Stadt konnte jedoch schon am 29. März 1598 wieder zurückerobert werden: „Der sich als Türkensieger fühlende Kaiser Rudolf II. befahl daraufhin am 25. April 1598 in einem Patent allen Obrigkeiten und Grundherren im Land, die alten Denksäulen, Kreuze und ,Marter Seulen‘ (Marterl) an den Straßen und Wegkreuzungen zu renovieren.“ (Winkelbauer I 2003/04: 442).
So wurde auch auf dem Bäckerkreuz der so genannte Raaber-Spruch angebracht:
Sag Gott dem Herrn dannch daß Raab ist ge
chommen in der Christen Handt den 29. Marzii 1598.
Während die Bezeichnung des Bäckerkreuzes auf seine Stifter verweist (vgl. Rotter 1933), erfüllte es (wie auch die anderen Wegkreuze) später die Aufgabe, den Sieg über die Osmanen vor Raab/Győr im Jahr 1598 im öffentlichen Bewusstsein wach zu halten. Das Bäckerkreuz wird daher auch zu den sogenannten „Raaber Säulen“ gezählt. Davor hatte das Bäckerkreuz, das seit 1933 im Innenhof des Hauses der Bäckerinnung aufgestellt ist, eine andere Funktion:
Das ‚steinerne Kreutz am Weg‘ bildete oberhalb des Alserbaches in den damaligen Weinbergen eine bekannte Landmarke. (Wolf 2005:12)
Literatur
Literatur
Böhm, Jasmine (2001): „Türken-Images“ im öffentlichen Raum. Eine ethnologische Spurensuche in Wien. Diplomarbeit der Universität Wien.
Czeike, Felix (1992): Historisches Lexikon Wien. Band 1. Wien.
Darstellung der gewerblichen Zustände der Wiener Bäcker-Innung. 1848. Wien.
Historisches Museum der Stadt Wien (1983): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. 82. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. 5. Mai bis 30. Oktober 1983. Wien.
Landesinnung der Wiener Bäcker: Überblick über die Geschichte der Wiener Bäckerinnung, 30.11.2009. (Website nicht mehr online)
Sackmauer, Ludwig (1977): Landesinnung Wien der Bäcker. Ausstellung: „6000 Jahre Brot – 750 Jahre Wiener Bäckerinnung“. 22. September bis 2. Oktober 1977. Wien.
Scheidl, Franz (1909): Denkmale und Erinnerungszeichen an die Türkenzeit in Wien. Wien.
Schwertberger, Gerald (2007): ALLA TURCA und Türkenkugeln. Türken-Bezüge im Stadtbild Wiens. Wien, 13.03.2010.
Rotter, Hans (1933): Drei Wiener Wahrzeichen – die Bäckerkreuze. Wien.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Wien/Köln/Weimar.
Wiener Bäcker-Innung (Hg.) (1927): 700 Jahre Wiener Bäcker=Innung. Herausgegeben von der Wiener Bäcker-Innung anläßlich der Feier ihres 700jährigen Bestandes. Wien.
Winkelbauer, Thomas (2003/04): Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, Teil I (Österreichische Geschichte 1522–1699), Wien.
Wolf, Alfred (2005): Denkmäler und Zierbrunnen in Wien Alsergrund. Erfurt.