Am Platz Wien 1130, Karte
Text: Irmgard Nöbauer
Der Legende nach wurden während der ersten Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1529 vier Hietzinger Männer durch ein in einem Baum verstecktes Marienbild vor der Gefangenschaft gerettet. Durch diese Geschichte wurde die Kirche bis in das 19. Jahrhundert zu einem beliebten Wallfahrtsort. Auch auf dem Bezirkswappen von Hietzing ist die überlieferte Episode abgebildet.
Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Hietzing
Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Hietzing
Am Standort der Hietzinger Pfarrkirche ist bereits im Jahr 1253 eine Kapelle zu Ehren Mariens belegt. In diesem Jahr ging Hietzing im Tausch mit dem Deutschen Orden gegen gleichwertige Güter in den Besitz des Stifts Klosterneuburg. Die in den Zwanzigerjahren des 15. Jahrhunderts errichtete gotische Kapelle wurde im Laufe der Geschichte, u.a. während der beiden Türkenbelagerungen Wiens, weitgehend zerstört und mehrmals wiederaufgebaut. Heute präsentiert sie sich als barockisierte spätgotische Kirche mit späteren Zubauten – die letzten datieren aus dem 19. Jahrhundert. Als Kunstgegenstand aus der Zeit der Gotik ist die Muttergottesstatue am Hochaltar erhalten, die eng mit der Bedeutung von Maria Hietzing als Marienwallfahrtsort verbunden ist. (vgl. Czeike 2004: 184f.; Dehio 1996: 176–179; Groner 1965: 229; Weissenbacher 1996: 191–195; Winter 2000: 4)
Das Wunder von Hietzing
Das Wunder von Hietzing
Der Legende nach wurde während der ersten Türkenbelagerung das spätgotische Bild der Muttergottes aus der gotischen Kapelle vor den heranrückenden Osmanen in Sicherheit gebracht und in einem dicht belaubten Baum versteckt. Zahlreiche Bewohner Hietzings wurden von den osmanischen Truppen getötet, misshandelt oder in die Sklaverei verschleppt. Vier Hietzinger wurden genau an jenen Baum gekettet, in dem das Gnadenbild Marias versteckt war. Die Männer flehten Gott um Hilfe an, woraufhin die Statue in der Nacht zu leuchten begann und die Worte „Hüet´s eng” (Hütet Euch) sprach und die Fesseln gesprengt wurden. In der Volksetymologie wird daher der Ortsname Hietzing mit diesem Ereignis bzw. dem Ausspruch „Hüet´s eng“ in Verbindung gebracht. Auch das Bezirkswappen von Hietzing veranschaulicht diese Legende. (Winter 2000: 9–17)
Der Hochaltar von Hietzing
Der Hochaltar von Hietzing
Die wundersame Errettung der vier Hietzinger wird im Mittelaufbau des Hochaltares dargestellt: In der Laubkrone eines stilisierten Baumes steht die spätmittelalterliche Marienstatue mit Silberummantelung. Sie ist von einem goldenen Strahlenkranz umgeben. Zu ihren Füßen ist die plastische expressive Darstellung der vier um Hilfe flehenden Männer mit bereits gesprengten Fesseln zu sehen. Die vergoldeten Statuen zu beiden Seiten des Gnadenbildes stellen die Eltern Marias, Joachim und Anna, sowie die Eltern Johannes des Täufers, Elisabeth und Zacharias, dar. Den Giebelaufbau des Hochaltares schmücken Skulpturen von Gott-Vater, dem Heiligen Geist in Gestalt einer Taube und Engel, die vom österreichischen Doppeladler bekrönt werden.
Der Hochaltar wurde im Jahr 1698 nach den Plänen von Mathias Steinl errichtet, sein heutiges Aussehen erhielt er im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte die plastische Darstellung der wundersamen Errettung der vier Hietzinger, im Jahr 1829 erhielt die Marienstatue ihren Silbermantel. (vgl. Czeike 2004: 184f.; Dehio 1996: 176–179; Weissenbacher 1996: 191–195; Winter 2000: 51f.)
Maria Hietzing als Wallfahrtsort
Maria Hietzing als Wallfahrtsort
Wallfahrten zu „Unserer Lieben Frau zu Hietzing“ fanden bereits im Mittelalter statt. Nach der ersten Türkenbelagerung wuchs die Tradition von Maria Hietzing als Wallfahrtskirche an. Angesichts der zweiten Türkenbelagerung und den herannahenden Osmanen wurde die Marienstatue 1683 neuerlich in Sicherheit gebracht, diesmal nach Třeboň (Wittingau) in Böhmen. Nach 1683 nahm die Intensität der Wallfahrten nach Maria Hietzing weiter zu. Hietzing als Wallfahrtsort ist in den Reiseführern präsent, beispielsweise in Johann Hübners vollständiger Geographie: „Hitzing, ein bloßes Dorf, nicht weit von Schönbrunn, hat ein wunderthätiges Gnaden-Bild.“ (Hübner 1748: 1749) In Wunderberichten über erfolgreiche Wallfahrten nach Maria Hietzing werden u.a. Gebetserhörungen, Errettung nach Unfällen sowie Heilungen von Krankheiten genannt. (Winter 2000: 27–34)
Die Kirche war für viele Habsburgerinnen und Habsburger von großer Bedeutung, was auch der Nähe zu Schönbrunn geschuldet war. Zu den Wallfahrern zählten u.a. Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. Auch Kaiser Leopold I. und Maria Theresia waren Verehrer der Madonna von Hietzing. (Winter 2000: 33–46)
Im 19. Jahrhundert ging die Bedeutung von Hietzing als Wallfahrtsort zurück und ist im 20. Jahrhundert kaum mehr im Bewusstsein präsent.
Das Wunder von Hietzing in der Überlieferung
Das Wunder von Hietzing in der Überlieferung
Der Augustinerchorherr Ernst Sauer (auch Saur) war der erste, der ausführlich über das Wunder von Hietzing berichtete. In seiner Schrift „Maria Hietzingensis seu Miraculorum multitudo“ aus dem Jahr 1662 schilderte er die wundersame Marienerscheinung sowie das Zeugnis der erretteten Hietzinger, die
einen Eid darauf ablegten, dass die ruhmreiche Statue von Hietzing des Nachts von wunderbarem Lichtglanz umstrahlt, sich von jenem Baum aus, wo sie zu diesem Zeitpunkt versteckt war, ihren Blicken darbot und jene Worte von göttlicher Liebe und Güte seufzte: „Hiets euch“, womit sie ihnen auf freien Fuß verhalf und sich ihren Augen entzog. (zit. nach Winter 2000: 10)
Eine Zeichnung in diesem Buch zeigt das Aussehen der alten Hietzinger Kirche, oberhalb der Kirche sieht man die gotische Marienstatue auf Wolken schwebend.
Literatur
Literatur
Czeike, Felix (1994): Historisches Lexikon Wien. Bd. 3. Wien
Bundesdenkmalamt (Hg.) (1996): Dehio Wien. X. bis XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk. Wien.
Groner, Richard (1965): Wien wie es war. Wien, München.
Hübner, Johann (1748): Johann Hübners Vollständige Geographie. Dritter Theil. Hamburg.
Saur, Ernst (1662): Maria Hiezingensis, seu miraculorum multitudo famosissimae imaginis Hiezingensis beatae et gloriosae Virginis Mariae. Wien.
Weissenbacher, Gerhard (1996): In Hietzing gebaut. Bd. II. Wien.
Winter, Robert (2000): Maria Hietzing – ein fast in Vergessenheit geratener Wallfahrtsort. Wien.