Stefan-Esders-Platz 1, Karte
Text: Simon Hadler, Martina Bogensberger
An der Grenze zwischen Sievering und Grinzing befand sich eine kleine Kapelle im Kaasgraben mit einer Statue der Schmerzensmutter. Um sie rankte sich die Legende von der wundersamen Errettung einer Frau mit ihrem Kind vor osmanischen Soldaten während der zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683. Nachdem sich die Kapelle zu einem beliebten Wallfahrtsort entwickelt hatte, wurde sie durch einen neuen Kirchenbau ersetzt.
Die Sage von der Schwalbenmuttergottes
Zur Zeit der zweiten Wiener Türkenbelagerung soll eine Frau mit ihrem Kind während der Beerensuche in die Nähe türkischer Reiter gekommen sein. Sie versteckte sich daraufhin hinter dichtem Buschwerk. Obwohl die Soldaten Verdacht geschöpft hatten, zogen sie schließlich ab, da sich die Schwalben im Gestrüpp ruhig verhielten und die Frau nicht verrieten. Zum Dank für diese Errettung ließ diese einen Bildstock mit der „Schmerzhaften Muttergottes“ errichten. (vgl. z.B. Guglitz 1952: 161f.; Wawra 1995: 2f.)
Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte
Es gibt keinen Hinweis auf den Wahrheitsgehalt dieser Legende. Der Bildstock, der sich einst im 7. Wiener Gemeindebezirk befand, war Ende des 19. Jahrhunderts im Besitz des Sandgrubenbesitzers Anton Kothbauer. Dieser ließ die Statue in einer von ihm 1882 errichteten Kapelle aufstellen. Das Zusammenfallen mit dem 200. Jahrestag der Türkenbelagerung mag der Verbreitung der Legende förderlich gewesen sein, auf jeden Fall zog das Bethaus rasch eine immer größere Zahl von Menschen an. Kothbauer eröffnete daraufhin eine Weinschenke, die sich ebenfalls bald großer Beliebtheit erfreute. Bereits 1892 konnte er die Kapelle vergrößern, doch der Konkurrenz aus dem nahe Sievering wie auch manchen Zeitungsberichten zufolge ging es dem Sandgrubenbesitzer vor allem um das Geschäft. Schließlich wurde der gastronomische Betrieb Ende des 19. Jahrhunderts von den Behörden geschlossen und im Jahr 1903 übernahm der Orden der Oblaten des hl. Franz von Sales die Kirche. Als daraufhin der Fabrikant Stefan Esders umliegende Grundstücke erwarb, stiftete er einen Neubau. (vgl. Mazanec 2011: 88–94)
Am 26. April 1909 fand die Grundsteinlegung statt und bereits am 30. April 1910 wurde die neue Kirche eingeweiht. Die Schmerzhafte Muttergottes befand sich bis 1969 auf dem Altar in der Krypta, wo auch die Glasfenster der alten Kapelle eingebaut waren, die unter anderem an Anton Kothbauer erinnerten. (Wawra 1995: 7) Diese wurden zu Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch zerstört. Heute befindet sich die Statue in einer Seitenkapelle der Kirche. (Tomenendal 2000: 250)
Türkensagen und Marienverehrung
Die Legende von der Schwalbenmuttergottes ist eine von vielen Türkensagen, die Teil der Marienverehrung wurden. Auch in Maria Hietzing profitierte die Wallfahrtskirche von der Sage einer wunderbaren Errettung einiger Männer während der ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529, dasselbe gilt für die Kirche im niederösterreichischen Sonntagberg. Im 17. Jahrhundert erfuhr der Marienkult einen weiteren großen Aufschwung. Militärische Erfolge gegen die Osmanen wurden als Leistung Mariens interpretiert und damit ihre Macht und Gnade als bewiesen erachtet. Die Legende von der Schwalbenmuttergottes und der Aufstieg der Kaasgrabenkapelle zum Wallfahrtsort stand im Zusammenhang mit einem neuerlichen Aufkommen intensiver Marienverehrung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Literatur
Literatur
Guglitz, Gustav (1952): Die Sagen und Legenden der Stadt Wien. Wien.
Mazanec, Franz (2011): Döblinger Auslese: Aus dem Archiv von Kurt Apfel. Erfurt.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Wien.
Wawra, Manfred (1995): Kaasgrabenkirche. Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Schmerzen. Korneuburg.