Stephansplatz 1 , Karte
Text: Simon Hadler
Der Stephansdom ist bis heute reich an Objekten, die an die Zweite Wiener Türkenbelagerung im Jahr 1683 erinnern. Lange Zeit zählte dazu auch ein steinerner Türkenkopf mit einer Inschrift an der Außenwand des Südturms. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die gehässigen Worte „Schau, Mahumed, du Hund, 1683“ entfernt.
Der Stephansdom als Ort der Erinnerung an die Türkenbelagerung
Der Stephansdom als Ort der Erinnerung an die Türkenbelagerung
Mit dem Stephansdom sind eine Vielzahl an Geschichten und Legenden zu den Belagerungen der Stadt durch osmanische Truppen verbunden. Er wurde von den feindlichen Kanonen unter Beschuss genommen; er diente als Beobachtungsposten (vgl. das so genannte Starhemberg-Bankerl); das Läuten seiner Glocken warnte die Bewohner der Stadt vor drohender Gefahr (vgl. Alte und Neue Pummerin) und die in ihm ausgestellten Gnadenbilder erinnerten und erinnern an Schutz und Hilfe durch die Muttergottes (vgl. ,Maria in der Sonne‘ und ,Mária Pócs‘). Im 18. und 19. Jahrhundert wurden darüber hinaus weitere Monumente wie die Kapistrankanzel, das Epitaph für Prinz Eugen (von Savoyen) oder das Türkenbefreiungsdenkmal errichtet, zum Gedenken an die ,Helden‘ des Kampfes gegen die Türken. Dazu kommen noch eine Reihe von eingemauerten Kanonenkugeln, die aus den Zeiten der Belagerungen herrühren sollen.
Die Entstehung der Spottinschrift im Zeichen eines letzten Sieges
Eine dieser Kugeln mit der Jahreszahl 1683 befindet sich in einigen Metern Höhe an der Außenwand des Südturms. Einen Pfeiler weiter links, etwa auf selber Höhe, war bis in die jüngere Vergangenheit ein steinerner Türkenkopf eingemauert. Bemerkenswert war daran besonders die dazugehörige hämische Inschrift „Schau, Mahumed, du Hund, 1683“.
Über den Ursprung dieses „Wiener Wahrzeichens“, wie es die liberale Morgen-Post bezeichnete (Morgen-Post 31.01.1886), gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth (Roth 1991: 137) nennt mit dem Jahr 1792 einen Zeitpunkt, als der letzte Krieg der Habsburger gegen die Osmanen gerade zu Ende gegangen war. Mit dem Sieg in Belgrad 1789 war auch die Erinnerung an frühere militärische Erfolge, wie die Abwehr der Osmanen im Jahr 1683, aktualisiert worden. Auch wenn aus diesem letzten Krieg am Ende keine großen Gebietsgewinne resultierten, war die militärische Schwäche des Osmanischen Reiches doch ein weiteres Mal offenbar geworden. Eine solche Verhöhnung, wie sie in der Inschrift am Stephansdom zum Ausdruck kam, wäre bei einem tatsächlich bedrohlichen Gegner nicht denkbar gewesen.
Auf die Entstehungszeit um 1792 weist auch ein in diesem Jahr hergestellter Kupferstich von Carl Schütz hin. Auf dieser Abbildung des Stephansdoms sind auch der Türkenkopf und die Spottinschrift zu erkennen (Witzmann 1982: 291; Zykan 1981: 177) – allerdings in einem anderen Wortlaut, als ihn die Literatur zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiedergibt (vgl. z.B. Schimmer 1904: 87). Bei Schütz liest man nämlich: „Schau du Machame du Hund“. Tatsächlich scheint es sich dabei um die korrekte Widergabe der Inschrift zu handeln, wie Bilder aus den 1970er Jahren zeigen.
Das Ende offener Verhöhnung
Das Ende offener Verhöhnung
Enthielt sich der Wiener Stadthistoriograph Moriz Bermann bei der Beschreibung von Türkenkopf und Aufschrift noch jeglicher Beurteilung und sah darin nur ein „Andenken an die Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung“ (Bermann 1880: 968), so war dies dem Autor Gerhard Roth „wie ein Wahrzeichen tödlichen Fremdenhasses.“ (Roth 1991: 137) Doch schon die Morgen-Post hatte sich von der „etwas läppischen Aufschrift“ distanziert und darin ein Relikt einer längst überwundenen niedrigeren Kulturentwicklung zu erkennen vermeint: „Heute muß man über die kindische Art unserer Altvordern lachen, aber wir sind heute eben civilisirter und nachdem man sich die Köpfe blutig geschlagen, reicht man sich die Hände – auch im Völkerduell.“ (Morgen-Post 31.01.1886)
Wann der Kopf und die verhöhnende Inschrift entfernt wurden, ist nicht gewiss, doch deutet einiges auf die 1980er Jahre hin. Zum einen wird diese Zeit mehrmals in der Literatur genannt und mit Protesten türkischer Gastarbeiter in Zusammenhang gebracht (Roth 1991: 137; Hasmann 2011: 173). Darüber hinaus hat sich aber auch, nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema im Zuge des 300-Jahr-Jubiläums, eine größere Sensibilität gegenüber tradierten stereotypen Bildern vom erinnerten Türken entwickelt.
Literatur
Literatur
Berman, Moriz (1880): Alt= und Neu=Wien. Geschichte der Kaiserstadt und ihrer Umgebungen. Seit dem Entstehen bis auf den heutigen Tag und in allen Beziehungen zur gesammten Monarchie geschildert. Wien, Pest, Leipzig.
Hasmann, Gabriele (2011): Der Stephansdom (= Die geheime Geschichte von Österreichs Kulturdenkmälern. Band 1. Hrsg. von Johannes Sachslehner). Wien, Graz, Klagenfurt.
Morgen-Post (31.01.1886): Wiener Wahrzeichen.
Roth, Gerhard (1991): Eine Reise in das Innere von Wien. Essays. Frankfurt am Main.
Schimmer, Karl Eduard (1904): Alt und Neu Wien. Geschichte der österreichischen Kaiserstadt. Zweite, vollkommen neu bearbeitete Auflage. Wien, Leipzig.
Witzmann, Reingard (1982): Türkenkopf und Türkenkugel. einige Türkenmotive und Bildvorstellungen der Volkskultur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg, Wien, 291–303.
Zykan, Marlene (1981): Der Stephansdom. Wien, Hamburg.