Am Kahlenberg 38 Kirche, Karte
Text: Silvia Dallinger
Die St. Josefskirche am Kahlenberg hat eine bewegte Geschichte: Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1629 durch Kamaldulenser-Patres wurde das Gotteshaus erst 61 Jahre später vollendet, verfiel aber wieder, bis die Kirche schließlich am 12. September 1852 zum dritten Mal feierlich eingeweiht wurde. Das nicht zufällig gewählte Datum verweist bereits auf die Bedeutung der historischen Entsatzschlacht für die Geschichte der St. Josefskirche. Ab 1895 wollte der „Kahlenberger Kirchenverein“ der Ereignisse von 1683 mit einem ‚Entsatz-Denkmal‘ „gebührend“ gedenken. Das Projekt scheiterte jedoch. Heute ist die Kirche seit der Übernahme durch polnische Patres ein beliebtes Ausflugsziel – gerade für Touristen aus der Heimat Jan III. Sobieskis.
Mönche lassen sich am Josefsberg nieder
Mönche lassen sich am Josefsberg nieder
Auf Bitte des polnischen Marschalls Nikolaus Wolski erteilte Kaiser Ferdinand II. im Jahr 1628 den Kamaldulenser-Eremiten, einem katholischen Orden, der ursprünglich aus Italien stammte und auch in Polen ansässig war, die Bewilligung zur Ordensniederlassung auf dem damaligen ‚Sauberg‘ (vgl. hier und im Folgenden v.a. Truxa 1891: 17–25; Hamminger 1986). Der Kaiser schenkte dem Orden Wälder, Weinberge und Kapital (36 000 Gulden) zur Errichtung der Eremie und einer Kirche. Der ‚Sauberg‘ wurde daraufhin nach dem Patron der geplanten St. Josefskirche in ‚Josefsberg‘ umbenannt.
Am 10. August 1629 erfolgte die Grundsteinlegung durch den Kaiser, die Weihe nahm der apostolische Nuntius Johann Pallota vor. Über Jahrzehnte fehlten jedoch die finanziellen Mittel für den Bau der Kirche. Im Jahr 1680 erhielten die Mönche schließlich eine Spende der Hofkammer in der Höhe von 6000 Gulden; am 20. September 1681 richtete Kaiser Leopold I. eine Stiftung ein, die für eine jährliche Finanzleistung in der Höhe von 1000 Gulden sorgen sollte. Erst im Frühjahr 1682 wurde das Fundament ausgehoben.
Als das osmanische Heer 1683 in Wien einmarschierte, standen nach wie vor lediglich die Fundamente der St. Josefskirche. Das Kamaldulenser-Kloster wurde von den osmanischen Truppen am 8. Juli niedergebrannt (vgl. Truxa 1891: 19). Die Ordensleute waren nur wenige Tage zuvor mit ihrem Prior P. Cerbonius a S. Romualdo nach Linz geflüchtet. Später teilten sie sich auf und suchten unter anderem in Italien und Bayern Zuflucht.
Die St. Josefskirche wird 1734 vollendet
Mehr als 61 Jahre nach der Grundsteinlegung wurde der Bau der Josefskirche im Jahr 1690 mit der Unterstützung von Kaiser Leopold I. begonnen und schließlich 1734 vollendet. Doch nur rund fünfzig Jahre später, im Jahr 1782, löste Kaiser Joseph II. das Kamaldulenser-Kloster auf. Die Wiedereinweihung soll aber bereits 1783 erfolgt sein (Hamminger 1986: 8). Hans Maria Truxa (1891: 21) geht in seinem Werk „Erinnerungs-Denkmäler der Befreiung Wiens aus der Türkennoth des Jahres 1683“ jedoch davon aus, dass Kirche und Kloster nach dem Kauf durch Hofrat von Kriegl erst am 21. Dezember 1785 wieder eingeweiht wurden.
Nur wenige Jahre später, im Jahr 1789, schlitterte der Eigentümer Kriegl in den Konkurs – die Kirche wurde samt den dazugehörigen Grundstücken dem niederösterreichischen Religionsfonds zugeschrieben und im Jahr 1795 von Fürst Liechtenstein gekauft.
Als 1809 Kaiser Napoleon I. gegen Wien zog, musste die Pfarre erneut aufgelassen werden. Die Kirche wurde daraufhin immer baufälliger, bis der Schlossermeister Johannes Finsterle, „ein Wiener Bürger“ (Hamminger 1986: 61), im Jahr 1849 (Hemberger 1893, in: Hamminger 1986: 73) bzw. 1850 (Truxa 1891: 21) das Grundstück der Kamaldulenser kaufte und die Kirche auf eigene Kosten renovieren ließ.
Marco d’Aviano und die Messe am Kahlenberg
Nach mehrmaliger Auflösung des Kamaldulenser-Klosters am Josefsberg erfolgte die feierliche dritte Einweihung der St. Josefskirche am 12. September 1852. Ursprünglich sollte die Feier am katholischen Festtag ‚Mariä Himmelfahrt‘ (15. August) und später an ‚Mariä Geburt‘ (8. September) stattfinden – durch eine Verzögerung der Restaurierungsarbeiten wurde die Einweihung jedoch auf das nächste Marienfest, den 12. September (‚Mariä Namen‘), verlegt. Somit fand die Feier „an genau demselben Wochen- und Monatstage, an welchem vor 169 Jahren von dieser Kirche der Segen ausging, der die Macht des Halbmondes an den Mauern Wiens für immer brach“, statt. (Hemberger 1893, in: Hamminger 1986: 73)
Aus diesem Zitat wird ersichtlich, dass zu dieser Zeit die Annahme geprägt und gefestigt wurde, es sei der heutige Kahlenberg gewesen, an dem der Kapuzinerpater Marco d’Aviano 1683 die Heilige Messe gefeiert habe. Die St. Josefskirche wurde von Propst Wilhelm Sedlacek von Klosterneuburg gesegnet, der Wiener Schottenabt Sigmund Schultes zelebrierte das Hochamt. Kardinal Viale-Prela, Nuntius am Wiener Hof, spendete zu diesem Anlass einen goldenen Kelch, dessen Inschrift an die Aviano-Messe und den Sieg Sobieskis erinnert. Der Text der Inschrift ist heute noch, verewigt auf einer Marmortafel von 1904, im Vorraum der Sakristei der St. Josefskirche zu sehen.
„Jährlicher Gedächtnistag des Befreiung Wiens“
Ab 1852 wurden zumindest in den Sommermonaten an Sonn- und Feiertagen Gottesdienste in der St. Josefskirche abgehalten. Von da an konnte schließlich auch „der jährliche Gedächtnistag der Befreiung Wiens mehr oder weniger feierlich begangen werden, was zumeist durch Priester aus dem Schottenstifte geschah“ (Hemberger 1893, in: Hamminger 1986: 73), konkret durch Pater Urban Loritz.
Nach dem Tod von Johannes Finsterle, der die Kirche auf eigene Kosten renovieren hatte lassen, heiratete seine Frau Josefine den Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Gustav Benischko. Ihre Bemühungen um die St. Josefskirche wurden von Josefine Benischko fortgesetzt: In ihrem Testament ließ sie 1881 (Hamminger 1986: 63) bzw. 1882 (Panek 1952) zwei Stiftungen errichten.
Die erste Stiftung hatte die Erhaltung der Kirche zum Ziel, während mit der zweiten die Anstellung eines Benefiziaten, also eines ständigen Seelsorgers in der St. Josefskirche, bezahlt werden sollte. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichten aber nur für die Aufrechterhaltung eines Messbetriebs während der Sommermonate. Nach Josefine Benischkos Tod übernahm ihr Mann, Dr. Gustav Benischko, die Rolle des Eigentümers und Patrons der St. Josefskirche.
An das Engagement von Johannes Finsterle, Josefine Finsterle/Benischko und Gustav Benischko für die St. Josefskirche erinnert eine Gedenktafel.
Der Kahlenberger Kirchenverein wird gegründet
Am 16. August 1895 (Hemberger 1896: 29) wurde schließlich der ‚Kahlenberger Kirchenverein‘ von Josef Hemberger, Pfarrer Neumayer sowie Oberfinanzrat Pius Twardowski gegründet, wobei Letzterer zum Vorsitzenden (Hamminger 1986: 66) bzw. zum Vizevorsitzenden (Bieńkowski 1983: 411) wurde. Der Verein hatte insgesamt 84 Gründer, 73 Wohltäter und 272 Mitglieder, die mehrheitlich Wiener Polen waren.
Ziel des Vereins war es:
- alljährlich am 12. September in der St. Josefskirche einen feierlichen Gottesdienst abzuhalten zum Gedenken an den Sieg über die osmanischen Truppen 1683,
- durch die Errichtung einer Stiftung die Finanzierung dieser Feier langfristig zu garantieren, sowie
- im Gedenken an die siegreiche Entsatzschlacht ein Denkmal zu setzen.
Das Vorhaben des Vereins, ein Entsatz-Denkmal in Form eines Obelisken am Kahlenberg zu errichten, scheiterte jedoch ebenso wie die vorangegangene Initiative aus dem Jahr 1883.
Die Kirche gelangt in der Obhut polnischer Priester
Die Kirche gelangt in der Obhut polnischer Priester
Anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Joseph I. wurde der ‚Kahlenberger Kirchenverein‘ 1897 in ‚Kaiser Franz Joseph I. Jubiläumsstiftung des Kahlenberger Kirchenvereines in Wien‘ umbenannt. Wahrscheinlich erfolgte 1899 eine weitere Umbenennung in ‚Christlich historischer Verein Wien – Kahlenberg‘. Ab 1900 schließlich sollte die Jubiläumsfeier am 12. September ‚Kaiser Franz Joseph – Jubiläumsdankfest‘ heißen.
Allerdings wurde der Verein im Jahr 1900 nach fünfjährigem Bestehen wieder aufgelöst. Ursachen dafür waren einerseits gesundheitliche Gründe des Benefiziaten Josef Hemberger, andererseits hatte das Stift Klosterneuburg ein Veto gegen die Errichtung einer Stiftung eingelegt. Pfarrer Neumayer und Dr. Gustav Benischko waren nach jahrelangen finanziellen Belastungen bereit, das Vereinsprojekt aufzugeben.
Aus diesem Grund schenkte Benischko auf Anraten von Hofrat Dr. Wilhelm Binder am 4. April 1906 die Kirche sowie den dazugehörigen Friedhof (‚Ritterfriedhof‘) der in Polen gegründeten römisch-katholischen Ordensgemeinschaft der ‚Kongregation der Auferstehung des Herrn‘ (‚Resurrektionisten‘). Der General-Superior der PP. Resurrektionisten P. Johann Kasprzycki bestellte P. Jakob Kuklinski zum ersten Rektor der Kirche. Dieser war dazu gezwungen, bei den PP. Resurrektionisten um eine Bewilligung anzusuchen, um die Gottesdienste in der St. Josefskirche zumindest an Sonn- und Feiertagen weiter feiern zu können (vgl. Hamminger 1986: 85).
Die ‚Sobieski-Kapelle‘ wird eingeweiht
Der Umstand, dass die St. Josefskirche am Kahlenberg 1906 in den Besitz polnischer Patres überging, begünstigte eine verstärkte Hinwendung zu einem huldigenden Gedenken an den Polenkönigs Sobieski bzw. die Messe Avianos, bei der Sobieski ministriert haben soll. Die neuen Besitzer hatten nach langer Zeit die Möglichkeit, Investitionen zu tätigen und die Kirche „als bedeutendes historisches Denkmal“ (Panek 1952) zu restaurieren. So sollte etwa die an die Sakristei angrenzende Kapelle, die bisher ‚Schutzengelkapelle‘ genannt wurde, umgestaltet und als ‚Sobieski-Kapelle‘ eingeweiht werden. Doch der Erste Weltkrieg vereitelte den Plan; es sollte bis zum November 1930 (ebd.) dauern, bis die Sobieski-Kapelle vollendet war. Über dem Eingang der Kapelle wurde nach der Fertigstellung eine Inschrift angebracht, die sie als den Ort der historischen Messfeier Marco d‘Avianos ausweist.
Papst Pius X. würdigte die historische Bedeutung der St. Josefskirche, von der auch er annahm, dass dort die berühmte Messe des Marco d’Aviano stattgefunden habe, durch die Übermittlung einer Kopie des in Rom befindlichen Bildes „Mariä Namen“ im Jahr 1907. Des weiteren legte er fest, dass in der Kirche an bestimmten Tagen ein vollkommener Ablass gewährt werden könne: am Schutzfest des Hl. Josef (19. März), dem Fest Maria Hilfe der Christen (24. Mai), dem Fest der Heiligen Dreifaltigkeit (Sonntag nach Pfingsten), Mariä Himmelfahrt (15. August), Mariä Geburt (8. September) und an allen Sonntagen im September.
Der Kahlenberg als polnischer Wallfahrtsort
Der ‚Kahlenberger Kirchenverein‘ dürfte sich – trotz seiner Auflösung im Jahr 1900 – in den folgenden Jahren wieder formiert haben. Jakob Kuklinskis berichtet in seiner Schrift über die St. Josefskirche am Kahlenberg von 1933 über das Fortbestehen des Vereins unter dem Vorsitz von Minister Dr. Julius von Twardowski, dem „Sohn des um die St. Josefskirche hochverdienten Mitbegründers des Kahlenberger Kirchenvereins, […] ein tätiger Gönner dieser Kirche und bemüht, das Heiligtum als historisches Denkmal auch fernerhin zu erhalten“ (Kuklinski 1933: 61).
Seit der Übernahme durch die polnischen Resurrektionistenpatres wurde vor allem anlässlich der Jubiläen 1933 und 1983 der Entsatzschlacht am Kahlenberg gedacht.
Bis heute wird die St. Josefskirche von polnischen Priestern betreut. Sie war und bleibt ein beliebter Wallfahrtsort für polnische Touristen und Touristinnen.
Literatur
Literatur
Bieńkowski, Wieslaw (1983): Wien und Krakau 1883. Die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum. In: Studia Austro-Polonica 3. Warschau/Krakau, 401–439.
Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopoldi Capelln am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien.
Hemberger, Josef (1893): Gedenkbuch über die in der St. Josefskirche auf dem Kahlenberge abgehaltenen Dankfestlichkeiten. In: Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopold Capellan am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien, 73–74.
Hemberger, Joseph (1895): Auszüge aus der „Geschichte der „Camaldulenser-Eremie auf dem Kahlenberge“ von Dr. Cölestin Wolfsgruber, Benediktiner der Schotten in Wien, mit Erlaubnis des Verfassers auszugsweise für das Volk bearbeitet von Josef Hemberger, Benefiziat an der St. Josefskirche a.d.K. Wien.
Krasa, Selma (1982): Das historische Ereignis und seine Rezeption. Zum Nachleben der Zweiten Türkenbelagerung Wiens in der österreichischen Kunst des 19. Und 20. Jahrhunderts. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 304–317.
Kuklinski, Jakob (1931): Kurze Geschichte der St. Josefskirche und der Sobieskikapelle auf dem Kahlenberg. Wien.
Kuklinski, Jakob (1933): St. Josef am Kahlenberg. In: Grauer, Karl Johannes/ Winter, Ernst Karl/ Zessner-Spitzenberg, Hans Karl von (Hg.): Marco d’Aviano. Sein Werk und seine Zeit. Eine Festschrift zum 250.Jahrestag der Türkenbefreiung. Wien, 53–62.
Panek, Guido (1952): Der Kahlenberg. Kurze Geschichte und Führung. Wien.
Truxa, Hans Maria (1891): Die Kirche mit der Gedenktafel auf dem Kahlenberge bei Wien. In: Erinnerungs-Denkmäler der Befreiung Wiens aus der Türkennoth des Jahres 1683. Wien, 17–25.
Wetzl, L.J. (1928): Die St. Josefskirche auf dem Kahlenberge. Kurzgefaßte Geschichte und Führer von L. J. Wetzl. Wien.
Wolfsgruber, Cölestin (1890/91): Die Geschichte der Camaldulenser-Eremie auf dem Kahlenberge. Wien.