Hernalser Hauptstraße 180, Karte
Text: Marion Gollner, Johannes Feichtinger
Das Türkenkreuz an der Hernalser Hauptstraße 180 wird der Überlieferung nach mit den Kämpfen bei Dornbach am so genannten Frauenfeld während der zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 in Verbindung gebracht. Die Bezeichnung ,Türkenkreuz‘ hat sich erst allmählich eingebürgert. 1951 wurde das renovierte Kreuz anlässlich des Jubiläums „900 Jahre Hernals“ neu aufgestellt und von Kardinal Innitzer geweiht.
Der Ort der Entsatzschlacht
Der 17. Wiener Gemeindebezirk, der 1890/92 aus den einstigen Vororten Hernals, Dornbach und Neuwaldegg hervorgegangen ist und während der Reformation eine Hochburg des Protestantismus war, war bereits im Zuge der ersten Türkenbelagerung von 1529 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Der damalige Stadtkommandant Niklas Graf Salm war zudem Schwiegersohn der Roggendorfer, die bis zum Jahr 1507 die Herrschaft über Hernals inne hatten.
Auch während der zweiten osmanischen Belagerung Wiens 1683 wurden die beiden Ortschaften Neuwaldegg und Hernals fast vollkommen zerstört. Wurden im Jahr 1680 noch 95 Häuser in Hernals gezählt, so stand nach der Belagerung im Jahr 1683 angeblich kein einziges Haus mehr (vgl. Tomenendal 2000: 240). Viele Einwohner, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, waren entweder getötet oder als Gefangene verschleppt worden. Im Zuge der Kampfhandlungen waren sowohl das Gotteshaus in Dornbach als auch die Kalvarienbergkirche, das Hernalser Schloss und die Weingärten zerstört worden.
Das Hernalser Bezirksjournal veröffentlichte anlässlich des Jubiläums „300 Jahre Türken vor Wien“ einen Artikel von Felix Czeike, der auf die Belagerungssituation 1683 eingeht:
Als die Türken im Jahre 1683 ihr riesiges Zeltlager aufbauten, dehnte sich dieses auch über Hernals und seine Fluren aus. Im Bereich von Hernals – Breitensee – Penzing befand sich das Hauptlager, das den Zeltpalast des Großwesirs auf der Schmelz absicherte. Im September, als das Entsatzheer die Höhen des Wienerwalds erreichte, bezog als erster Abaza Sari Hüseyin Pascha zwischen Weinhaus und Ottakring Verteidigungsstellungen. (Czeike 1983)
Abaza Sarı (der Gelbe) Hüseyin Pascha war damals Beylerbeyi oder militärischer Oberbefehlshaber von Damaskus.
Auf dem einst unverbauten Frauenfeld, rechts des heute eingewölbten Alsbaches, dem heutigen Dr. Josef-Resch-Platz, kam es schließlich zu der entscheidenden Schlacht zwischen Osmanen und dem Entsatzheer, wie Trude Neuhold vom Bezirksmuseum Hernals schildert:
Am 12. September 1683 gab es die ersten Angriffe zuerst mit mehreren blutigen Gefechten in den Ebenen hinter Neuwaldegg. Erst gegen 14 Uhr kamen uns [sic!] die Polen unter Sobieski zu Hilfe, wurden aber zunächst von den Osmanen zurückgewiesen. Erst von den Abhängen des Heuberges und des Gallitzinberges konnten sich vier deutsche Infanterieregimenter postieren und mitentscheiden. Erst gegen 16 Uhr konnte mit Hilfe des polnischen Königs Sobieski mit 7000 Husaren und des polnischen Grafen Maligny mit etwa 6000 Dragonern durch einen energischen Flankenangriff diese Schlacht gewonnen werden, sodass gegen 18 Uhr die Osmanen mit einer regellosen Flucht begannen. Auch die Entsatzschlacht auf dem Frauenfelde hatte damals mit den großen Gefechten und Schlachten bis zum Donauufer den Sieg gegen die Türken mitbesiegelt. (Neuhold T. 2008)
Auch wenn der Standort der Schlacht historisch nicht eindeutig belegt ist, so soll zumindest der Name ‚Frauenfeld‘ auf den „Sieg an der Als“ zurückgehen, der „im Namen der hl. Jungfrau“ (Tomenendal 2000: 241) von den Truppen des Polenkönigs Jan III. Sobieski erfochten wurde. Das Schlachtfeld wurde demnach „UnsererLieben Frau“ gewidmet, der dieser Sieg zugeschrieben wurde (Flessenkemper 1981: 18). Laut dem Webservice der Stadt Wien gibt es Bestrebungen, den heutigen Dr. Josef Resch-Platz, 1949 benannt nach einem christlichsozialen Sozialpolitiker, wieder in ‚Frauenfelderplatz‘ umzubenennen (vgl. wien.at).
Neben dem Türkenkreuz, das zum Gedenken an den glücklichen Ausgang der Schlacht an der Grenze zwischen Hernals und Dornbach errichtet wurde, erinnern in Hernals heute noch der ‚Türkenritthof‘, die ‚Türkenmuttergottes‘, das Sgraffitto „Sieg an der Als“ an der Westfront des Pfarrhauses der Herz-Jesu-Sühnekirche am Dr. Josef Resch-Platz und weitere Kreuze bzw. Türkenkugeln an das Jahr 1683. Vieles davon „ist allerdings nur noch dem Historiker bzw. Heimatkundler bekannt“ (Schwertberger 2007).
Das Hernalser ‚Türkenkreuz‘
Das Hernalser ‚Türkenkreuz‘
Das Hernalser ‚Türkenkreuz‘, auch ‚Rotes Kreuz‘ genannt, befindet sich heute auf einer kleinen Grünfläche zwischen Haupt- und Nebenfahrbahn der Hernalser Hauptstraße, gegenüber einer türkischen Kleinwarenhandlung. Das hölzerne Kreuz, das auf einem steinernen Sockel befestigt ist, wird von einem Mauergitter eingezäunt. Der golden gefärbte Korpus, der die Inschrift „INRI“ trägt, ist Richtung Häuserzeile gewandt. Laut Volksmund soll das Kruzifix „aus den Kugeln und Kanonen der Türken gegossen worden“ sein (Flessenkemper 1951).
Die Geschichte des Kreuzes
Die Geschichte des Kreuzes
Wann das Kreuz errichtet wurde, ist nicht bekannt, es dürfte jedoch schon sehr alt sein. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Kreuz an dieser Stelle im Jahr 1704 (vgl. Neuhold T. 2008). Darüber hinaus wurde das Kreuz ebenfalls auf der „von Schweikhart von Sickingen um 1820 gestochenen Landkarte inmitten von Feldern im Umkreis des heutigen Reschplatzes eingezeichnet und ist so ein Beweis für dessen lange Existenz“ (Neuhold S. 2006).
Neben der Bezeichnung ‚Türkenkreuz‘ ist in den älteren Aufzeichnungen auch von einer „Wetter Creuz Säule aus Holz“ zu lesen bzw. davon, dass „die erste bei der Gräntz neben den Wiener Weg in Frauenfeld, das rote Creuz genannt“ vom Herrschaftshof unterhalten wurde (ebd.).
Im Lauf der Zeit wechselte der Aufstellungsort des Kreuzes, es wurde auch verändert. Zunächst befand es sich – einer alten Ansicht nach – vor der Hernalser Spodiumfabrik (Spodium nannte man Knochenasche). Der Gekreuzigte wurde durch ein auf Blech gemaltes Bild dargestellt: „Wie aus Fotos ersichtlich ist, war der Korpus 1984–1992 braun und die Dornenkrone gold angestrichen. Ein Foto aus den 20er-Jahren zeigt das Türkenkreuz mit blechernem Christus, die Einfriedung mit niedrigerem Eisengitter“ (Neuhold S. 2006). Später wurde des Kreuz mit einem vollplastischen Corpus versehen (vgl. Vsedni 1997: 48).
Die erste dokumentierte Weihe des Kreuzes erfolgte am Palmsonntag des Jahres 1924. Seither wurde es mehrmals renoviert.
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde das „schon angemorschte“ Kreuz von seinem Standort entfernt (Vsedni 1997: 48). Zu dieser Zeit dürfte es sich in der Eigentumsverwaltung der Herz-Jesu-Sühnekirche (eingeweiht 1932) befunden haben (vgl. Neuhold T. 2008).
Anlässlich des runden Jubiläums „900 Jahre Hernals“ wurde das Kreuz nach Renovierungsarbeiten im Juni 1951 wieder aufgestellt.
1972 (laut Vsedni 1997: 48 um 1983) wurde das Kreuz durch einen Autounfall beschädigt und musste daher repariert werden. Später wurde es gänzlich abgerissen und erst „nach heftigen Protesten“ im Sommer 1984 wieder aufgestellt (vgl. Neuhold T. 2008). Erst seit diesem Jahr zeigt der Christus-Korpus Richtung Häuserfront und nicht, wie bislang, Richtung Fahrbahn. 1996 gab es die Intitiative, das Kreuz in den Park Ecke Julius Meinlgasse/Hernalser Hauptstrasse zu verlegen. Statt dem heutigen Mauergitter war das Kreuz früher von einem Schmiedeeisengitter eingezäunt.
Die Wiederaufstellung des Kreuzes 1951
Die Wiederaufstellung des Kreuzes 1951
Die 900-Jahrfeier von Hernals bot den Anlass, sich an das ‚Türkenkreuz‘, das der „Witterung“ der NS-Ära (Vsedni: 1997: 48) zum Opfer gefallen war, wieder zu erinnern. Dr. Reinhard Flessenkemper, einer der Pater der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens (Congregatio Sacrorum Cordium Jesu et Mariae, SSCC), schrieb dazu im Jahr 1951:
Immer wieder fragten die Hernalser und Kenner Wiens: ‚Wo bleibt das Türkenkreuz? ‘ Das Türkenkreuz ist in der Tat ein Wahrzeichen von Hernals und ein Ehrenmal, dessen Hernals nicht stolz genug sein kann. Es erinnert an Kampf und Sieg, der für ganz Europa entscheidend war. 12. September 1683. (Flessenkemper 1951)
Das anstehende Jubiläum sei daher ein „willkommener Zeitpunkt, um das Hernalser Türkenkreuz an der Hernalser Hauptstraße wieder zu Ehren zu bringen“. Angesichts „seiner großen historischen Bedeutung für Hernals und ganz Wien“ sei es durchaus angemessen, dass „der Hochwürdigste Herr Kardinal“ die Weihe des Kreuzes persönlich durchführen werde (ebd.).
„Dank der Initiative eines Herrn Ing. Rosinger“ (Vsedni 1997: 24) und der Stiftung der Einfriedung durch den Steinmetzmeister Heinrich Czerny wurde das Hernalser ‚Türkenkreuz‘ nach seiner Renovierung schließlich an seinem alten Standort wieder aufgestellt und von Kardinal Dr. Theodor Innitzer im Rahmen einer Feier am Abend des 17. Juni 1951 unter reger Anteilnahme der Bevölkerung (anwesend waren angeblich 4000 Menschen) geweiht (Neuhold T. 2008). Die Programmplanung lautete wie folgt:
19 Uhr Begrüßung des Hochwürdigsten Herrn Kardinals am Eingang der Sühnekirche, Dr. Josef Reschplatz 12, früher Frauenfelderplatz genannt. Es folgt in der Kirche eine Weihstunde mit der Weihe des Türkenkreuzes. Nach dieser Weihe tragen Männer das geweihte Türkenkreuz in feierlicher Prozession zum alten Platz auf der Hauptstraße. An dieser Feier werden gewiß alle Hernalser herzlichen Anteil nehmen und dafür über Hernals hinaus ein warmes Echo finden. (Flessenkemper 1951)
„Ein Zeichen der christlichen Erlösung“
„Ein Zeichen der christlichen Erlösung“
In der von Pater Reinhard Flessenkemper anlässlich der Wiederaufstellung des ‚Türkenkreuzes‘ 1951 verfassten Schrift wird die Bedeutung der Schlacht am Frauenfeld nicht nur für das ‚Bollwerk‘ Wien, sondern für die gesamte Christenheit unterstrichen.
Die Türken drohten von Osten her das ganze Abendland zu überfluten und unsere Kultur hinwegzufegen. Dem stellte sich Wien als mächtiges Bollwerk entgegen. Hart war der Anprall und die Belagerung vom 14. Juli an. Groß war die Befreiungsschlacht und der Triumph am 12. September 1683. Nach der Strategie des Tages zu rechnen und dem Urteil der Geschichte zufolge gab König Sobieski am Nachmittag von Dornbach aus die Entscheidung. Sein Reiterheer konnte sich von Dornbach aus in der Ebene rechts der Als entfalten und das Rückgrat der türkischen Heeresmacht zerschlagen. Es war für die Sieger, die den Kampftag mit dem hl. Meßopfer auf dem Kahlenberg begonnen hatten, selbstverständlich, auf dem Schlachtfeld, wo der Sieg schließlich entschieden wurde, das Zeichen der christlichen Erlösung aufzurichten, nämlich das Kreuz. (Flessenkemper 1951)
Durch die Hervorhebung, wie „hart“ die Belagerung und der spätere Zusammenstoß zwischen Osmanen und dem Entsatzheer war, soll die Größe und Bedeutung des Triumphes noch zusätzlich hervorgehoben werden. Dass auch die Messfeier Marco d’Avianos am 12. September 1683 auf dem Kahlenberg Erwähnung findet, soll wohl darauf hindeuten, dass der Sieg nicht zuletzt auch der Gnade Gottes bzw. der Hilfe Mariens zu verdanken ist. Ansonsten wäre das ‚christliche Abendland‘ und ‚unsere Kultur‘ von der ‚Gefahr aus dem Osten‘ nicht nur ‚überflutet‘, sondern sogar ‚hinweggefegt‘ worden. Selbst 268 Jahre nach der Belagerung Wiens 1683 zeigt dieser Text besonders deutlich, wie ein ‚Feind von Außen‘ dazu konstruiert und instrumentalisiert wird, Einheit und Geschlossenheit im ‚Innern‘ zu beschwören.
Das Kreuz an der Hernalser Hauptstraße war somit nicht nur christliches Zeichen, sondern auch ein Symbol für den Sieg über den Islam. Heute ist dieser Umstand aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Allein durch Bezirks- oder Kirchenführer wird er wachgehalten: „In seiner (des Türkenkreuzes) Umgebung sollen sich Schlachtgräber befunden haben“, schreibt der Bezirkshistoriker Karl Vsedni, „in die man die Toten des Schlachtfeldes gelegt hatte.“ Und er fügt folgenden Kommentar hinzu: „Das ist leicht nachzuvollziehen, wobei gewiß aus konfessionellen Gründen zwischen Freund und Feind unterschieden worden ist. Gerade deshalb scheint ein Verquicken zwischen Kreuz und Halbmond unlogisch.“
Literatur
Literatur
Csendes, Peter (1983): Erinnerungen an Wiens Türkenjahre. Wien.
Czeike, Felix (1983): Die Osmanen schossen auf Marienbild. In: Hernalser Bezirksjournal 1983/2.
Czeike, Felix (1997): Historisches Lexikon Wien. Band 5. Wien.
Flessenkemper, Reinhard (1951): 900-Jahre Hernals – das Türkenkreuz, das Hernalser Wahrzeichen wieder zu Ehren. Wien (Dokument befindet sich im Besitz des Bezirksmuseums Hernals).
Flessenkemper, Reinhard (1981): Unsere Sühnekirche. Wien.
Neuhold, Siegfried (2006): Türkenkreuz (Rotes Kreuz). Unveröffentlichter Text, verfasst am 27.06.2006.
Neuhold, Trude (2008): Türken und Hernals. Unveröffentlichter Text, verfasst am 01.03.2008.
Schwertberger, Gerald (2007): ALLA TURCA und Türkenkugeln. Türken-Bezüge im Stadtbild Wiens, 28.01.2010.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.
Vsedni, Karl (1997): Die Herz-Jesu Sühnekirche in Wien Hernals. Wien.
Wien.at (Webservice der Stadt Wien): Wien 1951, 24.11.2009. (nicht mehr online)