Am Kahlenberg 38 Kirche, Karte
Text: Silvia Dallinger
Das Bild der „Schwarzen Madonna von Tschenstochau“ befindet sich in einer kleinen Kapelle der St. Josefskirche am Kahlenberg. Es handelt sich dabei um die Kopie desjenigen Bildes, das König Jan III. Sobieski in seinem Feldzug gegen die Osmanen auf seiner Reichsfahne mitgeführt und vor dem Marco d’Aviano am Morgen der Entscheidungsschlacht, dem 12. September 1683, die Heilige Messe gelesen haben soll (siehe „Marco d’Aviano und die Messe am Kahlenberg“). Der Sieg von 1683 soll nur dank des göttlichen Segens der Gottesmutter Maria errungen worden sein. Damit ist das Bildnis der ‚Schwarzen Madonna von Tschenstochau’ in der St. Josefskirche am Kahlenberg ein Beispiel für die zahlreichen Formen der Marienverehrung während und nach den Türkenkriegen (siehe auch „Marco d’Aviano und die Marienverehrung“).
Die bewegte Geschichte des Marienbildes
Die bewegte Geschichte des Marienbildes
Der Evangelist Lukas soll dieses Bildnis der Gottesmutter Maria, das angeblich schon von den ersten Christen sehr verehrt wurde, auf eine Tischplatte aus Zypressenholz gemalt haben. Als Jerusalem im Jahre 72 n. Chr. zerstört wurde, war das Marienbild der Legende nach zu seinem Schutz auf Golgotha vergraben worden. Bis zum Jahr 326 blieb es unentdeckt, bis Kaiserin Helena das Kreuz Christi suchen ließ und dabei das Bild zum Vorschein kam. Daraufhin wurde es zu Kaiser Konstantin nach Konstantinopel geschickt, später schenkte es der griechische Kaiser Nicephorus Karl dem Großen. Dieser machte das Marienbild wiederum dem russischen Fürsten Leo zum Geschenk. 300 Jahre lang wurde es in dessen Residenz, dem Schloss Belz in der heutigen Ukraine, aufbewahrt.
Als Kasimir der Große, König von Polen, die Russen besiegte, übergab er die Provinz und damit auch das Schloss Belz dem Fürsten Ladislaus von Oppeln. Dieser brachte das Bild am 28. August 1382 in die Kirche des polnischen Paulinerklosters Jasna Góra (deutsch: Heller Berg) nach Tschenstochau (Częstochowa) im Süden Polens. Das Paulinerkloster wurde 1430 von den Hussiten und ihrem Führer Zizka überfallen. Die das Bild betreffenden Urkunden wurden verbrannt und das Bild selbst geraubt. Der Legende nach hätten aber die Pferde der Hussiten an der Landesgrenze angehalten, sodass die Hussiten erst weiterreiten konnten, als sie das Bild vom Wagen warfen. Aus Wut hätte einer von ihnen mit seinem Schwert auf das Bild eingestochen und die rechte Wange der Mariendarstellung an zwei Stellen zerschnitten, woraufhin er angeblich tot zu Boden gefallen wäre. Das Bild wäre daraufhin in die Paulinerkirche zurückgebracht worden.
König Wladyslaw II. Jagiello wollte das Bild restaurieren lassen, was sich allerdings aufgrund der verwendeten Maltechnik aber als schwierig erwies. Stattdessen wurde das Bild kopiert, inklusive der Schwertritzer der Hussiten, und reich geschmückt. Die Jasna Góra wurde 1656 und 1657 von den Schweden erneut belagert und wiederum wäre die Madonna von Tschenstochau ‚wie durch ein Wunder‘ gerettet worden.
Diese Wundererzählungen machten das Bildnis berühmt, woraufhin Papst Klemens XI. der feierlichen Krönung des Bildes zustimmte, die am 8. September 1717 vollzogen wurde. Im Jahre 1910 wurden diese Bekrönungen jedoch geraubt und im darauffolgenden Jahr, im Rahmen einer Feier mit mehr als 800 000 Gläubigen aus aller Welt, durch weniger reichen Schmuck ersetzt, der von Papst Pius X. gespendet worden war.
Bis heute stellt die Jasna Góra mit ihrem Marienbild den berühmtesten polnischen Wallfahrtsort dar.
Sobieski bringt die „Schwarze Madonna“ mit nach Wien
Vor seinem Abmarsch nach Wien im Jahre 1683 pilgerte auch der polnische König Jan III. Sobieski nach Tschenstochau zum Bildnis der „Schwarzen Madonna“, um ihren Segen zu erbitten. Er soll eine Kopie des Gemäldes auf Kupferblech mit nach Wien genommen und ein Abbild der Marienikone auf seiner Reichsfahne im Kampf mitgeführt haben. Am Morgen des 12. September 1683, dem Tag der Entscheidungsschlacht, soll Pater Marco d’Aviano vor dem Bild eine heilige Messe gefeiert haben, bei der ihm Sobieski ministriert haben soll (siehe „Marco d’Aviano und die Messe am Kahlenberg“).
1906 spendete der Generalprior von Tschenstochau, Pater Eusebius Rejmann, der Josefskirche am Kahlenberg eine Kopie des Marienbildes. Bereits 1693 war das Bild auf Bitten Marco d’Avianos für die Leopoldskapelle am Leopoldsberg kopiert worden.
Maria und das Jesuskind
Maria und das Jesuskind
Das Originalbild ist vom Rauch der Kerzen und Lampen über die Jahre schwarz geworden, wodurch der Name „Schwarze Muttergottes“ entstanden ist und auf die Kopie übertragen wurde. Das Bild in der St. Josefskirche ist auf Zedernholz gemalt (Kuklinski 1907, in: Hamminger 1986: 84) – eine andere Quelle spricht von Zypressenholz (Wetzl 1928: 7) – und ist von einem schweren Messingrahmen umgeben.
Es gehört zum Typus der ‚Hodegetria‘, d.h. ‚die, die den Weg weist‘ und zeigt die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Das Gesicht Mariens ist von vorne zu sehen, das Gesicht des Kindes ist etwas zur Seite gewandt. Auf der rechten Wange Mariens sind die Spuren von zwei Einschnitten zu sehen. Maria trägt das Jesuskind auf dem linken Arm, ihre rechte Hand weist auf das Kind. Dieses hält in seiner linken Hand ein Buch – eine Darstellung Jesu als fleischgewordenes Wort Gottes. Die rechte Hand ist erhoben, als würde er lehren, herrschen oder segnen. Das Jesuskind zeigt bereits die Gesichtszüge eines Erwachsenen, womit das gesamte Leben Jesu angedeutet wird. Maria ist in ein blaurotes, das Jesukind in ein rotes mit Ornamenten geschmücktes Gewand gekleidet. Beide werden von jeweils zwei Engeln bekrönt.
Papst Johannes Paul II. weiht das Marienbild
Das Bild war ursprünglich in der Schutzengelkapelle, der späteren Sobieski-Kapelle, ausgestellt und wurde vermutlich in den 1910er bzw. 20er Jahren in das Hauptschiff der St. Josefskirche transferiert. Bis zum Jahr 1983 hing es neben dem linken Seitenaltar vor der Türspalette, die als Eingangstür der früheren Marien- und Leopoldkapelle und seit deren Demontage als Ausgangstür gedient hatte. Anlässlich des 300-jährigen Jubiläums 1983 wurde die Türspalette in eine kleine Kapelle umgewandelt; diese wurde am 13. September 1983 von Papst Johannes Paul II. für die „Schwarze Madonna von Tschenstochau“ geweiht (siehe „Papstbesuch am Kahlenberg“). Zur Erinnerung daran ist ein Schild mit folgendem Text angebracht:
PAPST JOHANNES PAUL II.
betete auf dieser Kniebank
am 13. September 1983 aus
Anlass des 300-Jahr-Jubiläums
des Entsatzes von Wien
Maria als Wegweiserin und Verteidigerin des Christentums
Maria als Wegweiserin und Verteidigerin des Christentums
In Polen gilt die „Schwarze Madonna von Tschenstochau“ als Nationalheiligtum und steht seit über hundert Jahren für den polnischen Freiheitswillen. Dieses Beispiel einer ‚Hodegetria‘, also der Muttergottes als Wegweiserin, repräsentiert die immerwährende Hilfestellung Mariens und wurde/wird aus diesem Grund besonders in Krisenzeiten verehrt. Um Bildnisse dieser Art reiht sich üblicherweise eine Fülle von Wundergeschichten, die sich zu Legenden formen.
Die Marienverehrung vor und nach den Türkenkriegen stand ganz im Zeichen der Gegenreformation. Die für den katholischen Glauben besonders charakteristische Marienverehrung wurde hervorgehoben, um sich vom Protestantismus im Speziellen bzw. ‚den Andersgläubigen‘ im Allgemeinen abzugrenzen. Maria wurde dabei als Verteidigerin des Christentums präsentiert, die den christlichen Truppen durch ihren göttlichen Segen und ihre Wundertätigkeit zum Sieg verholfen habe.
Literatur
Literatur
Hamminger, Josef Dominicus/ Wiener Katholische Akademie (Hg.) (1986): Leopoldi Capelln am Kallenberg oder St. Josephskirche der PP Kamaldulenser auf dem Josephsberg (Sobieskikapelle in der St. Josephskirche)? Wo hat Pater Marco d’Aviano vor der Entscheidungsschlacht am 12. September 1683 die heilige Messe gefeiert? Wien.
Jasna Góra, 20.09.2020.
Kuklinski, P. Jakob (1907): Kahlenberg. Die Belagerung und der Entsatz Wiens 1683. Wien.
Panek, Guido (1952): Der Kahlenberg. Kurze Geschichte und Führung. Wien.
Wetzl, L.J. (1928): Die St. Josefskirche auf dem Kahlenberge. Kurzgefaßte Geschichte und Führer von L. J. Wetzl. Wien.