Schafberg , Karte
Text: Marion Gollner, Simon Hadler
Am Rande des Pötzleinsdorfer Schlossparks in Währing steht dort, wo die Schafberggasse und die Buchleitengasse zusammenführen, das so genannte Rote Kreuz. Einer Legende zufolge erinnert es an Ereignisse während der Belagerung Wiens durch osmanische Truppen im Jahr 1683. Über weitere Blut- oder Türkenkreuze, die es in dieser Gegend gab und vereinzelt noch gibt, finden sich heute kaum mehr Hinweise zur Entstehungsgeschichte.
Wie kam das Kreuz zu seinem Namen?
Wie kam das Kreuz zu seinem Namen?
Das Kreuz am Schlosspark ist unter mehreren Bezeichnungen bekannt. Es wird entweder Türkenkreuz oder Rotes Kreuz genannt. Das rund drei Meter hohe Denkmal aus Holz mit einem Kruzifix aus Blech befand sich bis zum Jahr 1966 in der Buchleitengasse gegenüber. Dann wurde es in den Schlosspark an den Weg zur Grotte verlegt, bevor es nach seiner Renovierung seinen endgültigen Platz neben dem Zaun am Eingangstor zum Park beim Utopiaweg erhielt. Laut einer Legende sollen sich in dieser Gegend im Zuge der Zweiten Belagerung Wiens 1683 besonders heftige Kämpfe zwischen den Osmanen und dem Entsatzheer zugetragen haben. Der Name Rotes Kreuz kam angeblich deshalb zustande, weil das Blut der Gefallenen bis zu dieser Stelle gestanden sein soll. (vgl. Tomenendal 2000: 242; Csendes 1983: 30)
Allerdings gibt es in ganz Österreich eine große Zahl von so genannten Roten Kreuzen und gewöhnlich werden sie nicht mit ähnlich blutigen Legenden in Zusammenhang gebracht. Oft werden sie stattdessen als Hinweis auf einstige Grenzen von Gerichtsbezirken verstanden oder sie erinnern an Unfälle.
Der Aufstellungsort des Türkenkreuzes könnte aber tatsächlich mit der Schlacht am 12. September 1683 zu tun haben. Denn hier war es zu Gefechten zwischen der polnischen Kavallerie und türkischen Eliteeinheiten gekommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Truppen unter Stanisław Jan Jabłonowski noch nicht kampfbereit aufgestellt und auch das unübersichtliche Gelände machte Schwierigkeiten. Schließlich musste der rechte Flügel der Polen, über Pötzleinsdorf und den Michaelerberg kommend, dem Magnaten und seinen Reitern zu Hilfe kommen. (Tomenendal 2000: 242f.)
Andere Erklärungen gehen wiederum irrtümlich davon aus, dass sich das Zelt Kara Mustafas an dieser Stelle befunden habe. Auch der Name der Zeltgasse im 8. Wiener Gemeindebezirk beruht auf dieser Annahme, und auch in der Neustiftgasse befindet sich ein Denkmal, das an den Ort des Zeltlagers erinnern soll. Doch tatsächlich hat sich das Lager des Großwesirs weiter östlich auf der Schmelz befunden.
Das Türkenkreuz in der Anton Haidl-Gasse
Über das Türkenkreuz in der Anton Haidl-Gasse ist nur wenig bekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt das Holzkreuz im Zuge von Renovierungsarbeiten durch einen Pater Petrus einen Gekreuzigten aus Gusseisen, welcher den alten aus bemaltem Blech ersetzen sollte. (vgl. Lenz 2002: 29) Unter dem Kreuz ist folgende Inschrift zu lesen:
Mensch – wo gehst du hin?
Bedenke, dass ich dein Erlöser bin
Dass ich soviel gelitten hab für dich!
Darum bleibe stehen und grüsse mich!
In der weiteren Gegend rund um den Schafberg und den Pötzleinsdorfer Schlosspark gibt es bis heute eine Reihe so genannter Roter Kreuze (z.B. am Exelberg), auch Türkenkreuze soll es früher noch mehrere gegeben haben, etwa dort, wo die Schafberggasse und die Hockegasse zusammenführen. Letztere Straße verdankt sich ihren Namen übrigens dem Wiener Stadtsyndicus Nicolaus Hocke, der 1685 ein Werk über die Ereignisse des Jahres 1683 veröffentlicht hat. (Hocke 1685)
Von Helden, die verraten wurden
In der österreichischen Tageszeitung „Neuigkeits-Welt-Blatt“ (1874 bis 1943), die in den 1930er Jahren den autoritären Kurs der Regierung Dollfuß medial unterstützte, werden die Ereignisse zur Zeit der Zweiten Türkenbelagerung Wiens am Schafberg blutig gefärbt und dramatisch in Szene gesetzt geschildert und weitere, heute nicht mehr existierende Kreuze genannt:
In jener kriegerischen Zeit spielte sich auf dem Schafberg auch eine Bluttat ab, von der die drei auf dem Schafberg sich befindlichen roten Kreuze – die Blutkreuze – Zeugnis geben.
Wien war von den Türken hart bedrängt worden und mit jedem Tag mehrten sich die Angriffe der Belagerer. Doch die christlichen Mächte eilten von Norden und Westen bereits zur Befreiung Wiens herbei. Auch im türkischen Lager verbreitete sich die Kunde davon und erregte besondere Freude bei den christlichen Gefangenen, Deutschen, Ungarn und Slawen, die unter Todesdrohung gezwungen worden waren, an der Seite der Türken an allen Kämpfen teilzunehmen. Ein Großteil solcher Gefangenen hatte nun beschlossen, aus dem Türkenlager zu fliehen und sich den Befreiern anzuschließen. Von der Stelle aus, wo sich das erste Blutkreuz [= das Rote Kreuz; S.H.] unweit des Einganges zum Hotelrestaurant „Schafbergalpe“ befindet, schlichen in stockfinsterer Nacht an tausend Mann in der Richtung nach Neuwaldegg, von wo ein Teil des Befreiungsheeres erwartet wurde. Doch schon hatte erbärmlicher Verrat seine nichtswürdige Hand im Spiel. Auf dem Weg vom Schafberg nach Neuwaldegg, beim Klampfelbergweg, dort, wo heute das zweite Türkenkreuz steht, schlossen sich den Fliehenden Männer an, die in ländlicher Verkleidung und mit geheuchelter biederer Miene sich erbötig machten, die Führung nach dem gewünschten Ziel zu übernehmen. Sie führten die Betrogenen nach der Ladenburghöhe, wo dieselben von aus ihren Verstecken hervorbrechenden Janitscharen umzingelt und auf Befehl des Kara Mustafa im wahrsten Sinn des Wortes abgeschlachtet wurden. An tausend Leichen bedeckten die Nordstelle, von welcher das Blut in Bächen den Abhang hinabfloß. Das auf der Ladenburghöhe errichtete dritte Blutkreuz berichtet von dieser Untat.
Als nach der Flucht der vernichtend geschlagenen Türken die Bewohner aus ihren Verstecken zurückkehrten, bot sich ihnen auf dem Schafberg ein entsetzlicher Anblick. In mannshohen Haufen lagen die ermordeten christlichen Gefangenen übereinander und ihre verwesenden Körper und das geronnene Blut verbreiteten einen bestialischen Gestank und es bestand die größte Gefahr des Auftretens einer verheerenden Seuche. So rasch als möglich wurden in einem riesigen Massengrab, das nach Überlieferungen in der zwischen dem Schafbergbad und dem Etablissement Knorr gelegenen Mulde sich befindet, die Leichen bestattet. (Neuigkeits-Welt-Blatt 26.08.1933)
Den politischen Verhältnissen zur Zeit des Austrofaschismus entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass der im zeitlichen Kontext des Allgemeinen Deutschen Katholikentags und der staatlichen Türkenbefreiungsfeier im Jahr 1933 publizierte Artikel nicht nur von der Grausamkeit der türkischen Belagerer berichtet, sondern vor allem den „erbärmlichen Verrat“ (noch dazu mit seiner „nichtswürdigen Hand“) an den christlichen Gefangenen in den Vordergrund rückt. Stellten doch aus Sicht des sich etablierenden autoritären Regimes unter Engelbert Dollfuß die inneren Feinde die neuen „Türken“ dar – Sozialdemokraten, Nationalsozialisten und Bolschewiken waren die Verräter am christlich-deutschen Volk. (vgl. Suppanz 2013: 181)
Anlässlich der Feierlichkeiten zum 250-jährigen Jubiläum der Entsatzschlacht und der Befreiung Wiens regt der Autor des zitierten Artikels die Errichtung eines Denkmals auf dem Schafberg an. Denn es wäre „gewiß ein schöner Zug der Pietät und ein Beweis echt christlichen Fühlens, wenn den Opfern der ruchlosen Mordtat ein Erinnerungsmal errichtet werden würde. Sind doch viele Opfer für ihren christlichen Glauben und auch für ihre Heimat gefallen. Ein Denkstein mit einfacher Inschrift würde für alle Zeiten Kunde geben von der Tragödie, die sich in schwerer kriegerischer Zeit auf dem Schafberg abgespielt hat.” (Neuigkeits-Welt-Blatt 26.08.1933)
Mit der Heroisierung der getöteten Gefangenen, die aus religiöser und patriotischer Überzeugung 1683 ihr Leben gaben, sollte die Einheit zwischen katholischer Kirche und dem bald darauf proklamierten Ständestaat bestärkt und die Bereitschaft zu neuerlichen Opfern bekräftigt werden.
So hatte auch Kardinal Theodor Innitzer wenige Monate vor dem Deutschen Katholikentag (7. bis 12. September) die Werte „Blut und Heimat“ in den Vordergrund gestellt und „bereits am Neujahrstag das Jahr 1933 zu einem ‚Heiligen Jahr der Deutschen‘ ausgerufen“. (Rauscher 2010: 295)
Funktion der Kreuze
Funktion der Kreuze
Ursprünglich erfüllten die Türkenkreuze laut Gerald Schwertberger zwei verschiedene Funktionen: Sie wurden entweder als Zeichen der Dankbarkeit für die „Errettung“ errichtet oder als christliches Symbol über Massengräbern gefallener Türken angebracht. (vgl. Schwertberger 2007: 17)
Bei den Türkenkreuzen in den ehemaligen Wiener Vororten könnte es sich jedoch auch um die Kennzeichnung polnischer Gräber handeln (ähnliche Vermutungen gibt es auch zum so genannten Kerblkreuz am Haschberg bei Klosterneuburg):
„Da beim Eingreifen des polnischen Entsatzheeres bei der 2. Türkenbelagerung viele polnische Soldaten fielen und die Friedhöfe in Hernals überfüllt waren, wurden diese Gefallenen am Wegrand (‚am Waldrand und Feldraine‘) bestattet und Kreuze errichtet.“ (Lenz 2002: 28)
Literatur
Literatur
Csendes, Peter (1983): Erinnerungen an Wiens Türkenjahre. Wien.
Hocke, Nicolaus (1685): Kurtze Beschreibung Dessen Was in wehrender Türckischen Belagerung der Kayserlichen Residentz Statt Wien Von 7. Julij biß 12. Septembris deß abgewichenen 1683. Jahrs sowohl in Politicis & Civilibus; als Militaribus pasiret. Wienn.
Lenz, Erwin (2002): Der Schafberg in Hernals. Ein Spaziergang durch die Czartoryskigasse und Alszeile damals und heute. Wien.
Neuigkeits-Welt-Blatt (26.08.1933): Die Blutkreuze am Schafberg.
Rauscher, Peter (2010): Die Erinnerung an den Erbfeind. Die „Zweite Türkenbelagerung“ Wiens 1683 im öffentlichen Bewusstsein Österreichs im 19. Und 20. Jahrhundert. In: Haug-Moritz, Gabriele/Pelizaeus, Ludolf (Hg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit. Münster, 278–305.
Schwertberger, Gerald (2007): ALLA TURCA und Türkenkugeln. Türken-Bezüge im Stadtbild Wiens, 20.09.2020.
Suppanz, Werner (2013): An der „Kulturfront des Abendlandes“. Diskurse und Inszenierungen der ‚Türkenabwehr‘ im Austrofaschismus. In: Heiss, Johann/Feichtinger, Johannes (Hg.): Der erinnerte Feind. Kritische Studien zur „Türkenbelagerung“. Wien, 162–184.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.