Text: Johanna Witzeling, Johannes Feichtinger, Johann Heiss

(Johann) Andreas von Liebenberg, geboren am 29. November 1627, wirkte 36 Jahre lang im Magistrat der Stadt Wien. 1678 wurde er Stadtrichter, 1680 Bürgermeister. Besonders gewürdigt wurde sein Einsatz während der Pest in Wien 1679 und im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung (1683), deren Ende er jedoch nicht mehr erlebte.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde vor allem Liebenbergs Leitung der und persönliche Beteiligung an den Schanzarbeiten, die der entmutigten Bürgerschaft als leuchtendes Beispiel gedient haben sollen, sowie die Organisation der Bürgerwehr und seine Rolle als Vermittler zwischen den Militärs (Starhemberg) und der Bürgerschaft in Erinnerung gehalten wurden. Nachdem am 7. Juli 1683, unmittelbar vor dem Beginn der Belagerung Wiens durch ‚die Türken‘, zahlreiche Bauern „davon gelaufen waren“ (Renner 1883: 21), konnten – und dies wurde Liebenbergs Vorbild zugeschrieben – dennoch die Kräfte der Bürgerschaft mobilisiert und an der Armierung der Festungswerke gearbeitet werden.

Liebenberg als Symbol für die Bürgerschaft

Liebenberg als Symbol für die Bürgerschaft

Bürgermeister Liebenbergs Einsatz wurde bereits von Augenzeugen der Zweiten Wiener Türkenbelagerung (1683) hervorgehoben, so etwa vom schlesischen Advokaten Christian Wilhelm Huhn, der selbst (wie viele anderen ‚Ausländer‘) an der Verteidigung Wiens teilgenommen hatte. Er vermerkte zum Todestag Liebenbergs am 9. September 1683:

[...] und gieng der regierende Burgermeister Herr von Liebenberg, welcher in währender Belägerung überall gutte Anordnung verfüget, zu grossem Leidwesen der gesambten Bürgerschafft, mit Tode ab. (Huhn 1717: 202; vgl. auch 99; 162)

Anlässlich der hundertjährigen Gedenkfeier der Belagerung (1783) beschrieb der Historiker, Kleriker und Lehrer Gottfried Uhlich den Bürgermeister bereits als jemanden, der selbst anpackt, der sich mit der „Scheibtruhen“ in der Hand an den Schanzarbeiten beteiligt: „[...wobei] der Bürgermeister der Stadt Herr von Liebenberg einer der ersten war, der mit Hinwegführung der Erde auf Scheibtruhen den übrigen durch sein Beyspiel vorleuchtete“ (Uhlich 1783: 40).

Liebenberg wird „neuentdeckt“

Liebenberg wird „neuentdeckt“

Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde Bürgermeister Liebenberg zum willkommenen Symbol für die Macht der liberalen Wiener stilisiert und dementsprechend repräsentiert. In der älteren Literatur war er zwar im Zusammenhang mit der Verteidigung Wiens genannt worden, jedoch in der bildenden Kunst spielte er vor 1883 keine zentrale Rolle (Krasa 1982: 314; Telesko 2008: 36) Der Liebenberg-Biograf Victor von Renner schreibt dazu in diesem Jahr:

Die Dankbarkeit der Zeitgenossen hat alle die Männer, welche sich mit und neben Starhemberg um die Erhaltung der Hauptstadt des römischen Reiches deutscher Nation ein Verdienst erworben hatten, mit Auszeichnungen und Ehrengaben überschüttet. Auch die mutvollen Führer der Wiener Bürgerschaft wurden nicht vergessen. Neun Mitgliedern des inneren Rates und des kaiserlichen Stadtgerichtes nebst dem verdienten Stadtschreiber wurde der kaiserliche Ratstitel verliehen, sechzehn wurden durch goldene Gnadenketten von Kaiser Leopold I. ausgezeichnet. Nur Einer gieng beinahe leer aus, der Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg; er selbst war ja todt, in wenigen Decennien wurde seiner kaum mehr gedacht. Als die erste Säcularfeier des großen Ereignisses im Jahre 1783 abgehalten wurde, hat man seinen Namen so nebenbei genannt. Erst dem 19. Jahrhundert war es vorbehalten, die Erinnerung an diesen verdienstvollen Mann wieder aufzufrischen. (Renner 1883: 29)

Die erste Liebenberg-Biografie

Aus Anlass der Zweiten Säkularfeier wurde im Jahre 1883 auf Anregung des ‚Bürgervereins im 3. Wiener Gemeindebezirk‘ vom Historiker, Lehrer und Numismatiker Victor von Renner die erste Biografie Liebenbergs mit dem Titel „Johann Andreas Liebenberg, der Römisch-kaiserlichen Majestät und Bürgermeister von Wien“ verfasst.

Der Reinerlös des Werkes wurde der Errichtung einer Gedenktafel an dem Ort, an dem Liebenbergs Haus gestanden hatte, gewidmet, die dort (Am Hof 7, 1. Bezirk), zu seinem 200. Todestag am 9. September 1883 mit nachfolgender Inschrift enthüllt wurde:

Hier stand das Haus des Bürgermeisters
Joh. Andreas v. Liebenberg
gestorben am 9. September 1683
während der zweiten Türkenbelagerung.
In dankbarer Erinnerung an sein leuchtendes
Beispiel errichteten diesen Stein
am 9. September 1883
Die Bürger Wiens.

Seit 1883 wurde vor allem Liebenbergs Leitungsfunktion und persönliche Beteiligung an den Schanzarbeiten, die der entmutigten Bürgerschaft als leuchtendes Beispiel gedient haben sollen, sowie die Organisation der Bürgerwehr und seine Rolle als Vermittler zwischen den Militärs (Starhemberg) und der Bürgerschaft zentral erinnert.

Sein Biograf Renner greift genau auf dieses Bild des vorbildhaft tätigen, ‚anpackende‘ alltagsnahen, ‚bürgerlichen‘ ‚Helden‘ zurück, seither lebt es in der Bevölkerung Wiens fort. Aus der ‚Scheibtruhen‘ wurde dabei ein hochsprachlicher ‚Schiebkarren‘. Renner gab Liebenberg auch noch eine Schaufel in die Hand, um das Bild vom Helden, der harte Arbeit nicht scheut, zu verdeutlichen.

In gefahrvoller Lage, wenn den Waffen des Volkes der Mut geraubt ist, wirkt das einfachste, darum auch Allen einleuchtende Beispiel, oft mehr als die Tat eines Heroen der Kraft oder des Geistes. Nur mit der Schaufel und dem Schiebkarren war die Gefahr zu besiegen. Er hat sie ergriffen und damit das Beispiel gegeben, dass im Zusammenwirken Aller, der Behörden und Bürger, die Möglichkeit der Abwehr des Feindes zu suchen sei! (Renner 1883: 21f).

Liebenbergs ‚anpackende’ Vorgangsweise wird auch 1933 zum 250. Entsatzjubiläum anerkennend vermerkt:

Der Bürgermeister aber redete nicht viel, sondern packte einen leeren Schiebkarren und fuhr mit ihm die Rampe hinunter. Die Bürger und Handwerksgesellen rissen Mund und Augen auf, da sie solches sahen. Als aber Herr Liebenberg nach einer Weile mit dem Karren, der hoch mit Erde gefüllt war, wieder zurückkam, brach die Menge in lauten Beifall aus. Durch die Beispiel des Stadtoberhauptes beschämt, griffen nun alle wacker zu. (Prüger 1933: 23)

Zum 300-jährigen Entsatz-Jubiläum im Jahr 1983 wurde Liebenberg kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt. Der Band „Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683“ (1982) widmete ihm im Unterschied zu Starhemberg oder Jan III. Sobieski keinen biografischen Beitrag.

Ein Denkmal für den „wackeren Bürgermeister“

Laut Victor von Renner, der die erste Liebenberg-Biografie verfasste, wurde der 7. Juli zum „Ehrentag des wackeren Bürgermeisters Liebenberg“ (Renner 1883: 21) ernannt.

Den Tag des Entsatzes erlebte Liebenberg jedoch nicht mehr – er verstarb am 9. September 1683 an den Folgen der Ruhr.

Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums des Entsatzes von Wien wurde durch einen Beschluss des Wiener Gemeinderates im Zuge der Schlusssteinlegung des neuen Rathauses am 12. September 1883 ein Standbild Liebenbergs (von Anton Wagner) im großen Festsaal des neuen Rathauses aufgestellt (vgl. Renner 1883: 29). Erst am 12. September 1890 wurde das Liebenberg-Denkmal vor der Mölkerbastei feierlich enthüllt.

Literatur

Literatur

Huhn, Christian Wilhelm (1717): Nichts Neues und Nichts Altes/ Oder umbständliche Beschreibung/ Was Anno 1683. vor/bey/ und in der Denckwürdigen Türckischen Belagerung Wien/ vom 7 Julii biß 12 Septembr. täglich vorgelauffen. Breslau.

Krasa, Selma (1982): Das historische Ereignis und seine Rezeption. In: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Salzburg/Wien, 304–318.

Prüger, Josef (1933): Wien im Türkensturm 1683. Geschichtliche Erzählung von Josef Prüger. Wien und Leipzig 1933.

Renner, Victor von (1883): Johann Andreas von Liebenberg, der Römisch-kaiserlichen Majestät Rat und Bürgermeister von Wien. Biographische Skizze. Aus Anlass der zweiten Säcularfeier des 9. September 1683 auf Anregung des Bürgervereines im 3. Bezirke. Wien.

Telesko, Werner. 2008. Kulturraum Österreich. Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts. Wien/Köln/Weimar.

Uhlich, Gottfried (1783): Geschichte der zweyten türkischen Belagerung Wiens, bey der hundertjährigen Gedächtnißfeyer. Wien.