Stephansplatz 1 , Karte
Text: Simon Hadler
Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736) ging als bedeutender Feldherr, politischer Berater und Kunstmäzen in die Geschichte ein. Seine größten militärischen Erfolge feierte er gegen Frankreich und das Osmanische Reich. Nach seinem Tod wurde er in einer Gruft im Wiener Stephansdom beerdigt. Die darüber liegende Kapelle wurde in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten kunstvoll ausgestaltet, mehrmals umgebaut und ist heute als Savoyen- oder Prinz-Eugen-Kapelle bekannt.
Die Biografie eines Soldaten
Die Familie Prinz Eugens war Teil des europäischen Hochadels und mit den führenden Häusern in Frankreich, Spanien, Österreich, Italien und Bayern verwandtschaftlich verbunden. Als Eugen zehn Jahre alt war, starb sein Vater, der in der französischen Armee gekämpft hatte. Seine Mutter zählte zur höchsten höfischen Gesellschaft, ehe sie dort in Ungnade fiel. Das war letztendlich auch der Grund, dass Eugen seine militärische Laufbahn in Diensten der Habsburger begann. Seine ersten Erfahrungen machte er als junger Oberstleutenant in der Entsatzschlacht gegen die Osmanen am 12. September 1683.
Wenig später wurde ihm das Kommando über ein Dragonerregiment übertragen und in den folgenden kriegsreichen Jahren kämpfte er gegen französische und osmanische Truppen. Prinz Eugen errang rasch militärische Ehren und führte 1697 erstmals den Oberbefehl der habsburgischen Truppen in Ungarn. Mit der Vernichtung der osmanischen Hauptarmee in der Schlacht bei Zenta am 11. September 1697 begründete Eugen seinen militärischen Ruhm.
Nach dem Frieden von Karlowitz 1699 konzentrierten sich die militärischen Aktivitäten der Habsburger auf den Westen, wo es im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges gegen Frankreich und dessen Verbündete zu kämpfen galt. Zu Eugens größten Erfolgen zählte dabei der gemeinsam mit dem Duke of Marlborough und dessen britischen Truppen erzielte Sieg bei Hochstädt (1704). Auch politisch gewann der Prinz in diesen Jahren an Einfluss. Er wurde Mitglied des geheimen Rates, Präsident des Hofkriegsrates und Generalleutnant.
Auf den Krieg im Westen folgte neuerlich einer gegen das Osmanische Reich. Mit seinen militärischen Erfolgen in Peterwardein (1716) und Belgrad (1717) befand sich der Prinz am Höhepunkt seines Ruhmes.
Der Tod eines Staatsmannes
Der Tod eines Staatsmannes
Die erfolgreiche militärische und politische Karriere, die Investitionen in repräsentative Bauwerke und Kunstsammlungen sowie die europaweite Rezeption seiner Leistungen verhinderten nicht, dass sein Einfluss in seinen letzten Lebensjahren nachließ und das Verhältnis zu Kaiser Karl VI. abkühlte. Am Umfang der Begräbnisfeierlichkeiten nach seinem Tod am 21. April 1736 war dies jedoch nicht zu bemerken, auch wenn es abgelehnt wurde, das Herz des Prinzen in der Herzgruft der Habsburger zu bestatten. Es fand seinen Platz schlussendlich in der Grabkirche des Hauses Savoyen, der Superga in Turin. (Schemper-Sparholz 2005: 361)
Zuerst wurde der Leichnam Eugens mit militärischen Ehren zum Stephansdom gebracht und in der Liechtensteinkapelle beigesetzt. Zum feierlichen kirchlichen Begräbnis kam es erst einige Monate später nach Fertigstellung des Castrum Doloris durch Johann Lukas von Hildebrandt, der für den Prinzen unter anderem auch schon das Schloss Belvedere und das Stadtpalais (in der Himmelpfortgasse) erbaut hatte. Die Trauerrede hielt zu diesem Anlass der Jesuit Franz Peickard, der zwei Jahre später auch bei der Einweihung der Kapistrankanzel an der Außenseite des Stephansdoms predigen sollte. Nicht zuletzt die Reiterfigur an der Spitze des Trauergerüsts, die Eugen als römischen Imperator darstellte, verwies unmissverständlich auf die überragende Bedeutung des Verstorbenen. (Kassal-Mikula 1997: 258)
Die Liechtensteinkapelle wird zur Prinz-Eugen-Kapelle
Die Kosten für das Castrum Doloris und die Feierlichkeiten wurden vom Kaiser getragen. Allerdings kam es nicht zur Umsetzung seines Versprechens, auch ein standesgemäßes Grabmal zu errichten. Auch den Ort seiner letzten Ruhestätte hatte Eugen nicht Karl VI., sondern der Gattin seines Neffen, Herzogin Maria Theresia Felicitas von Savoyen-Carignano, der reichen Erbin der Liechtensteins, zu verdanken.
Diese Kapelle, die sich an der Nordwestseite des Langhauses befindet, hatte im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe von Namen. Sie hieß etwa Moranduskapelle, nach einem mittelalterlichen Benediktinermönch, der als Verwandter und Beschützer der Habsburger galt. Wegen des monumentalen Kreuzes war sie auch als Kreuzkapelle bekannt. (Zehetner 2013: 1) Nach einer niederösterreichischen Adelsfamilie, die bis ins 16. Jahrhundert das Patronat ausübte, wurde sie Tirnakapelle genannt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde das Patronat von den Fürsten von Liechtenstein übernommen. Unter deren Schirmherrschaft wurde unter anderem jenes Kruzifix mit Echthaar angebracht, das im Volksmund als „Herrgott, dem der Bart wächst” bekannt ist.
Eine Privatinitiative – Beschreibung des Grabmals
Eine Privatinitiative – Beschreibung des Grabmals
Die ersten Veränderungen, die Maria Theresia Felicitas, Tochter des Liechtensteiner Fürsten Johann Adam, an der Kapelle vornahm, waren die Stiftung des Kreuzaltars und des mit dem Allianzwappen Liechtenstein-Savoyen geschmückten Eingangsgitters nach der Bestattung ihres Gatten. Dieser, Prinz Emanuel Thomas Herzog von Savoyen-Carignan, Graf von Soissons, war ein Neffe Eugens gewesen. Eugen selbst hatte keine Vorkehrungen für Begräbnis, letzte Ruhestätte oder Testament getroffen, und die Erbin seiner Besitztümer, seine Nichte Anna Viktoria von Savoyen, zeigte wenig Interesse an der Pflege des Gedächtnisses an ihren Großonkel.
Es lag also an der geborenen Liechtenstein, dem Helden ein Denkmal zu setzen. Sie beauftragte 1754 den Bildhauer und Goldschmied Joseph Wurschbauer mit der Errichtung eines Grabmals an der südlichen Seitenwand der Kapelle:
Vor einer flachen Nische steht ein Sarkophag mit den Gedenkinschriften für Prinzessin Theresia und ihrem Mann Emanuel, darüber eine steile Pyramide als Symbol der Ewigkeit mit der Gedenkinschrift für Prinz Eugen.
Seitlich von der Pyramide sind die Insignien seines Standes drapiert: Heereszeichen, Waffen, Fahnen, an ihrer Spitze eine Urne und zu ihren Füßen der Löwe der Familie Savoyen, der das Wappen präsentiert, und eine weibliche Trauerfigur mit dem Portrait von Theresia Anna Felicitas, der Stifterin der Ausstattung, umgeben von der lateinischen Inschrift: „suum cuique decus”, also „jedem der Ruhm, der ihm gebührt”. An der Vorderseite des Sarkophags befindet sich ein Relief mit der Darstellung einer Schlacht des Prinzen aus den Türkenkriegen. (Zehetner 2013: 3)
1768 ließ Maria Theresia Felicitas auch noch die Assistenzfiguren des Kruzifixes überarbeiten. Nach ihrem Tod im Jahr 1772 wurde auch sie unter der Kapelle beerdigt. (Kassal-Mikula 1997: 259) Der Abgang zur Gruft ist von einer Tafel aus rotem Adneter Marmor mit dem von der Kette des Ordens des Goldenen Vlieses umgebenen Savoyenkreuz und einer lateinischen Inschrift bedeckt:
Geweihter Ort, den die durchlauchtigste Fürstin … Theresia Anna Felicitas … Herzogin von Savoyen … für die Beisetzung ihres Gatten Emanuel Thomas, Herzog von Savoyen …, der im Alter von 42 Jahren am 28. Dezember 1729 durch eine Blatternerkrankung aus der Mitte der Lebenden weggerafft wurde, sowie für weitere Angehörige dieses hochedlen Hauses Savoyen, die hier begraben werden wollen, errichten ließ, damit sie hier ruhen mögen, bis sie in Herrlichkeit auferstehen. (Wikipedia)
Weitere Veränderungen der Kapelle
Weitere Veränderungen der Kapelle
Mitte des 19. Jahrhunderts kam es im Zuge von Umbauten zu einer weitgehenden Regotisierung der Kapelle. Grabmal, Marmorplatte und Eingangsgitter blieben jedoch erhalten. Im 20. Jahrhundert wurde darüber hinaus eine Gedenktafel zur Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen österreichischen Priester unter dem Flachrelief eines sterbenden Soldaten dem Ensemble hinzugefügt. (Zehetner 2013: 4f.)
Als in den 1970er Jahren die U-Bahnlinie 1 in Wien gebaut wurde, kam es auch zu einer Öffnung der Savoyen-Gruft. Für Verwirrung sorgte dabei, dass auch eine Herzurne gefunden wurde. Wie bereits erwähnt, wird allgemein davon ausgegangen, dass sich das Herz Prinz Eugens in Turin befindet, allerdings wurden weder die Urne in der Superga noch jene in Wien geöffnet. (Mraz 1986: 8)
Prinz Eugen als Mythos der Habsburger
Das Grabmal Prinz Eugens ist bei weitem nicht das einzige Denkmal zu seiner Erinnerung. Dass dieses Monument auf private Initiative hin errichtet wurde, ist jedoch ein Hinweis darauf, dass der Feldherr nicht immer im selben Maße verehrt wurde.
Zwar hatte er zu Lebzeiten auch außerhalb der Gebiete des Hauses Habsburgs große Popularität genossen, doch es dauerte bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, bis er erneut in das Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung zurückkehrte (Thomsen 2012: 185) – auch wenn er nie ganz verschwunden war: Man denke nur an die Vielzahl von dramatischen Bearbeitungen seiner Biografie. (vgl. Großegger 2014) Vor allem aber kannte man das die Eroberung von Belgrad (1717) verherrlichende Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter”, welches sich mit dem ersten Abdruck in einem Gebrauchsliederbuch 1818 und im Nachhall der Begeisterung um den Sieg bei Waterloo (1815) rasch verbreitet hatte. (Fischer 2008) Von Seiten des Hofes erfolgte eine Aktualisierung der Erinnerung an Prinz Eugen insbesondere mit der Errichtung des monumentalen Reiterstandbildes am Heldenplatz im Jahr 1865. (vgl. Wien Geschichte Wiki) Dabei handelt es sich um das erste Denkmal, das im Areal der Hofburg einem Nicht-Habsburger gewidmet war. Auch die Ausstattung des als übernationales „Nationaldenkmal” (Rießenfellner 1998: 63) konzipierten Waffenmuseums im Arsenal (heute Heeresgeschichtliches Museum) weist dem Feldherren mit einer Statue in Lebensgröße in der Feldherrenhalle, mit einer Darstellung der Schlacht bei Zenta in der Ruhmeshalle und einer großen Zahl von an ihn erinnernden Objekten einen erstrangigen Platz innerhalb der dargestellten Geschichte zu.
Ständestaatliche, großdeutsche und nationalsozialistische Vereinnahmungen Eugens
Ständestaatliche, großdeutsche und nationalsozialistische Vereinnahmungen Eugens
Diente der Prinz dem Haus Habsburg in den letzten Jahrzehnten der Monarchie der Kompensation militärischer Erfolglosigkeit und zur Vermittlung von Dauerhaftigkeit und Stabilität des Reiches, so erfüllte die Erinnerung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Funktion der Stiftung österreichischer wie auch (groß)deutscher Identitäten. Während der Feierlichkeiten des 250-Jahr-Jubiläums des Entsatzes Wiens im Jahr 1933 stand Prinz Eugen exemplarisch für das nationalkonservative Geschichtskonstrukt eines österreichischen Heldenzeitalters. Auch sein 200. Todestag wurde 1936 gefeiert und im Sinne der Ideologie des Ständestaates instrumentalisiert:
Und wenn wir rückwärts blickend vorwärts schauen, so ruft unser Held Eugen, dieser gewaltige Wecker des österreichischen Selbstbewußtseins, dem als Mensch, Soldat und Staatsmann der Dienst am Vaterlande am höchsten stand, dem neuen Österreich, das wie das alte, an seinem Platze im Herzen Europas steht, um mit den in ihm ruhenden sittlichen Kräften seine nie erlöschende deutsche und europäische Sendung zu erfüllen, und welches in stolzer Selbstbehauptung – indivisibiliter ac nserparabiliter – unter glänzenden Führern glaubensstark den Umbau zum ständisch gegliederten, sozialen und christlichen Staat vollzieht, als Spruchsegen und als Zukunftspfand für die Fortdauer österreichischer Freiheit und echt vaterländischer Gesinnung das Wort seines Heldenliedes zu:
Ist mein Leib auch längst vermodert,
Zeigt der Welt, daß in euch lodert
Noch der Geist von Prinz Eugenius! (Dengel 1936: 16)
Von den Anhängern gesamtdeutscher Ideen, etwa dem Historiker Heinrich Ritter von Srbik, wurde der Prinz ebenso instrumentalisiert wie von den Nationalsozialisten. In der NS–Zeit verlieh die Stadt Wien eine Prinz-Eugen-Medaille. Der Reichsführer SS Heinrich Himmler sah in Eugen einen „Kämpfer gegen den Feind aus dem Osten und gegen den französischen Imperialismus” (Thomsen 2012: 196). Die im südöstlichen Europa eingesetzte 7. SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision nach Prinz Eugen benannt, ebenso wie ein Schwerer Kreuzer der Kriegsmarine des Deutschen Reiches. Nach Hitlers „Endsieg“ sollte Belgrad in Prinz-Eugen-Stadt umbenannt werden. Diese politische Vereinnahmung der historischen Figur Prinz Eugen bewirkte nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein deutliches Nachlassen des Interesses an seiner Person beziehungsweise eine Veränderung des Fokus von den militärischen Leistungen hin zu seinen Nachwirkungen als Sammler und Kunstmäzen. (ebd.: 198) Entgegen dieser Tendenz instrumentalisierte die FPÖ den Prinzen im Wienwahlkampf 2010 in ihrem Comic „Sagen aus Wien” für ihre eigenen politischen Zwecke. (FPÖ 2010: 3)
Prinz Eugen im Straßennamen
Prinz Eugen im Straßennamen
Seit 1890 gibt es in Wien eine Prinz-Eugen-Straße; bis 1911 war eine Straße in Döbling so benannt, seither verbindet die Prinz-Eugen-Straße als eine der Hauptausfahrtsstraßen von Wien den Schwarzenbergplatz mit dem Wiedner Gürtel. Sie führt vorbei am Schloss Belvedere, der Sommerresidenz Prinz Eugens. (vgl. Wien Geschichte Wiki)
Literatur
Literatur
Dengel, Ignaz Philipp (1936): Prinz Eugen, eine österreichische und europäische Gestalt. Zum zweihundertsten Todestag. Wien.
Fischer, Michael (2008): Prinz Eugen, der edle Ritter. In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon.
FPÖ (Hg.) [2010]: Sagen aus Wien.
Großegger, Elisabeth (2014): Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis. Wien/Köln/Weimar.
Kassal-Mikula, Renata; Pohanka, Reinhard (Red.) (1997): 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien 1147–1997. 226. Sonderausstellung. Historisches Museum der Stadt Wien. Dom- und Metropolitenkapitel Wien. 24. April bis 31. August 1997. Wien.
Mraz, Gottfried (1986): Prinz Eugen und St. Stephan. In: Der Dom. Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines, 5–11.
Rießenfellner, Stefan: Steinernes Bewußtsein II. Die „Ruhmeshalle” und die „Feldherrnhalle” – das k.(u.)k. „Nationaldenkmal” im Wiener Arsenal. In: Ders. (Hg.): Steinernes Bewußtsein I. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern. Wien/Köln/Weimar, 63–75.
Schemper-Sparholz, Ingeborg (2005): Grab-Denkmäler der Frühen Neuzeit im Einflußbereich des Wiener Hofes. Planung, Typus, Öffentlichkeit und mediale Nutzung. In: Hengerer, Mark (Hg.): Macht und Memoria. Begräbniskultur europäischer Oberschichten in der Frühen Neuzeit. Köln, 347–380.
Thomsen, Martina (2012): Prinz Eugen und Jan III. Sobieski. Der Ruhm des Siegers. Um den Vorrang im nationalen und europäischen Heldenpantheon. In: Hahn, Hans Henning; Traba, Robert (Hg.): Deutsch-Polnische Erinnerungsorte. Bd. 3: Parallelen. Unter Mitarbeit von Maciej Górny und Kornelia Kończal. Paderborn, 182–201.
Wien Geschichte Wiki: Prinz-Eugen-Medaille der Stadt Wien. (letzter Zugriff: 20.09.2020)
Wien Geschichte Wiki: Prinz-Eugen-Straße. (letzter Zugriff: 20.09.2020)
Wien Geschichte Wiki: Prinz-Eugen-Denkmal. (letzter Zugriff: 20.09.2020)
Zehetner, Wolfgang (2013): Die Prinz-Eugen-Kapelle. In: Unser Stephansdom, Nr. 101.