Cobenzlgasse 30, Karte
Text: Marion Gollner, Johannes Feichtinger
Eine Tafel am so genannten Trummelhof im Ortskern von Grinzing/Döbling (Cobenzlgasse 30) berichtet über die bewegte Vergangenheit dieses Gebäudekomplexes. Laut Inschrift geriet der Hof sowohl während der ersten als auch während der zweiten Türkenbelagerung Wiens unter Beschuss, überstand die Angriffe jedoch.
Eine Tafel erinnert an die Geschichte des Hauses
Die Tafel befindet sich an der Straßenfront des so genannten Trummelhofs, den die lokale Überlieferung als das älteste Bauwerk Grinzings verzeichnet. Die Tafel, die sich links neben dem Hofeingang befindet, berichtet von der langen Geschichte des Denkmal geschützten Ansitzes.
Seit dem 11. Jahrhundert hatten die Herren von Grinzing die Herrschaft über den 1114 erstmals urkundlich erwähnten Ort ‚Grinzigan ‘ inne. Der Trummelhof soll ihnen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert als Sitz gedient haben. In römischer Zeit soll sich angeblich an seiner Stelle ein ‚Turm‘ befunden haben; sowie ein Trümmerhaufen, der im Mittelalter zu einer wehrhaften Anlage verbaut wurde und dem späteren Hof seinen Namen gab. Jüngere baugeschichtliche Untersuchungen (vgl. Buchinger, Günther, Doris Schön 2008: 634–636) zeigen allerdings, dass der Hof nicht – wie überliefert – auf einer wehrhaften mittelalterliche Anlage erbaut wurde, sondern ein im 15. Jahrhundert neu errichtetes Bauwerk darstellt. Als Besitzer wird der Klarissenorden vermutet, der im 14. und 15. Jahrhundert in Grinzing Weingärten und den Trummelhof als Lesehof bewirtschaftete. Vorgefundene Brandspuren lassen darauf schließen, dass das Anwesen von einem Brand heimgesucht wurde, der – mit aller Vorsicht – mit der ersten Wiener Türkenbelagerung (1529) in Verbindung gebracht werden kann (vgl. ebenda: 634).
Als im Jahr 1604 ein weiterer Brand die Ortschaft Grinzing verwüstet hatte, musste auch der Trummelhof neu instand gesetzt werden. Dieser spätrenaissancezeitliche Umbau, den vermutlich Georg Widmer in Angraff nahm, prägt heute das äußere Erscheinungsbild des Hofes (vgl. ebenda: 635), und nicht – wie in der älteren Literatur angeführt – die Umbauten Gotthards Freiherrn von Mannagetta, dessen Wappen heute noch über dem Eingangstor hängt (vgl. Kretschmer 1982: 9 bzw. Czeike 1997: 482).
Im Inneren (Beletage) weist der Trummelhof teilweise noch hochbarocke Ausstattungen auf (vgl. Buchinger, Günther, Doris Schön 2008: 635). Im Jahr 1835 erwarb Ludwig Jetter den Hof und errichtete in ihm ein landtäfliches Brauhaus. Auch heute befindet sich im Trummelhof ein Restaurant.
Die Inschrift auf der Tafel am Trummelhof lautet folgendermaßen:
ZUR ZEIT DER ROEMER STAND HIER
DER TRUMMELTURM ALS VORWERK
VOM KAHLE BERG (LEOPOLDSBERG) VI JAHRH
1125–1246 VON DEN BABENERGERN ALS
TRUMMEL HOF AUSGEBAUT – WURDE DER-
SELBE 1246–1463 LEHEN DER REICHOLFE
VON GRUENZINGEN – 1463–1546 WURDE
DER FREIHOF KLOSTER SANCTA CLARA
1529 UND 1683 VON TUERKENKUGELN
GETROFFEN WIDERSTAND ER NOCH DEM
GROSSEN DORFBRANDE IM J. 1604.
BIS 1646 WAREN BESITZER DES LANDTAEFLICH
GUTES: FLAESCHER-BRAUN VON BIENERSAU -
1650–1750 LUCAS KNAEFEL CROLLOLANZA
MATHESERN VON LEHENSHOFEN. -
1797 WURDE DER TURM DURCH BLITZ ZERSTÖRT.
1750–1835 HERRENSITZ DER FREIHERREN
MANAGETTA VON LERCHENAU – DANN DER
HARTENFELS UND DERO PFAFFENHOFEN
SEIDT 1835 BRAUHAUS UNTER JETTER
RICHTER V. BRATMANN BUDIL
Die Inschriftentafel bietet Informationen, die sich mit der lokalen Überlieferung decken: Sie legt Zeugnis ab von der Besitzgeschichte des Trummelhofs, der im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Funktionen erfüllte: mal war er Ritterburg, dann Klostergut und Edelsitz. Die Tafel verweist aber auch auf zwei schicksalshafte Heimsuchungen, die dem Haus widerfuhren: zum einen durch die Türken (1529 und 1683) zum anderen durch das Feuer (1604). Durch die Überwindung dieser Bedrohungen, die durch die Tafel in Erinnerung gehalten werden, wirkte und wirkt sie in der Lokaltradition identitätstiftend. Die Tafel wurde vermutlich im 19. Jahrhundert angebracht.
Grinzing zur Zeit der Türkenbelagerungen
Grinzing zur Zeit der Türkenbelagerungen
Der niederösterreichische Historiker und Topograph Franz Xavier Schweickhardt (Ritter von Sickingen) liefert in seinem 37-bändigen Werk „Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens“ aus dem Jahr 1834 einen ausführlichen Bericht über den damaligen Wiener Vorort Grinzing, den er mit folgenden Worten charakterisiert:
Die Lage von Grinzing ist überaus schön und romantisch, der Boden fruchtbar, und daher die Pflege des Weinstockes sowohl in den Ebenen als auf dem Gebirge ganz vorzüglich, wovon die Weine (besonders die alten unvermischten Grinzinger) im In- und Auslande gesucht und geschätzt sind. (Schweickhardt 1834: 76)
Schweickhardt zeigt sich nicht nur von der Schönheit des Ortes beeindruckt, sondern geht in seinem Bericht auch ausführlich auf die Geschichte Grinzings ein, das er zu einer der „ältesten Dorfschaften Niederösterreichs in der Umgebung von Wien“ zählt. Über die Verwüstungen Grinzings zur Zeit der beiden Türkenbelagerungen schreibt er Folgendes:
Bei den Einfällen der Türken in den Jahren 1529 und 1683 mußte der Ort, besonders im letzteren Jahre, die ganze Wuth der fliehenden Barbaren erfahren, als sie durch die Reichsarmee (vom Kahlenberge herabkommend am 12. September 1683 früh nach 8 Uhr) aus der heutigen sogenannten Türkenschanze durch Sturmangriffe vertrieben, und gleich dieser selbst Grinzing, nachdem sich der Feind hier äußerst hartnackig festsetzte, mit Sturm genommen wurde, wobei die meisten Einwohner ums Leben kamen. Die Wuth, mit welcher die Türken den Ort vertheidigten, gränzte an Verzweiflung; doch gleich einem brausenden Sturme wurden sie von den vereinigten Truppen der kaiserlichen Armee, worunter sich die Pohlen unter Anführung ihres Königs Johannes Sobiesky vorzüglich auszeichneten, hinweggeschlagen. Grinzing ward an diesem blutigen Morgen (ewig im Andenken der Oesterreicher) vom Grunde aus zerstört, daß es einem Steinhaufen glich. (Schweickhardt 1834: 78f.)
In Schweickhardts Aufzeichnungen kommt auch der „uralte Trummelhof“ vor, der vom Geschlecht der ‚Gründsinger‘ (bzw. ‚Grunzinger‘) erbaut wurde. Seiner Ansicht nach ist „mit Grund zu vermuthen, daß der Ort seinen Ursprung dem edlen Geschlechte der Herren von Gründsing verdanket, die bis ins XIV. Jahrhundert bestanden, auch bis zu ihrem Ausblühen den noch vorhandenen freien adeligen Trummelhof im Besitze hatten (Schweickhardt 1834: 77).
Literatur
Literatur
Buchinger, Günther, Doris Schön (2008), 19. Bezirk, Cobenzlgasse 30, in: Fundberichte aus Österreich 47, S. 633-635.
Csendes, Peter (1983): Erinnerungen an Wiens Türkenjahre. Wien/München.
Czeike, Felix (1997): Historisches Lexikon Wien. Band 5. Wien.
Kretschmer, Helmut (1982): 19. (Bezirk) Döbling. Wien/München. (Wiener Bezirksführer).
Markl, Hans (1948), Die Gedenktafeln Wiens. Wien.
Tomenendal, Kerstin (2000): Das türkische Gesicht Wiens. Auf den Spuren der Türken in Wien. Wien/Köln/Weimar.
Schweickhardt, Franz Xavier Joseph (1834): Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burge, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten &c. &c. topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearb, und nach den bestehenden vier Kreis-Vierteln alphabetisch gereihet. Wien (Online-Version bei Google-Books)